Theologin Scherer spricht über Glaube in der heutigen Zeit

Lohnt es sich, Jesus heute nachzufolgen?

Hildegard Scherer ist Professorin für Biblische Theologie. Sie ist gerade von der Theologischen Hochschule Chur an die Universität Duisburg-Essen gewechselt. Im Interview erzählt sie, ob sich eine Nachfolge Jesu heute noch lohnt.

Ein Kreuz mit Jesusdarstellung am Wegesrand / © FooTToo (shutterstock)
Ein Kreuz mit Jesusdarstellung am Wegesrand / © FooTToo ( shutterstock )

Himmelklar: Sie beschäftigen sich sehr viel mit der Bibel. Deuten kann man die Texte aus der Bibel immer auf heute, auf sich und die eigene Lebenssituation beziehen. Aber welche Interpretation lässt sie aktuell werden?

Prof. Dr. Hildegard Scherer (Professorin für Katholische Theologie/Biblische Theologie und ihre Didaktik - Schwerpunkt Neues Testament an der Universität Duisburg-Essen): Mit der Bibel geht man vielleicht manchmal einen Umweg. Man geht erst in die alte Zeit hinein, in eine ganz andere Situation, die mir vielleicht fremd ist. Ich muss mich in eine andere Kultur hineinversetzen, in eine Situation, die ich nicht selbst erlebt habe. Das kann aber sehr spannend sein. Das kann mich aus meinem Denken rausholen. Das kann mir Perspektiven eröffnen, an die ich alleine so gar nicht gedacht hätte. Dadurch entsteht Auseinandersetzung, dadurch entsteht eine Verfremdung, die manchmal sehr produktiv sein kann.

Hildegard Scherer (privat)
Hildegard Scherer / ( privat )

Himmelklar: Bei der Beschäftigung mit diesen Texten stellt man fest und ist oft auch ein Vorwurf, dass Frauen nicht so richtig Thema sind. Kämen Frauen in der Bibel tatsächlich öfter vor, wenn man nur die richtige Textstelle lesen würde oder vielleicht die Stellen, die nicht so bekannt sind, vorgetragen würden?

Scherer: Die biblischen Texte enthalten auch Geschichten von Frauen und Geschichten von Männern. Manche Geschichten sind Lebenserfahrungen, wo es gar nicht so darauf ankommt, ob das jetzt die eine oder der andere macht. Es gibt Texte, wo sich die Männer an den Frauen ein Beispiel nehmen können und umgekehrt. Da darf man, denke ich, auch sich jeweils mit den anderen identifizieren. Man muss in der Bibel vielleicht ein bisschen mehr nach den Frauen suchen, weil die tatsächlich in der allgemeinen Diskussion nicht so präsent sind. Aber ich denke, das lohnt sich dann auch, zu tun. Das kann dann zu unterschiedlichen Einsichten führen.

Manchmal entdeckt man Dinge, die einem anstößig erscheinen, wo die Frauen eben in diesem patriarchalen System dargestellt werden, was man dann natürlich auch kritisch betrachten kann. Manchmal entdeckt man aber auch den subversiven Ton darunter, wo Frauen ihre Frau stehen, wo Frauen gewürdigt werden, wo Frauen ganz maßgeblich dazu beitragen, dass die christliche Bewegung vorangeht.

Himmelklar: Nehmen Sie das auch als Vorbild für sich und für heute?

Scherer: Das kann auf jeden Fall eine Inspiration sein, sich auch in diesen Erfahrungen der anderen zu spiegeln, in den Erfahrungen, die Frauen auch in vielleicht noch einer stärker patriarchal geprägten Situation gemacht haben.

Himmelklar: Um diese Geschichten, die in der Bibel dargestellt werden und die wir rund um Jesus kennen, begreifbarer zu machen, wird oft in einer Katechese im Gottesdienst oder an ähnlichen Stellen ein Schauspiel oder Figurenspiel genutzt. Ganz aktuell und prominent ist das Fernsehevent "Die Passion" in Essen. In der Kritik darüber gab es alles zwischen "Kitsch" und "Kirche". Ist das gelungen, weil alle darüber geredet haben?

Scherer: Dass eine Auseinandersetzung mit der Passion anfängt, das hat sicher sehr intensiv stattgefunden, und das begrüße ich auch. Ich denke, das eigentlich Spannende an dieser Passion ist ja das, was man anschließend darüber diskutiert.

Da werden manchen Menschen Dinge aufgehen, die sie schätzen, wo sie profitieren können. Anderen werden Dinge aufgehen, die sie vermissen, die ihnen schmerzlich fehlen. Und dadurch merkt man eigentlich, was einem selbst wichtig ist.

Himmelklar: Sie haben sich das Schauspiel "Die Passion" angesehen und auch im Nachgang in einem Insta-Live-Talk drüber gesprochen. Was ist denn Ihr Fazit? Finden Sie es ein bisschen drüber oder waren Sie zufrieden mit der Aufführung?

Vorstellung aller Teilnehmer zum RTL Musik-Live-Event Die Passion in Essen im Jahr 2020 / © Friedrich Stark (epd)
Vorstellung aller Teilnehmer zum RTL Musik-Live-Event Die Passion in Essen im Jahr 2020 / © Friedrich Stark ( epd )

Scherer: Das habe ich erst mal ganz analytisch betrachtet: Was ist eigentlich passiert? Was ist hier gemacht worden mit dem Text? Ich möchte da ungern ein Geschmacksurteil oder ein Werturteil abgeben. Das hat eine bestimmte Ästhetik, die manche anspricht, mit der manche können, wo manchen irgendwie ein Licht aufgeht – und die andere total zurücklässt. Wenn man die Johannes-Passion von Bach anschaut, wird das spiegelbildlich ähnlich sein. Das sind auch bestimmte Arten und Weisen, mit biblischen Texten umzugehen.

Hier hat man das so gemacht, dass man den Blick in die Personen hinein gerichtet hat und ihre Gefühlswelt und ihre Überlegungen ausgeleuchtet hat. Das hat man mit Liedern, die man aus anderen Kontexten kennt, zusammengebracht. Das empfand ich erst mal als einen spannenden Ansatz, weil da wieder so ein Verfremdungseffekt passiert und weil diese Lieder, die vielleicht auch schon irgendwie besetzt sind, an die man selber in bestimmten Situationen schon gedacht hat, in Dialog treten mit dem Text.

Es ist natürlich klar, dass eine solche Inszenierung auch nie alles leisten kann: Da ist immer eine Auswahl getroffen, da ist immer auch eine Absicht dahinter. Deswegen würde ich sagen: eine mögliche Inszenierung, nicht die einzige Inszenierung. Gerade sich damit auseinanderzusetzen, das ist der eigentliche Clou daran, finde ich.

Himmelklar: Könnte man auch sagen, der Mehrwert besteht darin, dass über die Kirche ein paar Tage lang geredet wurde und dass das Thema war?

Scherer: Das ist eine spannende Frage, inwiefern da über Kirche geredet wurde, weil das ja eigentlich, soweit ich das mitbekommen habe, gar keine kirchliche Initiative von irgendeiner offiziellen Seite gewesen ist. Ich weiß nicht so genau, von wem das kam. Waren das Christinnen und Christen? Waren es welche, die am Rand stehen? Gerade diese Perspektive finde ich spannend: Wie geht jemand mit der Geschichte um, der das nicht in einer professionellen Rolle macht? Das hat mich natürlich auch sehr interessiert und sehr fasziniert: Was sehen denn Leute darin? Und wo können Leute damit etwas anfangen, die jetzt nicht kirchenamtlich oder kirchenoffiziell irgendeine Absicht damit verbinden?

Ich denke, es ist vor allen Dingen die Passion ins Gespräch gekommen. Es ist vor allen Dingen diese Geschichte ins Gespräch gekommen. Und das finde ich auch wichtig: Sie ist als Erzählung ins Gespräch gekommen, als eine Erzählung – wie eine bestimmte Perspektive das heute erzählen möchte. Jemand anderes erzählt es wieder anders.

Himmelklar: Diese Inszenierung gab es mitten in der Stadt, in die Sie gerade ganz aktuell erst gezogen sind. Was haben Sie sich für den Wechsel von Chur an die Universität Duisburg-Essen vorgenommen?

Scherer: Wenn das Semester vorbei ist, werde ich mich wieder stärker an die Forschung setzen. Ich möchte zum Thema Führung forschen. Nicht in dem Blickwinkel "Wie läuft gute Führung in einem christlichen Profil?", sondern unter der Perspektive, dass Führen auch immer was mit Gehen zu tun hat. Führen funktioniert nur, wenn andere da auch gehen. Und ich glaube, das sind gerade im Urchristentum sehr komplexe Prozesse, wo auch den Gehenden sehr viel zugetraut wird, was manchmal so in den kirchlichen Diskursen ziemlich untergeht. Wenn Paulus den Korinthern, dieser Gemeinde, sagen kann, dass sie mit Weisheit und mit allem ausgestattet sind, dann denke ich mir: Das sind schon stattliche Ansagen. Das hört man so im kirchlichen Bereich vielleicht nicht allzu häufig.

Solchen Prozessen unter den ersten Christen, die sich da aus der Perspektive des Paulus abbilden, würde ich gern nachgehen. Und dann speziell noch der "Hirten"-Metaphorik. Die haben wir ja allenthalben, dass die Hirten und in den kirchlichen Dokumenten die Laiinnen und Laien zueinander gebracht werden. Was hat es denn mit diesen Hirten auf sich? Ist dieses Bild überhaupt noch passend? Was steckt dahinter? Und dort, wo es aufgegriffen wurde, in den biblischen Schriften, im Neuen Testament, wie ist es denn da gefüllt? Kann uns vielleicht diese Füllung weiterhelfen, auch in den strukturellen Fragen, die wir haben? Welche Rolle haben dort eigentlich die Hirten? Was davon ist vielleicht auch im Lauf des Überlieferungs- und Rezeptionsprozesses verloren gegangen und lohnt sich, wieder hervorzuholen?

Das wären die größeren und langfristigen Pläne. Wenn ich zwischendurch auf spannende Themen stoße oder eine Anfrage für eine Konferenz oder für einen Beitrag kriege, dann lasse ich mich davon auch gerne inspirieren.

Himmelklar: Kommen wir kurz zurück auf die Studierenden. Wenn man Religionslehrerin oder -lehrer ist und diese Spiritualität, diesen Glauben an Gott Kindern schmackhaft machen möchte, auch wenn sie es vielleicht nicht vom Elternhaus schon mitbekommen, muss man selber seinen Glauben rüberbringen können. Welchen Tipp geben Sie da Studierenden mit an die Hand?

Scherer: Ich würde als Tipp formulieren, authentisch zu sein, ehrlich zu sein und auch das, wo man selber Fragezeichen hat, zuzulassen. Des Weiteren würde ich als Tipp mit dazugeben, sich da keine zu genauen Ziele setzen zu wollen, was bei den Schülerinnen und Schülern passiert, sondern man steigt zusammen in einen Zug ein und fährt eine Weile zusammen – und dann steigen die wieder aus. Was das Leben genau mit dem macht, was in dieser Zeit passiert ist, das lässt sich gar nicht so genau planen. Sind da Impulse dabei, die irgendwann später mal wieder auftreten? Ist da vielleicht auch was dabei, wo die Schülerinnen und Schüler überhaupt nicht mit klarkommen und vielleicht gerade dadurch auf eine eigenständige Meinungsbildung kommen? Da ist, glaube ich, viel zwischen Himmel und Erde.

Da glaube ich, dass – jetzt mal ganz theologisch gesprochen, wenn sich Leute vom Glauben anstecken lassen, dass da auch noch ein Stück weit der Heilige Geist mittun muss. Das müssen die Lehrpersonen nicht leisten, sondern die müssen ein Stück mitgehen. Sie müssen offen sein für Fragen, die müssen ihre professionelle Kompetenz zur Verfügung stellen, so gut sie es können. Ich denke, das Wichtigste ist, dass den Kindern und Jugendlichen damit Chancen mitgegeben werden.

Himmelklar: Im zweiten Teil, was Sie sich für das Forschen in Essen vorgenommen haben, geht es um Führung. Sie haben es "miteinander gehen" genannt und die Metaphorik der Hirten. Diese Verbindung von biblischer Theologie und Praxis: Wie kann es besser laufen? Geht es Ihnen dabei auch um die Strukturen innerhalb der katholischen Kirche?

Scherer: Ob das in irgendeinen strukturellen Diskurs hineinkommt, das kann ich im Moment nicht sagen. Ich möchte es auf jeden Fall anbieten und zur Verfügung stellen für Personen, die sich damit auseinandersetzen wollen. Im Sinne dieser Verfremdung, im Sinne dieses Spiegels, im Sinne dieses Herausdenkens aus dem eigenen Kreis, in dem ich sonst kreise. Vielleicht entstehen dadurch Anregungen.

Wobei ich auch ehrlich gesagt nicht nur an die kirchlichen Strukturen denke, sondern auch an viele Christinnen und Christen, die im Berufsleben eine Leitungsrolle innehaben, die auch versuchen, das aus ihrem christlichen Bewusstsein heraus zu tun, und die sich vielleicht da auch mal eine Anregung erhoffen.

Himmelklar: Nicht so theoretisch und theologisch wissenschaftlich, sondern praxisnäher ist, dass Sie vor Ihrer Lehre in Ihrem Leben auch Pastoralreferentin geworden sind. Wo könnten wir die Bibel oder das Neue Testament als Christen vielleicht sogar noch viel mehr umsetzen und in unser Leben reinlassen?

Scherer: Es gibt die Personen, die mit dieser Bibel total viel anfangen können, die in Texten unterwegs sind, die Texte interpretieren, die diese Literatur und diese Verfremdung lieben. Die besuchen dann da Kurse, die bilden sich da fort und lesen Zeitschriften – das ist alles ganz wunderbar. Aber ich glaube, es gibt auch Personen, denen das einfach nicht so liegt. Also, wenn Sie mich fragen würden, wie gerne ich Sport mache, dann würde ich da wahrscheinlich ungefähr so sein wie manche Leute, die ich fragen würde, wie gerne sie Bibel machen. Ich denke, da gibt es auch sehr unterschiedliche Zugangsweisen. In meiner pastoralen Tätigkeit durfte ich für die Christliche Arbeiterjugend (CAJ) im Bistum Würzburg arbeiten. Da hat mich ein Satz von dem Kardinal Joseph Cardijn verfolgt. Der sagte den Jugendlichen: Euer Leben ist das fünfte Evangelium.

Manchmal, glaube ich, passieren Dinge nicht auf der abstrakten, theoretischen, verbalisierten Ebene, sondern sie passieren im Erleben, in dem, für was Menschen sich entscheiden, was Menschen tun. Die können vielleicht dazu dann eine biblische Inspiration benennen. Aber das, was wirkt, ist das, was ins Leben umgesetzt ist.

Himmelklar: Wo sehen Sie die Kirche in zehn Jahren? Das kann auch eine Vision oder ein Wunschdenken sein. Aber so mitten in einer Umbruchzeit, einer Zeit des Wandels: Wo geht es hin?

Scherer: Ich sehe die Kirche bei den Laien und Laiinnen. Ich sehe die Kirche bei den Leuten, die keine besondere Rolle einnehmen, die mit dem Herz auf dem rechten Fleck und ihrer christlichen Lebensentscheidung an ihren jeweiligen Orten das Leben prägen. Ich glaube, das fällt mir im Vergleich mit der Schweiz auch auf: In Deutschland gibt es eine starke Verbandskultur. Die Jugendverbände, die KAB, die Frauen und auch Gruppen, die soziale Arbeit machen zum Beispiel, die tatsächlich in den übersichtlichen, auch demokratischen Strukturen unterwegs sind. Gerade die Jugendverbandsarbeit, da lernt ja jedes Kind, wie das ist mit den Wahlen und mit dem Übernehmen von Verantwortung, mit dem Rechenschaft geben. Und ich glaube, dass sich darin kirchliches Leben gut erfahren lassen wird, in dem Engagement der Laien und Laiinnen.

Was ich auch noch mehr wünschen würde, ist eine Kirche, die auf die Schulter klopft. Die nicht immer alles selber machen muss, immer selber die guten Ideen hat und nicht immer selbst alles auf die Beine stellen muss, sondern die auch vielleicht von amtlicher Seite einfach zu den Leuten hingeht, die es schon tun und ihnen auf die Schulter klopft und sagt: Ihr macht das gut! Eine Kirche, die unterstützend wirkt, die Menschen dazu bringt, ihre eigenen Wege zu gehen. Das kann ich mir gut vorstellen, dass das uns in den nächsten Jahren prägen könnte.

Was ich auch sehe, ist eine Kirche, die in den nächsten Jahren, glaube ich, in Sachen Liturgie einiges experimentieren darf und muss – und da auch eine große Vielfalt zulassen muss. Wie geht diese liturgische Sprache, die es Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen ermöglicht, sich dort zu Hause zu fühlen? Ich glaube, dass da eine Vielfalt eintreten wird, also vom strengen lateinischen Stundengebet bis zur Jugendkirche, zu Wort-Gottes-Feiern und bis zu Frauengottesdiensten. Da bin ich auch gespannt, wie sich kirchliches Leben einen Ausdruck sucht.

Himmelklar: Als Christinnen und Christen gehen wir die Wege vielleicht auch in Jesu Nachfolge. Ist es attraktiv, Jesus heute noch nachzufolgen – oder, würden Sie sagen, empfehlenswert?

Scherer: Das muss jeder und jede für sich selbst entscheiden. Damit entscheidet man sich für ein ziemliches Wert-Setting und geht auch ein sehr großes Risiko ein. Die Werte, die in dieser Nachfolge stehen, scheinen manchmal etwas kontraintuitiv. Demut ist ein ganz schwieriger Begriff, der auch in die falsche Richtung führen kann – also im Sinne von Unterwerfung und willenlosem Gehorsam –, aber dieses aufs Kleine schauen, aufs Niedrige schauen, auf die Dominanz verzichten, der Liebe Ausdruck verleihen, wertzuschätzen, das kann manchmal vor ganz schöne Herausforderungen stellen. Und das ist sicher auch was, worin man ganz wunderbar scheitern kann.

Ich glaube, dass in dieser Jesus-Nachfolge, in diesem Fallenlassen in die Größe Gottes, auch eine große Freiheit liegt. Ich glaube aber, dass es in manchen Bereichen vielleicht auch ein Stück weit plausibler wird angesichts der Fragen, vor denen wir gerade stehen: also Stichwort Nachhaltigkeit, Stichwort Klimakatastrophe. Fragen nach Solidarität und nach einer Quelle, aus der heraus man ein Leben gestaltet, das vielleicht auch mit Einschränkungen zu tun hat. Dass es da Anknüpfungspunkte geben könnte, das glaube ich auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite glaube ich, dass das nach wie vor auch inspirierend sein kann, sich mit so einem Weg auseinanderzusetzen.

Himmelklar: Sie haben die Klimakrise angesprochen. Angesichts auch anderer schrecklicher Dinge, die wir gerade in der Welt und auch in der Kirche erleben, Frau Professorin Scherer, was gibt Ihnen Hoffnung?

Scherer: Was mir Hoffnung gibt, ist der Gedanke, dass es ein "Trotzdem" gibt, dass es etwas gibt, was dem Tod – dem, was die Menschen kaputtmacht, dem, was Menschen schadet, dem, was Menschen vernichtet, trotzt. Dass da ein Vertrauen ist auf einen Gott, der größer ist als das, der das zu Ende führen kann, der das umfassen kann. Was ich immer beeindruckend finde, ist, wenn Menschen aus diesem "Trotzdem" heraus zu leben beginnen, wenn Menschen da Zeichen setzen. Ich denke an die Ukraine-Krise gerade, die einen sprachlos zurücklässt, die einem das Herz bluten lässt bei den Bildern, die man da sieht. Und dann denke ich an die Personen, die "Trotzdem" sagen und Hilfsprojekte initiieren und von jetzt auf nachher da etwas auf die Beine stellen, sich kümmern, Kraft investieren. Das ist, finde ich, etwas sehr Ermutigendes.

Das wäre meine Hoffnung, dass sich dieses "Trotzdem" am Ende der Tage durchsetzen wird. Wir haben jetzt gerade in der Vorlesung den Römerbrief besprochen – 8,31 bis 8,39: Paulus, der überzeugt ist, dass nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes. Sich darauf zu verlassen, den Anker weiter werfen zu können als das, was uns im irdischen Leben beschäftigt. Das kann eine Freiheit und Souveränität geben, die dann dazu führen kann, auch den Situationen im Hier und Jetzt zu trotzen, wie zum Beispiel Opfer von Missbrauch, die trotzdem ihren Glauben nicht ganz über Bord werfen. Das wäre für mich so ein "Trotzdem".

Das Interview führte Katharina Geiger.

Himmelklar: Der katholische Podcast

Kirche? Was hat die mir im 21. Jahrhundert überhaupt noch zu sagen? Viel. Schönes wie Schlechtes, Relevantes wie Banales, Lustiges und Wichtiges. Wir stellen euch jede Woche Menschen vor, die heute Kirche bewegen. Bischöfe, Politiker, Promis und Laien – Wir reden mit den Menschen aus Kirche und Gesellschaft, über die die katholische Welt spricht und fragen sie: Was bringt euch Hoffnung?

Himmelklar (DR)
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