Tiefe Gräben bei Friedensgesprächen für Syrien

Betroffenheit und Aggressivität

Schon der Beginn der syrischen Friedensgespräche zeigt, wie schwierig eine Einigung zwischen den Bürgerkriegsparteien werden wird. Die Stimmung im Konferenzsaal schwankt zwischen Betroffenheit und Aggressivität.

Syrien-Friedenskonferenz (dpa)
Syrien-Friedenskonferenz / ( dpa )

In aufgeheizter Stimmung haben die syrischen Friedensverhandlungen in der Schweiz begonnen. Die syrische Regierungsdelegation legte sich mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon an. Westliche Politiker beschworen die Bürgerkriegsparteien, Mut und Verantwortungsbewusstsein zu zeigen. Die erste Sitzung, an der Minister aus 30 Staaten teilnahmen, ging am Mittwoch in Montreux ohne konkrete Ergebnisse zu Ende.

Der syrische Außenminister Walid al-Muallim hielt sich trotz einer Ermahnung von Ban nicht an die vorgeschriebene Redezeit. Er sprach statt 10 Minuten mehr als 20 Minuten lang und sagte: "Nach drei Jahren des Leidens ist das mein gutes Recht." Die Regimegegner beschimpfte er als Terroristen aus dem Umfeld von Al-Kaida. "Diese Konferenz kann nicht erfolgreich sein, denn Politik und Terrorismus gehen nicht zusammen", erklärte er.

Der Vorsitzende des syrischen Oppositionsbündnisses, Ahmed al-Dscharba, zeigte sich dagegen kompromissbereit. Er sagte: "Das syrische Volk erwartet von uns allen Ergebnisse." Seine Worte kamen bei westlichen Diplomaten deutlich besser an, als die Brandrede von Al-Muallim.

130.000 Todesopfer

In Syrien tobt seit 2011 ein Bürgerkrieg, in dem schon mehr als 130.000 Menschen ums Leben gekommen sind. Tausende werden vermisst. Die monatelang vorbereitete Konferenz in der Schweiz soll ein Signal der Hoffnung auf eine politische Lösung des blutigen Konflikts in Syrien aussenden. Doch die Gräben zwischen den Bürgerkriegsparteien und den Staaten, die sie unterstützen, sind tief.

Ab kommenden Freitag sollen die Bürgerkriegsparteien in Genf erstmals miteinander über einen Waffenstillstand und die Bildung einer Übergangsregierung unter Beteiligung der Opposition sprechen. Der UN-Syriengesandte Lakhdar Brahimi soll dabei vermitteln.

US-Außenminister John Kerry betonte vor den Konferenzteilnehmern: "In Syriens Zukunft ist kein Platz für Assad". Er warnte davor, sich bei den anstehenden Verhandlungen nur um humanitäre Fragen und lokale Waffenstillstandsvereinbarungen zu kümmern. Diese seien notwendig, könnten aber nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer umfassenden Friedenslösung sein. Der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte, Syrien müsse ein "souveräner, säkularer Staat" bleiben.

Der syrische Machthaber Baschar al-Assad, der nicht an den Verhandlungen teilnimmt, hat bisher alle Rücktrittsforderungen zurückgewiesen. Er will im Juni erneut für das Präsidentenamt kandidieren. Zuletzt waren gegen ihn erneut massive Foltervorwürfe erhoben worden. Mehrere Hundert Assad-Anhänger demonstrierten in Montreux vor dem Konferenzgebäude. Sie riefen: "Mit unserer Seele und unserem Blut verteidigen wir dich, oh Baschar."

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, der erste Konferenztag habe gezeigt, "dass die Positionen weit auseinanderliegen". Er sei "empört", dass der syrische Außenminister in seiner Rede jede Verantwortung des Regimes für die schreckliche Lage in Syrien bestritten habe. Ziel der Verhandlungen sei es, jetzt zumindest einen "Einstieg in humanitäre Lösungen" zu bekommen. Möglicherweise könne es gelingen, "Inseln der Beruhigungen" in dem Bürgerkriegsland zu schaffen.

Der iranische Präsident Hassan Ruhani räumt der Friedenskonferenz wenig Erfolgsaussichten ein. "Wir wären natürlich glücklich, falls die Konferenz zu Frieden in Syrien führen sollte, aber so wie es aussieht, gibt es wenig Hoffnung", sagte Ruhani vor seiner Abreise zum Weltwirtschaftsforum in Davos. Der Iran war in weniger als 24 Stunden von UN-Generalsekretär Ban zu der Konferenz ein- und dann wieder ausgeladen worden. Teheran unterstützt das Assad-Regime.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana meldete, am Mittwoch sei erstmals seit Monaten wieder eine Passagiermaschine in der nördlichen Metropole Aleppo gelandet. Die Armee habe das Gebiet rund um den Flughafen unter Kontrolle gebracht. 

Vatikan nimmt in Montreux teil

Der Vatikan nimmt mit einer eigenen Delegation an der Syrien-Konferenz teil. Wie der Vatikan am Mittwoch mitteilte, wird der Heilige Stuhl als Leitungsorgan der katholischen Kirche von Erzbischof Silvano Tomasi, seinem diplomatischen Vertreter bei den Internationalen Organisationen in Genf, sowie Alberto Ortega Martin vertreten, dem für den Nahen Osten zuständigen Mitarbeiter aus dem vatikanischen Staatssekretariat. Zunächst galt eine Teilnahme des Vatikan an der am Mittwoch eröffneten Konferenz "Genf2" als fraglich.

Vor Beginn der Konferenz hatte der Vatikan neue Anstrengungen für ein Ende der Gewalt in dem Bürgerkriegsland gefordert. Es gehe darum, einen gemeinsamen Ansatz für einen Waffenstillstand zu finden, sagte Tomasi der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Gespräche seien der einzige Weg, um der Gewalt Einhalt zu gebieten. Allein eine Million geflohener Kinder stünden für eine "nicht hinnehmbare humanitäre Not".

Zu den Aussichten der Konferenz äußerte sich der Vertreter des Heiligen Stuhls bei den UN-Einrichtungen in Genf zurückhaltend. "Es ist schwierig, den Propheten zu spielen", sagte Tomasi. "Dass man sich trifft, ist ein positiver Schritt zu einem ernsthafteren Dialog."

"Es ist klar, dass der Frieden an Bedingungen und Situationen gebunden ist, die außerhalb Syriens liegen", so der Diplomat. Er sprach von einem "Stellvertreterkrieg", für den die syrische Zivilbevölkerung den Preis zahle. Neben den nationalen Konfliktparteien und der internationalen Gemeinschaft müssten auch Regionalmächte wie Saudi-Arabien und der Iran in eine Lösung eingebunden werden.

Die Situation der Christen im Land werde vom Vatikan "sensibel" beobachtet, sagte Tomasi. Zugleich liege ein Fortbestehen der christlichen Gemeinschaft im Interesse Syriens selbst. "Die Präsenz der Christen hilft zum Aufbau einer demokratischen Gesellschaft", sagte er unter Verweis auf die biblisch fundierte christliche Lehre von Bürgerrechten und Bürgerpflichten.

Als vorrangige Ziele in Syrien nannte Tomasi "die Gewalt beenden, Verhandlungen aufnehmen, den Wiederaufbau beginnen und den jungen Menschen Arbeitsmöglichkeiten eröffnen". Mit Blick auf Friedensbemühungen herrsche breite Einigkeit unter Religionsgemeinschaften, sowohl bei den christlichen Kirchen als auch bei Muslimen "auf lokaler Ebene".


Quelle:
dpa , KNA