Wie die Kirche in Düsseldorf auf Rosenmontag zurückschaut

Toleranzwagen, Kirchenkritik als Motiv und ein neuer Segen

Die Kirche hat in Düsseldorf auf dem Rosenmontagszug ganz schön ihr Fett weg bekommen. Aber nicht nur. Sie war auch an einem Toleranzwagen beteiligt und hat zum ersten Mal die Wagen gesegnet. Das hat nicht jedem gefallen.

Ein politischer Mottowagen zur Aufarbeitung der kirchlichen Missbrauchsfälle  / © Marcel Kusch (dpa)
Ein politischer Mottowagen zur Aufarbeitung der kirchlichen Missbrauchsfälle / © Marcel Kusch ( dpa )

DOMRADIO.DE: "Die schonungslose Aufarbeitung der Missbrauchsfälle", stand auf einem Wagen. Und zwar auf einer Hängematte, in der ein dicker Bischof zu ruhen schien. Damit nahm Künstler Jacques Tilly Bezug auf den Anti-Missbrauchs-Gipfel vor wenigen Wochen im Vatikan. Auch andere Züge hatten das Thema in den Motivwagen aufgegriffen. Wie war das für Sie?

Msgr. Ulrich Hennes (Stadtdechant von Düsseldorf): Begeistert bin ich nicht. Auf der anderen Seite muss man damit rechnen, dass im Karneval kritische Dinge aufs Korn genommen werden. Dass es nicht nur Politiker mit ihren Fehltritten sind, die in Büttenreden ihr Fett weg bekommen, muss man halt auch wissen. Das gehört dazu, auch wenn uns das wehtut, wenn unangenehme Dinge angesprochen werden.

DOMRADIO.DE: Dieses Jahr gab es etwas Neues beim Düsseldorfer Rosenmontagszug. Die Wagen wurden erstmals gesegnet. Jetzt beschwert sich der Künstler Jacques Tilly darüber, der erklärtermaßen nicht religiös ist, dass es diese Segnung überhaupt gegeben habe. Wie sehen Sie das denn?

Hennes: Erklärtermaßen ist er Atheist, Agnostiker. Insofern hat er sowieso einen sehr kritischen Blick auf alles das, was wir als Kirche tun. Nur wir haben nicht seine Wagen gesegnet, sondern die Wagen der Gesellschaft, die er zum Teil zwar mitgestaltet hat, die aber ihm nicht gehören. Wir haben auch nicht die Mottowagen an sich gesegnet, sondern dass ging in Richtung der Menschen, die auf den Wagen fahren.

DOMRADIO.DE: Diese Wagensegnung war mit Ihre Idee, oder?

Hennes: Ich mache das bei einer Gesellschaft im Narren-Kollegium schon seit einigen Jahren. Insofern habe ich angeregt, ob man das nicht für alle Gesellschaften insgesamt bei der Eröffnung der Wagenhalle tun sollte. Das Karnevals-Komitee hat das sehr begrüßt und deswegen hat diese Segnung stattgefunden.

DOMRADIO.DE: Die Wagensegnung ist hier in Köln schon ewig Tradition. Wird das denn in Düsseldorf demnächst auch Tradition sein? Was meinen Sie?

Hennes: Das hoffe ich sehr. Als Düsseldorfer Stadtdechant und als Kölner kann ich sagen: Diese Kölner Tradition hat natürlich auch Pate gestanden - wie so manche Dinge, die wir jetzt in Düsseldorf tun. Wir als Kirche haben uns vieles zum Vorbild genommen, wo wir deutlicher auch in die gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten hineinsteigen können - ob das die Fortuna-Düsseldorf-Gottesdienste sind, die es schon lange gibt, oder ob das jetzt die Wagensegnung ist.

Es gibt auch schon seit langem einen Gottesdienst in Sankt Peter in der Friedrichstadt mit allen Karnevalisten. Auch dieser ist hier schon längst eine Tradition. Insofern erlebe ich auch eine sehr positive Rückmeldung vieler Karnevalisten, die sich jetzt auch sehr solidarisch gezeigt haben, als es diesen Eklat um die Wagensegnung gegeben hat.

DOMRADIO.DE: Es gab noch eine andere Premiere: den Toleranzwagen mit Mitgliedern der christlichen Kirchen, der muslimischen und der jüdischen Gemeinde. Sie waren auf dem Wagen. Wie war es denn?

Hennes: Es war eine wirklich gute Geschichte. Ich habe dem zu Anfang etwas kritisch gegenübergestanden. Ich war mir nicht sicher, ob es gut ist, dass wir einen Dialog im Karneval beginnen. Denn es gibt bisher keinen systematischen Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften. Da wir den aber parallel fast ungeplant Ende letzten Jahres begonnen haben, fand ich es dann auch wiederum sehr stimmig. Wir haben gezeigt, dass wir als Religionen in einer Gesellschaft, die immer mehr auseinanderdriftet, unseren Beitrag dazu leisten, dass wir zusammenhalten. Das können wir als Religion sehr gut - gerade da, wo Extremismus sich breit macht.

DOMRADIO.DE: Welchen Eindruck hatten Sie von dem Wagen. Wie ist er angekommen?

Hennes: Es gab im Vorfeld viel Zustimmung. Mein Eindruck war, dass es auch währenddessen viel Zustimmung gab. Ich bin nicht sicher, ob das wirklich wegen des Themas war oder ob es wegen der Kamelle war. Das ist schwer, das zu differenzieren.

Aber insgesamt habe ich bisher nur positive Rückmeldungen gehört. Es gab natürlich auch im Vorfeld Einzelstimmen, die gesagt haben: Naja, bisher haben sich die Muslime nicht gerade durch Humor ausgezeichnet. Ich kann in der konkreten Erfahrung sagen, dass wir nur beste Erfahrungen gemacht haben.

DOMRADIO.DE: Mit Aschermittwoch ist bekanntlich alles vorbei. Die Fastenzeit beginnt. Wie werden Sie die Fastenzeit dieses Jahr gestalten?

Hennes: Der Dialog ist mit Aschermittwoch nicht vorbei. Das möchte ich betonen. Die Fastenzeit selber wird für mich eine sehr klar liturgisch geprägte sein. Es ist eine Zeit für die Erneuerung des Glaubens. Ich glaube, da haben wir als Kirche gerade eine Reihe von Aufgaben, die uns gesetzt sind – vom Umgang mit Missbrauch bis hin zum pastoralen Zukunftsweg.

Das Interview führte Martin Mölder.


Monsignore Ulrich Hennes / © David Young (dpa)
Monsignore Ulrich Hennes / © David Young ( dpa )

Mainz: Ein Mottowagen auf dem Rosenmontagszug stellt provokativ den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche dar / © Andreas Arnold (dpa)
Mainz: Ein Mottowagen auf dem Rosenmontagszug stellt provokativ den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche dar / © Andreas Arnold ( dpa )
Quelle:
DR