Trauerrede für Norbert Burger

Im Wortlaut

Wir dokumentieren die Rede von Oberbürgermeister Jürgen Roters anlässlich der Trauerfeierlichkeiten zur Beisetzung von Norbert Burger.

 (DR)

Sehr geehrte Frau Burger, liebe Claudia

sehr geehrte Frau Schmitz,

lieber Christopher,

lieber Klaus,

liebe Miriam,

sehr geehrte Angehörige,

liebe Freunde und Weggefährten von Norbert Burger,



heute verabschiedet sich die Stadt Köln von ihrem langjährigen Stadtoberhaupt und Ehrenbürger Dr. Norbert Burger. Wir trauern um einen großen Kölner. Mit dem Tod Norbert Burgers ist unsere Stadt ärmer geworden. Seine fordernde und mahnende Stimme wird uns fehlen. Wir alle haben Norbert Burger viel zu verdanken. Darum sind wir heute in so überwältigender Zahl zusammengekommen. Gemeinsam bezeugen wir unseren Respekt und unsere Anerkennung einem großen Lebenswerk.



Norbert Burger war das Gesicht dieser Stadt, und er hat das Gesicht dieser Stadt in vielfältiger Weise geprägt. Obwohl seit 12 Jahren nicht mehr im Amt, ist er in den Köpfen und Herzen unserer Mitbürger so gegenwärtig wie eh und je. Die Trauer, die sich bei der Nachricht von seinem Tod über unsere Stadt legte, hat uns dies noch einmal deutlich vor Augen geführt.



Ein jeder von uns hat seine eigenen Erinnerungen an Norbert Burger, an persönliche Begegnungen und Gespräche. Es sind nicht nur die großen Ereignisse wie die Begegnung mit dem Papst, der Empfang gekrönter Häupter und Staatsmänner, die in das Stadtgedächtnis eingeprägt sind. Vielmehr sind es die unzähligen persönlichen Kontakte, die Bekanntschaften und Freundschaften, die uns in Erinnerung bleiben. Sie zeigen Norbert Burger als einen aufgeschlossenen, gebildeten und humorvollen Menschen, ein Mensch, der die Bereitschaft hatte zuzuhören, der Fragen stellte, aber auch mit seiner eigenen Meinung nicht hinter dem Berg hielt.



Norbert Burger war ein Weltbürger mit vielen internationalen Kontakten. Als Präsident des Weltverbandes der Oberbürgermeister hat er vor den Gremien der Vereinten Nationen gesprochen und weltweite kommunale Interessen vertreten. Das hinderte ihn nicht daran, im hiesigen Karneval, bei Schützen- und Straßenfesten das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern zu suchen, sich ihrer Wünsche und Sorgen anzunehmen.



Die Sprache der Bürgerinnen und Bürger war auch seine Sprache; das machte seine Volksnähe und seine über die Parteigrenzen reichende Beliebtheit aus. Er sah sich als "Anwalt der kleinen Leute" und wurde auch so gesehen. Seine guten Kontakte in der Verwaltung halfen ihm, manche Probleme schnell und unbürokratisch zu lösen; er hatte aber auch keine Hemmungen, der Verwaltung "Beine zu machen", wenn eine Entscheidung für ihn nicht nachvollziehbar war oder zu lange auf sich warten ließ.



Norbert Burger wollte sich nicht allein auf die Aufgabe des Repräsentierens beschränken lassen. Er wollte die Stadt aus seinen eigenen Erfahrungen heraus mitgestalten und auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten. Dass dies im Verhältnis zu den jeweiligen Chefs der Verwaltung nicht konfliktfrei verlaufen konnte, lag nicht daran, dass beide Oberstadtdirektoren, mit denen Norbert Burger es zu tun hatte, gebürtige Westfalen waren, auch nicht am Selbstbewusstsein des Oberbürgermeisters. Die Diskrepanz zwischen der Autorität des Kölner Oberbürgermeisters und den Erwartungen an ihn auf der einen Seite und der formalen Zuständigkeit des Oberstadtdirektors auf der anderen Seite war im politischen Alltagsgeschäft nur schwer auflösbar. Gerade die Kölner Kontroverse hat den damaligen Innenminister dann auch bewogen, beide Aufgaben in eine Hand zu legen.



Norbert Burger hat immer über die Kölner Stadtmauern hinaus geschaut. Er kannte die Vorzüge und Besonderheiten zahlreicher Städte. Dies hat sein Bild von der Zukunft unserer Stadt geformt. Der Schutz der Innenstadt vor überbordender Hochhausbebauung war sein Credo und auch sein Antrieb, für die Einhaltung des Höhenkonzeptes unerbittlich zu streiten.



Er hat uns alle aufgefordert, unser Augenmerk viel stärker auf das rechtsrheinische Köln zu richten. Nicht nur, weil der industrielle Strukturwandel dort tiefe Wunden hinterlassen hat. Norbert Burger erkannte schon frühzeitig die herausragenden Entwicklungsperspektiven dieser Rheinseite; er sah die Chancen, wie sie sich uns heute darbieten und wie sie noch viel weiter genutzt werden können.



Norbert Burger kannte seine Stadt, die Veedel - manchmal bis in den letzten Winkel. Er wusste, wovon er sprach. Das schaffte Vertrauen. Er kannte auch die Geschichte unserer Stadt, manchmal bis ins Detail. Das machte stolz. Der Vorsitzende der Historischen Gesellschaft, Dr. Hammelbeck, erzählte mir vor wenigen Tagen: Jeweils etwa drei Monate nach Erscheinen eines neuen Bandes zur Stadtgeschichte - zwischen 500 und 700 Seiten - habe Norbert Burger Vollzug gemeldet: "von vorne bis hinten durchgelesen!"Wie sehr hat sich Norbert Burger gewünscht, alle Bände kennenzulernen. Dies ist ihm nicht vergönnt gewesen. Umso größer ist die Verpflichtung, die Vervollständigung des großen Werkes voranzutreiben und zu unterstützen.



Norbert Burger war der Vater zahlreicher Städtepartnerschaften. Ihm ging es nicht darum, möglichst viele von ihnen anzuhäufen! Im Gegenteil: Er wollte nur Partnerschaften, die vom Willen der Bürger getragen und mit Leben erfüllt werden. Er sagte einmal, "Städtepartnerschaften sind Friedensangebote von unten; der Friede ist so wichtig, dass man ihn nicht allein den Staatslenkern überlassen darf!"In diesem Sinne drängte er schon lange vor dem Fall der Mauer die Oberbürgermeister der beiden Partnerstädte Wolgograd und Indianapolis dazu, sich hier in Köln die Hände zu reichen.



Das war gelebte Entspannungspolitik. In schwieriger Zeit warb er für die Partnerschaft mit Bethlehem. Er wollte mithelfen, eine Brücke zur israelischen Partnerstadt Tel Aviv zu bauen. Ich glaube, es ist ihm gelungen, den Grundstein eines Fundamentes zu legen. Beide Partnerschaften helfen uns, das schwierige Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern besser zu verstehen. Beide Städtepartnerschaften bieten auch die Chance, den Verständigungs- und Friedensprozess zu befördern.



Im vergangenen Jahr war ich gemeinsam mit Norbert Burger und den beiden Städtepartnerschaftsvereinen in Palästina und Israel. Im Wissen um seine Krankheit hat Norbert dort mit stiller Wehmut Abschied genommen von beiden Städten und den wundervollen Menschen, die er im Laufe der Jahre kennengelernt hatte. Und plötzlich flackerte sein Kampfgeist wieder auf als er erfuhr, dass sein Freund, der Arzt und Bürgermeister von Bethlehem, Victor Batarseh, beim Besuch des deutschen Bundespräsidenten in der Geburtsstadt Christi ausgeladen worden war, weil er der Fatah angehörte. Norbert brachte sein Unverständnis über dieses beleidigende Verhalten gegenüber dem Präsidialamt zum Ausdruck. Er lud seinen Freund Batarseh ausdrücklich zum israelisch-palästinensischen Bürgermeistertreffen nach Köln ein und sorgte für sein Visum, was ihm zunächst verweigert worden war. Im vergangenen Dezember sahen sie sich beim Bürgermeistertreffen wieder. Sie nahmen sich freundschaftlich in den Arm. Und Norbert Burger holte spontan die Vertreterin der Stadtregierung aus Tel Aviv dazu. Politiker, die über 40 Jahre nicht miteinander gesprochen hatten, wurden durch diese menschliche Geste wieder zusammengebracht.



So baut man Brücken! Norbert Burger war ein Kölner durch und durch. Er war begeistert von den Stärken seiner Stadt, verschwieg aber auch ihre Schwäche nicht. Er war immer bestrebt, Menschen, die nach Köln kamen, mit offenen Armen aufzunehmen. Integration war sein Programm. Und viele "Immis" wurden zu begeisterten Verehrern ihrer neuen Stadt. Doch unerreicht ist die tiefe innere Zuneigung, die ein gebürtiger Kölner wie Norbert Burger zu seiner Geburtsstadt hatte. Diese unerschütterliche Liebe zu einer manchmal widersprüchlichen und unruhigen Stadt; eine Stadt voller Lebendigkeit und Lebensfreude.



Eine Stadt, die Persönlichkeiten wie Norbert Burger hervorgebracht hat.