Trauergruppen für Kinder der Caritas Paderborn

Abschied unter dem Regenbogen

In der Kinder-Trauergruppe des Caritasverbandes im Erzbistum Paderborn treffen sich alle 14 Tage Kinder im Alter zwischen sieben und zehn Jahren. Sie erzählen Geschichten, malen, tanzen, spielen - sie nehmen gemeinsam Abschied von Verstorbenen. Ein einmaliges Angebot in Nordrhein-Westfalen.

Autor/in:
Michael Ruffert
 (DR)

Die neunjährige Jiyana ist ein aufgewecktes Mädchen. Im Kreis mit sechs anderen Kindern schreibt sie gewissenhaft auf, worauf die Mädchen und Jungen der Paderborner "Regenbogen"-Gruppe stolz sind: Trampolin springen, Mundharmonika spielen oder auf tolle Fotos, die sie selbst gemacht haben. Die Stichwörter werden Jiyana zugerufen. In der ausgelassenen Stimmung spürt man kaum, dass die Kinder oft auch sehr traurig sind, weil sie einen nahen Verwandten vor kurzem verloren haben. In der Gruppe sollen sie gemeinsam ihre Trauer bewältigen. "Sie erfahren, dass es anderen ähnlich geht", sagt Sozialarbeiterin Lydia Willemsen von der Caritas, "das hilft mit dem Abschied umzugehen."

Während es Trauerbegleitung für Erwachsene schon länger gibt, sei die Therapie für Kinder noch relativ neu, sagt Jürgen Sauer, Pressesprecher des Caritasverbandes im Erzbistum Paderborn. Bundesweit gebe es solche Gruppen nur ganz selten, ein ähnliches Angebot in NRW existiere nicht. Auch Gabriele Surek, Referentin für Erzieherische Fragen bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, erklärt, dass es bei der Diakonie zwar Trauergruppen für Eltern verstorbener Kinder gebe. Ähnliche Angebote, die sich direkt an trauernde Kinder richten, seien ihr aber nicht bekannt.

In der Paderborner Kinder-Trauergruppe treffen sich alle 14 Tage vier Jungen und drei Mädchen im Alter zwischen sieben und zehn Jahren in der Beratungsstelle der Caritas. Die Kinder erzählen Geschichten, malen, tanzen, spielen - und nehmen gemeinsam Abschied, zum Beispiel in einem Ritual. "Die Kinder schreiben eine Liste mit den Dingen, die sie mit dem oder der Verstorbenen nicht mehr machen können", erläutert Sozialarbeiterin Marlene Schwander, die zusammen mit Lydia Willemson die Gruppe leitet.

"Alle haben plötzlich geweint"
Die Liste wird verbrannt, die Asche mit Erde vermischt und mit einer Efeupflanze eingetopft. Es wächst eine neue Pflanze als Zeichen der Hoffnung und des Trostes. Das Ritual vermittle den Kinder, dass die Erinnerungen an den geliebten Menschen bleibt bleiben, sagt Sozialarbeiterin Schwander. An anderen Gruppenabend bastelten sie auch eine Erinnerungskiste mit Bildern, Fotos und kleinen Gegenständen, die im Bezug zum Verstorbenen stehen.

Der Tod von Vater, Bruder oder Schwester belastet die Kinder sehr.
Jiyanas kleine Schwester starb vor genau einem Jahr. An den Anruf mit der Todesnachricht erinnert sie sich noch genau: "Alle haben plötzlich geweint, und ich habe große Angst bekommen, bin auf mein Zimmer gerannt und habe wild herumgetrampelt", erzählt sie.

Die dreijährige Schwester war an Herzmuskelentzündung gestorben.
Seitdem konnte Jiyana kaum noch schlafen. Ihre Noten in der Schule wurden immer schlechter. "Früher hatte immer Einsen und Zweien, jetzt oft eine vier oder eine fünf", sagt sie. Sie habe sich in der Schule nur schwer konzentrieren können, "weil ich immer an meine Schwester denken muss". Die Treffen mit der Gruppe helfen ihr. "Hier gefällt es mir gut, weil wir schöne Spiele machen", sagt sie. Sie schlafe nun besser, auch in der Schule laufe es besser.

Kinder trauern anders als Erwachsene
Auch Simon gefällt es bei den Regenbogen-Kindern. "Weil hier schöne Mädchen sind", sagt er verschmitzt. Er erzählt gerne Geschichten, singt das Lied von Tim Taler und spielt auf der Mundharmonika. Der Siebenjährige hat seinen Vater durch einen Arbeitsunfall verloren. So wie die neunjährige Sophia. In der Gruppe haben beide erfahren, dass sie ein gemeinsames Schicksal teilen und sind Freunde geworden.

"Kinder trauern anders als Erwachsene", erklärt Sozialpädagogin Schwander. Nach dem Tod eines lieben Menschen bekämen sie mitunter Angst, dass jetzt noch andere nahe Verwandte sterben. Oder sie wüssten nicht, wie sich verhalten sollen, wenn die Mutter nach dem Tod des Vaters oft weint und darüber nicht mit ihrem Kind reden kann.

In der Regenbogengruppe helfen den Mädchen und Jungen die festen
Rituale: Mit einem Pinsel begrüßt ein Kind die anderen und die zwei Sozialarbeiterinnen. Es streichelt damit über Hand, Hals oder Ohren.
Wer das "Redepüppchen" in der Hand hält, darf etwas erzählen. Das Kuscheltier "Tränchen" kann jedes Kind einmal mit nach Hause nehmen. Es gibt Zeiten zum Fröhlich sein, ruhige Minuten mit leiser Musik und Zeiten zum Springen und Tanzen in der Turnhalle. Das Motto: "Alle Gefühle sind OK".