Thomas Meyer über seinen Romanhelden Motti Wolkenbruch

Wie kann man eine dominante Mutter überleben?

Motti Wolkenbruch ist ein junger orthodoxer Jude aus Zürich, der sich zum Entsetzen seiner Familie in eine Schickse, eine Nichtjüdin, verliebt. 'Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse' heißt der berührend schelmische Roman von Thomas Meyer.

Thomas Meyer / © Lukas Lienhard / © Diogenes Verlag  (Diogenes)
Thomas Meyer / © Lukas Lienhard / © Diogenes Verlag ( Diogenes )

"Motti ist ein Mensch, der einen klaren Lebensplan hat", so stellt der Autor Thomas Meyer seinen Romanhelden Motti Wolkenbruch vor, "und zwar keinen eigenen Lebensplan, sondern einen, der ihm aufgedrückt, quasi übergestülpt wird. Die Tradition und die elterliche Erwartung stellen da Ansprüche an ihn". Motti Wolkenbruch wächst in einer streng jüdisch-orthodoxen Familie in Zürich auf. Seine dominante Mutter will, dass er endlich heiratet – und zwar standesgemäß eine jüdische Frau, alles andere wäre ein Skandal. Doch Motti verliebt sich in eine Schickse – in Laura. "Die Laura, diese Schickse, dieses nicht-jüdische Mädchen ist für ihn eine Verheißung", sagt Meyer, "die ihm ein anderes Leben ermöglicht. Dabei geht es weniger um die Frau, also es geht nicht so sehr um diese Laura, als um den Weg, den er an ihrer Seite beschreitet".

Was ist eine 'Schickse'?

Meyer erzählt mit viel Humor vom Weg Mottis aus den umklammernden Armen der Mutter, die ihm immer wieder jüdische Frauen zuführt, die ihm die wilde Welt da draußen verbietet. 'Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse' ist ein amüsanter Roman über das Erwachsenwerden. Dabei sei der Begriff Schickse zunächst einmal ein ganz neutraler, beschreibender Begriff für ein nicht-jüdisches Mädchen, der heute aber sehr abwertend gebraucht werde, erklärt Meyer. Schickse - das meint heute umgangssprachlich eine 'Tussi'.

Der Autor Thomas Meyer, selbst Sohn einer jüdischen Mutter, taucht in seinem Buch tief in die jüdisch-orthodoxe Welt ein. Er spielt sehr witzig mit jüdischen Klischees, wohlgemerkt mit jüdischen Klischees und nicht mit judenfeindlichen Klischees. "Das Buch macht sich in keiner Weise über Juden oder über das Orthodoxe lustig, überhaupt nicht", stellt Meyer klar. Es sei aber ein lustiges Buch. "Wenn es sich über etwas lustig macht, dann über zu entfesselte Mutterliebe – und darüber darf man sich lustig machen", sagt der Autor.

'Sex machen' heißt jiddisch 'Schtuppen'

Dabei nutzt der Autor auf wunderbare Weise die jiddische Sprache. 'Tuches' ist der Hintern, die Mutter ist die 'Mame' und Sex-machen heißt aus jiddisch 'schtuppen'. "Ich empfinde Jiddisch als eine sehr knuffige, niedliche, charmante Sprache", sagt Meyer, "gerade wegen dieser reizvollen Wörter. Die E-Mail heißt auf jiddisch Blitzbrief. Diese Art mit Sprache umzugehen, ist bezaubernd".

Was bedeutet Thomas Meyer das Judentum?

Thomas Meier sagt, dass er nicht religiös sei, dass er sehr säkular in Zürich aufgewachsen sei. "Religion war kein Thema. Aber es ist natürlich so, wenn man als Jude geboren ist, dann ist das ein Thema und bleibt auch immer eins. Man wird als Sohn einer Jüdin geboren. Das macht einen zum Juden und das ist unabhängig von der Frage, wie sehr man nun den religiösen Aspekt dieser Erbschaft handhabt", sagt Meyer. In seinem Wolkenbruch-Roman schreibt er. 'Das Judentum ist wie eine Aura, ein unsichtbares und dennoch allgegenwärtiges Licht, an dem wir uns gemeinsam wärmen'. Diese Aussage gelte auch für ihn persönlich, sagt Meyer. Und der Glaube an einen Gott? Nein, sagt der Autor, er glaube nicht an Gott, sagt dann aber weiter: "Ich bin durchaus kein nüchterner Mensch. Ich bin durchaus überzeugt, dass es neben unserer sichtbaren Welt auch noch eine unsichtbare gibt. Ich bin auch überzeugt, dass vor unserer irdischen Existenz und danach ganz viel geschieht".


Quelle:
DR