Tipps für ein Weihnachtsfest ohne Familienstreit

Den Tagesablauf vorher überlegen

Weihnachten ist ein Fest der Familie. Aber auch in den besten Familien kommt es zum Streit. Benedikt Kemp leitet die katholische Beratungsstelle Euskirchen und weiß, wie man kritischen Situationen schon im Vorhinein begegnen kann.

Ein Paar streitet / © Just Life (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Wieso haben die Feiertage so ein hohes Potential für Streit in der Familie? 

Benedikt Kemp (Leiter der katholischen Beratungsstelle Euskirchen): Weihnachten hat eine ungebrochene Faszination. Die wird auch bleiben. Ich glaube, es gibt eine große Sehnsucht nach Familie, nach gelingenden Beziehungen, auch danach, die Bindungen zu erleben.

Ich glaube, das gibt dem Thema immer wieder Schwung. Das ist auch nicht verkehrt, weil das irgendwie zu unserem Menschsein dazugehört. Aber natürlich haben wir an Weihnachten nicht plötzlich Friede, Freude, Eierkuchen, sondern all die Spannungen und Konfliktthemen, die es übers Jahr gibt, sind in diesen intensiven Tagen dann noch greifbarer.

Benedikt Kemp, Leiter der katholischen Beratungsstelle Euskirchen

"Die Erwartungen sind unglaublich groß. Die Realität ist eine andere"

 

DOMRADIO.DE: Warum ist ausgerechnet an Weihnachten das Potenzial für Streit in der Familie höher als sonst?

Kemp: Das Thema Erwartungen spielt eine große Rolle. Die Erwartungen sind unglaublich groß. Die Realität ist eine andere. Man möchte gerne mit den Menschen zusammen sein, die zur Familie gehören, die man vielleicht auch gern hat.

Aber es wird halt auch spürbar, dass es Unterschiedlichkeiten gibt. Man trifft mitunter auch auf die Herkunftsfamilie. Da merkt man vielleicht, wie sich im Laufe der Jahre manches auseinander bewegt hat. Das ist ein sehr anspruchsvolles Setting, in das man sich an Weihnachten reinbegibt, grade wenn man sich im größeren Familienverbund trifft. Das ist nicht einfach, was man sich da vornimmt.

DOMRADIO.DE: Was sind denn die typischen Themen, die an Weihnachten für Streit sorgen? Den Jüngeren graut es vor Fragen wie: "Wann ist es denn bei euch soweit mit heiraten?" Die Nichte motzt den Onkel an, weil es nichts Veganes gibt. Das sind Klischees. Aber können Sie das bestätigen?

Kemp: Ja, durchaus. Aber die Bandbreite der Themen ist so breit, wie Menschen vielfältig sind. Da könnte man Bücher mit füllen. Ich glaube, die Themen sind gar nicht das Entscheidende, sondern die Konfliktmuster zwischen den Menschen.

Da gibt es vielleicht Konkurrenzkampf oder das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Da gibt es sehr unterschiedliche Arten und Weisen, mit Situationen umzugehen. Der eine hat das Bedürfnis, viel über Emotionen zu sprechen und jemand anderes möchte gerne lösungsorientiert an Dinge herangehen und die eher kurz abhandeln.

Das trifft dann aufeinander und auch auf diese schwierige Gemengelage, dass die Erwartungen an dieses Fest zu hoch, letztlich auch überfrachtet sind.

Benedikt Kemp, Leiter der katholischen Beratungsstelle Euskirchen

"Die Themen sind gar nicht das Entscheidende, sondern die Konfliktmuster zwischen den Menschen"

DOMRADIO.DE: Was können Sie denn den Menschen, die in Ihre Beratungsstelle kommen, für Tipps mitgeben, wenn es um ein friedvolles Weihnachtsfest geht? Sie können ja nicht zu jedem sagen: "Dann sagen Sie doch lieber mal nix zu Hause".

Kemp: Eine Sache, die sich unbedingt lohnt, ist, sich zu fragen wie das Weihnachtsfest in den vergangenen Jahren gelaufen ist und was eigentlich die Themen waren, die zu Druck und Spannungen geführt haben.

Wenn man sich innerlich schon mal ein bisschen darauf vorbereitet, geht man schon anders rein. Eine andere Sache, die sich als hilfreich erwiesen hat ist folgende: Für manche Dinge hat man Pillen in der Tasche stecken, beispielsweise gegen Kopf- oder Bauchschmerzen. Wir sprechen auch schon mal von Subtext-Pillen. Die kann ich mir für kritische Situationen einsatzbereit halten. Das kann ein Satz sein, den ich mir selber sage: "Die meint das nicht so" oder "Die kann nicht anders, auch wenn sie will". Das können solche Sätze sein.

Ich kann mir auch vorher Sätze überlegen, die schwierige Situation am Familientisch deeskalieren können. Ich kann elegante Themenwechsel vorbereiten, sodass man nicht ganz unvorbereitet in diese Sitationen reingeht, die sich im Grunde häufig wiederholen.

DOMRADIO.DE: Es gibt im Moment so viele Krisen auf der Welt: der Krieg, die Inflation, Hunger, Geflüchtete, das Klima. Können die Menschen das über Weihnachten alles ignorieren?

Kemp: Ich würde es nicht ignorieren. Es ergibt immer Sinn zu gucken: "Was ist wirklich die Realität?" und "Was ist in mir gerade los?" und "Was beschäftigt mich gerade?". Ich glaube, die Nachrichtenlage ist ein guter Anlass für manches, einfach noch mal dankbarer zu sein. Vieles ist ja so selbstverständlich geworden.

Die Nachrichtenlage ist aber auch ein guter Anlass, um nach richtigen Umgangsformen zu suchen, miteinander darüber zu sprechen. Da gibt es unterschiedliche Bedürfnisse, wie ausführlich die Nachrichtenlage am gemeinsamen Esstisch thematisiert wird. Da muss man sich auch aufeinander einstellen.

Benedikt Kemp, Leiter der katholischen Beratungsstelle Euskirchen

"Wenn man zusammen zu den Schwiegereltern fährt, sollte auch besprochen sein wie lange man bleibt"

DOMRADIO.DE: Angenommen es kommt wirklich immer wieder zum Streit und das Fest würde unter der Atmosphäre leiden. Ist es tatsächlich eine Option zu sagen. "Leute, das ist nichts gegen euch, aber dieses Jahr klinke ich mich einfach mal aus?"

Kemp: Natürlich ist das eine Option. Da muss jede Familie und jeder für sich seinen Weg finden. Da gibt es keine pauschale Lösung. Aber es gibt immer auch Zwischenlösungen. Was sehr hilft, ist, dass man in Familien, in Partnerschaften vorher überlegt, wie diese Tage überhaupt laufen sollen. Das nimmt oft schon viel Druck raus.

Wenn klar ist, dass man zusammen zu den Schwiegereltern fährt, sollte auch besprochen sein, wie lange man bleibt. Das sind Mittel, die viel entschärfen können. Auch währenddessen ergibt es manchmal Sinn zu sagen, dass man mal für ein halbes Stündchen rausgeht.

Ein wichtiger Faktor bei diesen Dynamiken in den Familien ist, wie es den Kindern geht und wie gut die versorgt sind. Auch Kinder müssen häufig "gelüftet" werden. Es gibt also verschiedene Dinge, über die man nachdenken kann und sollte, bevor man den Kontakt komplett vermeidet.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Live: Advent und Weihnachten im Kölner Dom

Neben den Werktagsmessen um 8 Uhr und den Friedensgebeten an Werktagen um 12 Uhr überträgt DOMRADIO.DE im Advent und Weihnachten 2022 folgende Gottesdienste und Konzerte live aus dem Kölner Dom. Flyer zum Download (pdf)

Kapitelsamt am ersten Adventssonntag

27.11.2022 - 10:00

Pontifikalamt zur Eröffnung der Adveniat-Aktion

27.11.2022 - 10:00

Musikalisches Abendgebet

27.11.2022 - 18:00

 © Nicolas Ottersbach (DR)
© Nicolas Ottersbach ( DR )
Quelle:
DR