Türkische Armee soll Christen ausgespäht haben

Keine Empfehlung für die EU

Den Angriffen und Anschlägen auf Christen in der Türkei in den vergangenen Jahren ist Justiz-Recherchen zufolge offenbar jeweils eine Beobachtung durch den Armeegeheimdienst vorangegangen. Das berichtete die liberale türkische Zeitung "Radikal" unter Berufung auf einen Geheimdienstbericht der Armee. Dieser sei der Anklageschrift gegen die ultranationalistische "Ergenekon"-Verschwörung beigefügt.

 (DR)

Aus dem Bericht, der zu den Beweisdokumenten im 227 Aktenordner starken Anhang zur Anklage gehört, geht laut Bericht hervor, dass der Armeegeheimdienst die Aktivitäten der Christen im Land auf Schritt und Tritt beobachtete. Insbesondere auf 9 der 81 Provinzen konzentrierte sich demnach das Interesse des Geheimdienstes an christlichen Aktivitäten in den Jahren 2004 und 2005. In sieben dieser neun Provinzen habe es wenig später Angriffe auf Christen gegeben. «Ein höchst interessantes Zusammentreffen», kommentiert die Zeitung.

Aus den Geheimdienstberichten gehe hervor, dass die Armee über jede Bewegung der Christen informiert gewesen sei. So seien etwa Ergebnisse interner Gemeindebesprechungen türkischer Kirchen protokolliert, so das Blatt.

Messerangriffe und Brandanschläge
Als Zentren christlicher Aktivitäten werden in den Geheimdienstberichten Adana, Ankara, Antalya, Bursa, Diyarbakir, Isparta, Izmir, Samsun und Trabzon ausgemacht. Mit Ausnahme von Bursa und Isparta fanden in all diesen Provinzen zwischen 2005 und 2007 blutige Anschläge auf Christen statt. Dazu zählten mehrere Angriffe und Brandanschläge auf Kirchen in Istanbul, Antalya und Diyarbakir 2005, ein Angriff auf einen Protestanten in Adana im Januar 2006, die Ermordung eines katholischen Priesters in Trabzon im Februar 2006, ein Messerangriff auf einen Priester in Samsun im Juli 2006 und ein weiterer Messerangriff auf einen Priester in Izmir im Dezember 2007.

Die landesweit schwerste Attacke fand freilich in Malatya statt, das im Geheimdienstbericht nicht erwähnt wird. Dort wurden im April 2007 drei Protestanten erstochen. Die Gruppe «Ergenekon», der mehrere Ex-Generäle angehörten, soll versucht haben, die Türkei durch Attentate und Massendemonstrationen ins Chaos zu stürzen, um ein Einschreiten der Militärs zu provozieren. Die Ermittlungen hatten vor mehr als einem Jahr nach einem Waffenfund in Istanbul begonnen. Dutzende mutmaßliche Verschwörer sitzen derzeit in Untersuchungshaft. Der Prozess soll im Oktober eröffnet werden.