Triumph für "Oppenheimer" prägt die Oscar-Nacht 2024

Sieben auf einen Streich

Die 96. Oscar-Gala ließ künstlerische Ambitionen und Publikumsnähe gleichermaßen hochleben und hat in "Oppenheimer" von Christopher Nolan einen siebenfachen Hauptgewinner. "Barbie" wurde hingegen weniger bedacht, als zuvor erwartet.

Autor/in:
Marius Nobach
Oppenheimer großer Gewinner der Oscar-Verleihung / © Chris Pizzello (dpa)
Oppenheimer großer Gewinner der Oscar-Verleihung / © Chris Pizzello ( dpa )

Die Gala der 96. "Academy Awards" war vom Kino-Phänomen 2023 geprägt: "Barbenheimer" dominierte das Show-Programm, wobei die Filmbiografie "Oppenheimer" sich am Ende klar gegen die Puppen-Satire "Barbie" behaupten konnte.

Doch auch andere Filme setzten Markenzeichen in einer solide-unterhaltsamen Veranstaltung, die künstlerische Ambitionen und Publikumsnähe gleichermaßen hochleben ließ.

Sieben Preise für "Oppenheimer"

Manches Ende ist absehbar, das können selbst die Besten nicht verhindern. Als Al Pacino als letzter Präsentator der 96. Oscar-Verleihung den "Academy Award" für den besten Film des Jahres zu vergeben hat, versucht der gewiefte Bühnenprofi zwar selbst nach Öffnen des Umschlags noch, die Spannung etwas aufrechtzuerhalten. Doch überraschen konnte das Ergebnis eigentlich niemanden mehr.

Emma Thomas, Christopher Nolan (M) und Charles Roven im Presseraum mit dem Preis für den besten Film für "Oppenheimer" bei der Oscar-Verleihung / © Jordan Strauss (dpa)
Emma Thomas, Christopher Nolan (M) und Charles Roven im Presseraum mit dem Preis für den besten Film für "Oppenheimer" bei der Oscar-Verleihung / © Jordan Strauss ( dpa )

Es war das Happy End für Christopher Nolans Atomphysiker-Biografie "Oppenheimer", die ab dem Sommer so furios über Wochen in den Kinos reüssierte und mit 13 Nominierungen auch als klarer Favorit in die Oscar-Gala gegangen war. Dort entfielen letztlich insgesamt sieben Preise auf "Oppenheimer", inklusive des Regie-Preises für den britisch-amerikanischen Filmemacher Nolan.

Christopher Nolan und seine Frau und Produzentin Emma Thomas fanden eine gelungene Mitte zwischen einer noch glaubhaften Nonchalance und freudiger Genugtuung über den Triumph, der trotz ihrer langen Liste von Kassenerfolgen bei diesem Projekt keineswegs unumgänglich war.

Man braucht sich nur daran zu erinnern, dass nicht wenige Branchenbeobachter den dreistündigen Exkurs in Leben, Arbeit und Dilemma des Atombomben-Konstrukteurs J. Robert Oppenheimer vorab eher für ein Risiko-Unternehmen gehalten hatten.

Konkurrenz zu "Barbie"

Und auch wenn "Oppenheimer" traditioneller daherkommt als der letzte Oscar-Gewinnerfilm "Everything Everywhere All at Once" ist er weit mehr als ein schlicht auf die Vorlieben der Academy of Motion Pictures Arts and Sciences zugeschnittener Prestigefilm. Denn die Bereitschaft, sich in dieser Ausführlichkeit und formalen Raffinesse mit der Frage nach Verantwortung auseinanderzusetzen, ist selten geworden im Kino. Auch deshalb gibt "Oppenheimer" Grund zur Hoffnung für mehr generelle Wagemut und Originalität, gerade im amerikanischen Filmgeschäft.

Ryan Gosling und Margot Robbie bei der Premiere des Films "Barbie" / © Ian West (dpa)
Ryan Gosling und Margot Robbie bei der Premiere des Films "Barbie" / © Ian West ( dpa )

Das Gefühl, den Spagat zwischen den lukrativen Blockbustern des Hollywood-Alltags und den auszeichnungswürdigen Qualitätsfilmen elegant zu meistern, prägte spürbar die Gala. Der vielfach beschworene Spaß am Kino wurde auch in den überwiegend gelungenen Scherzen von Moderator Jimmy Kimmel immer wieder aufgegriffen, wobei neben "Oppenheimer" erwartungsgemäß auch "Barbie" - sowie das als "Barbenheimer" bekannt gewordene Phänomen der am selben Tag gestarteten Filme - viel geteilte Aufmerksamkeit erfuhr.

Zumindest verbal, denn bei den Preisen hatte Greta Gerwigs Kreuzung von Puppen-Werbefilm und feministischer Satire das Nachsehen; hatte "Barbie" den Konkurrenten an den Kinokassen noch hinter sich gelassen, war für "Oppenheimer" in der "Awards Season" der Löwenanteil an Preisen abgefallen. Die Oscars machten darin nun als Höhe- und Schlusspunkt keine Ausnahmen.

Auch wenn etwa Emily Blunt und Ryan Gosling launig die "Fehde" der beiden Filme kommentieren durften und die Vorzüge von "Barbie" allseits hervorgehoben wurden, blieb diesem letztlich aus sieben nominierten Kategorien nur der Preis für den besten Song.

Insgesamt glückte der Gala 2024 an vielen Stellen, was bei manchen früheren Jahrgängen eher bemüht gewirkt hatte: Misstöne vermeiden, das Glücksgefühl über die gemeinsame Arbeit an Filmen überzeugend beschwören und im Tonfall sehr unterschiedliche Werke unter dem Zelt der Filmkunst zusammenführen.

Oscar für Hauptdarstellerin Emma Stone

Beachtlich wacker schlug sich so die skurrile Frankenstein-Variation "Poor Things", bei der angesichts ihrer extravaganten Inszenierung zunächst ein schwierigerer Stand bei den oft als wenig experimentierfreudig wahrgenommenen "Academy"-Mitgliedern vermutet werden konnte. Letztlich aber sackte das Werk des Griechen Yorgos Lanthimos immerhin vier Preise ein. Neben dem "Make-up" gewann "Poor Things" auch für das Produktionsdesign, die Kostüme und für Hauptdarstellerin Emma Stone.

Emma Stone posiert im Presseraum mit dem Preis für die beste Leistung einer Schauspielerin in einer Hauptrolle für "Poor Things" bei der Oscar-Verleihung / © Jordan Strauss (dpa)
Emma Stone posiert im Presseraum mit dem Preis für die beste Leistung einer Schauspielerin in einer Hauptrolle für "Poor Things" bei der Oscar-Verleihung / © Jordan Strauss ( dpa )

Letzteres war die nicht unverdiente, aber zweifellos größte Überraschung des Abends, bei dem die Platzierung des Darstellerinnen-Preises an die vorletzte Stelle an sich wie gemacht war, um Geschichte zu schreiben - nämlich mit der Auszeichnung der favorisierten Lily Gladstone für Martin Scorseses Epos "Killers of the Flower Moon". So musste sich Gladstone mit der - historisch freilich nicht weniger bedeutsamen - Nominierung als erste amerikanische Ureinwohnerin in dieser Kategorie begnügen.

Kein Oscar für Sandra Hüller

Ebenfalls ohne Oscar blieb auch die Deutsche Sandra Hüller, die neben ihrem nominierten Part im französischen Gerichtsdrama "Anatomie eines Falls" auch im radikalen Auschwitz-Film "The Zone of Interest" brilliert hatte. Jedoch gingen beide Arbeiten, die - ein weiteres bemerkenswertes Doppel neben "Barbenheimer" - die Hauptpreise beim Festival in Cannes 2023 gewonnen hatten, auch bei den amerikanischen Filmpreisen rege bedacht und bei den Oscars jeweils fünfmal nominiert worden waren, nicht leer aus.

Sandra Hüller / © Richard Shotwell (dpa)
Sandra Hüller / © Richard Shotwell ( dpa )

"Anatomie eines Falls" wurde für das Originaldrehbuch ausgezeichnet, "The Zone of Interest" für den Ton sowie als bester "Internationaler Film" (gegen die deutsche Konkurrenz von Ilker Cataks "Das Lehrerzimmer" und Wim Wenders' "Perfect Days").

Überhaupt gelang es den "Academy"-Mitgliedern, ihre Auszeichnungen nicht allein auf wenige Favoriten zu verteilen, sondern zu streuen.

So wurde Regie-Debütant Cord Jefferson für sein smartes Drehbuch zu "Amerikanische Fiktion" ausgezeichnet, die Schauspielerin Da'Vine Joy Randolph gewann für Alexander Paynes versöhnliche Komödie "The Holdovers" den Nebendarstellerinnen-Preis. Und mit der Ehrung des Spezialeffekte-Teams von "Godzilla Minus One" zollte die "Academy" einem japanischen Film ausgerechnet in dem Bereich Beifall, der noch immer die US-Blockbuster beherrscht wie kein anderer.

Zwei weitere Entscheidungen hätten womöglich noch denkwürdiger ausfallen können, wenn die Preisträger anwesend gewesen wären; so gingen die Auszeichnung für den Anime-Künstler Hayao Miyazaki, der 21 Jahre nach "Chihiros Reise ins Zauberland" für seinen angekündigt letzten Film "Der Junge und der Reiher" erneut die Animationsfilm-Kategorie gewann, und auch der allererste "Oscar" für Wes Anderson (für seinen Kurzfilm "Ich sehe was, was du nicht siehst" nach Roald Dahl) innerhalb der Show fast ein wenig unter.

Besonders gelungen war dagegen der Tribut an den - weiterhin nicht mit eigenem Oscar bedachten - Berufsstand der Stuntleute. Und bei den Darsteller-Kategorien kam es zu einer Neuauflage des geglückten Einfalls früherer Jahre, je fünf frühere Preisträgerinnen und Preisträger die Nominierten einzeln würdigen zu lassen.

Die vier am Ende Geehrten bedankten sich dafür mit bemerkenswerten Auftritten: Emma Stone und Da'Vine Joy Randolph sympathisch-emotional und die beiden für "Oppenheimer" gekürten Darsteller Cillian Murphy und Robert Downey jr. mit pointierten Rückblicken auf die eigenen Karrieren.

Image verbessern

Auch wenn natürlich nicht jeder Aspekt vorab planbar ist - mit ihren Preisentscheidungen und der Präsentation hat die Academy 2024 einen wichtigen Schritt getan, um ihr Image zu verbessern und Publikumsnähe und selbstgestellten Anspruch wieder unter einen Hut zu bringen.

US-Moderator Jimmy Kimmel / © Chris Pizzello (dpa)
US-Moderator Jimmy Kimmel / © Chris Pizzello ( dpa )

Wofür auch die Reminiszenz an den berüchtigten Flitzer-Zwischenfall bei den 46. "Academy Awards" vor 50 Jahren spricht, für die Moderator Kimmel im Wrestler-Comedian John Cena einen willigen Mitspieler fand.

Schließlich war die Oscar-Gala 1974 seinerzeit nicht nur vom Auftritt des nackten Mannes geprägt, sondern hatte mit Werken wie "Der Clou" und "Der Exorzist" ebenfalls Preisträger-Filme zu bieten, die künstlerische Ambition und Zuschauerzuspruch vereinten. Von 1974 wie von 2024 können gleichermaßen Impulse ausgehen, die für die folgenden Jahre gern wieder aufgegriffen werden dürfen.

Einige Gewinner bei den Oscars 2024

- Bester Film: "Oppenheimer"

- Bester internationaler Film: "The Zone of Interest" (Großbritannien)

- Beste Regie: Christopher Nolan für "Oppenheimer"

- Beste Hauptdarstellerin: Emma Stone in "Poor Things"

- Bester Hauptdarsteller: Cillian Murphy in "Oppenheimer"

- Beste Nebendarstellerin: Da'Vine Joy Randolph in "The Holdovers"

- Bester Nebendarsteller: Robert Downey Jr. in "Oppenheimer"

- Beste Kamera: Hoyte van Hoytema für "Oppenheimer"

- Bester Schnitt: Jennifer Lame für "Oppenheimer"

Cord Jefferson posiert mit dem Preis für das beste adaptierte Drehbuch für American Fiction im Presseraum der Oscar-Verleihung / © Jordan Strauss (dpa)
Cord Jefferson posiert mit dem Preis für das beste adaptierte Drehbuch für American Fiction im Presseraum der Oscar-Verleihung / © Jordan Strauss ( dpa )
Quelle:
KNA