Trotz Morddrohungen: Türkischstämmige Ekin Deligöz fordert weiterhin Kopftuch-Verzicht

Grünen-Abgeordnete bleibt bei Kopftuch-Kritik

Die Grünen-Abgeordnete Ekin Deligöz bleibt trotz der Morddrohung gegen sie bei ihrem Appell an muslimische Frauen in Deutschland, das Kopftuch abzulegen. Das Kopftuch werde "politisch instrumentalisiert", betonte die türkischstämmige Abgeordnete am Montag im Deutschlandfunk.

 (DR)

Die Grünen-Abgeordnete Ekin Deligöz bleibt trotz der Morddrohung gegen sie bei ihrem Appell an muslimische Frauen in Deutschland, das Kopftuch abzulegen. Das Kopftuch werde "politisch instrumentalisiert", betonte die türkischstämmige Abgeordnete am Montag im Deutschlandfunk. Das zeige sich nicht zuletzt an der Androhung von Gewalt gegen sie. Deligöz steht nach ihrem Aufruf und der Morddrohung mittlerweile unter Polizeischutz.

Die Grünen-Abgeordnete bezeichnete es als "naiv", das Kopftuch nur als Modeaccessoires zu betrachten. Vielmehr zeige sich, dass ihr Appell, das Kleidungsstück abzulegen, als ein Angriff auf das Patriarchat und ein überkommendes Rollenverständnis der Frau gewertet werde. Wenn Menschen bereit seien, Gewalt anzuwenden, dann sei das Tragen eines Kopftuchs durch muslimische Frauen politisch. Zugleich stellte Deligöz klar, dass ein Verzicht freiwillig geschehen müsse.

Islamische Organisationen müssen Meinungsfreiheit mittragen
Sie sei "sehr erschrocken darüber, wie der mutige Aufruf von Frau Deligöz aufgenommen wurde", sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und Staatsministerin im Kanzleramt, Maria Böhmer (CDU), dem "Tagesspiegel" (Samstagausgabe).  "Ich sehe im Kopftuch ein politisches Zeichen der Abschottung. Tragen Mädchen und Frauen das Kopftuch unter Zwang, so wird es sogar zum Symbol der Unterdrückung, dies widerspreche klar der Gleichberechtigung der Frauen, wie sie für alle Frauen in Deutschland im Grundgesetz verankert sei". Die Bundesregierung erwarte im Dialog mit islamischen Organisationen, dass diese die Meinungsfreiheit und die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau als wesentliche Bestandteile der deutschen Verfassung mittragen, betonte Böhmer.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte, Versuche zur Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung seien "nicht hinnehmbar". Wenn die Empfehlung von Deligöz, im Sinne der Integration das Kopftuch abzulegen, mit religiösen Begründungen als unzulässig bezeichnet werde, "erzeugt dies die Frage nach der Vereinbarkeit des so verstandenen Islams mit der deutschen Verfassungsordnung".

Für Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) zeigen die Anfeindungen, dass es "in Teilen der türkischen Gemeinschaft in Deutschland eine regelrechte Integrationsfeindschaft und eine Ablehnung der demokratischen Grundregeln unserer Gesellschaft gibt".

Verzicht aufs Kopftuch gefordert
Bundestagsabgeordnete türkischer Herkunft hatten Mitte Oktober Musliminnen in Deutschland aufgefordert, das Kopftuch als Zeichen ihrer Integrations-Bereitschaft abzulegen. Wer von Frauen verlange, ein Kopftuch zu tragen, mache sie "zu einem Sexualobjekt, das sich verhüllen muss". Das Kopftuch sei ein "Symbol der Frauenunterdrückung", hatte Ekin Deligöz von den Grünen der "Bild am Sonntag" gesagt.

Die SPD-Abgeordnete Lale Akgün hatte betont, es sei "keine Sünde, ohne Kopftuch auf die Straße zu gehen". Im Zuge der Gleichberechtigung lehne sie es ab, "dass der türkische Mann im modischen Anzug auf die Straße geht - und seine Frau neben ihm muss einen unscheinbaren, bodenlangen Mantel und ein Kopftuch tragen". Beide Politikerinnen bekennen sich zum Islam.

Auch die deutsch-türkische Frauenrechtlerin Seyran Ates, unterstrich, das Tragen von Kopftüchern verhindere das Aufeinanderzugehen der Kulturen und werde als politisches Instrument missbraucht. Sie rief muslimische Frauen in Deutschland auf: "Legt dieses kleine Stück Stoff doch einfach ab, wenn es sich tatsächlich nur um ein kleines Stück Stoff handelt, wie viele behaupten!"

Türkische Gemeinde verurteilt Drohung
Die Türkische Gemeinde in Deutschland verurteilt die Drohungen gegen die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz «auf das Schärfste». Der Vorsitzende der Organisation, Kenan Kolat, sagte am Dienstag vor einem Treffen mit der Fraktionsspitze der Grünen: "Das darf in einer Demokratie natürlich nicht vorkommen." Die Türkische Gemeinde solidarisiere sich "voll und ganz" mit Deligöz gegen die Anfeindungen.

Kolat wandte sich allerdings gegen den Appell der Grünen-Abgeordneten an muslimische Frauen in Deutschland, das Kopftuch abzulegen. Der Appell sei "unsinnig und populistisch", sagte Kolat. Der Aufruf bewirke das Gegenteil von dem, was mit ihm bezweckt werde. Seine Organisation habe der Appell in eine schwierige Lage gebracht, weil islamistische Kreise Deutungshoheit über die Religion erhielten, sagte Kolat, der auch Geschäftsführer des Türkischen Bundes Berlin/Brandenburg (TBB) ist.