Theologen trafen sich im Vorfeld des sechsten Weltsozialforums

Zweites Weltforum "Theologie und Befreiung"

Höhepunkt des Zweiten Weltforums Theologie und Befreiung, das am Wochenende in Nairobi zu Ende ging, war die fulminante Schlussrede von Erzbischof Desmond Tutu aus Südafrika. Tutu ist ein Prophet voller Humor. So klärte er die über 250 Theologen und Theologinnen aus allen Kontinenten zuerst auf: "Warum ich den Friedensnobelpreis bekommen habe? Wegen meines einfach auszusprechenden Namens."

 (DR)

Ernsthafter wurde er in seinen Äußerungen zur Situation der Kirche. In Zeiten der Rassentrennung sei es einfach gewesen, eine klare Position zu beziehen - entweder für oder gegen die Apartheid. Die heutige Identitätskrise der Kirche weltweit hänge damit zusammen, dass die Positionen nicht mehr so klar seien: "Die Kirche ist eine der Optionen auf dem Marktplatz." Dann lenkte Tutu die Aufmerksamkeit auf die Bibel: "Ein sicheres Rezept, um jemanden zu unterdrücken, ist, ihm die Bibel wegzunehmen." Ausgehend vom Propheten Jesaja verdeutlichte er die Verbindung von Religion und Politik: "Gott ist unverbesserlich einseitig zugunsten der Schwachen, der Hungrigen und der Sünder."

Damit griff der Anglikaner das Thema auf, mit dem sich das theologische Weltforum im Vorfeld des Weltsozialforums kontrovers beschäftigt hatte: "Spiritualität für eine andere mögliche Welt". Wie schon vor zwei Jahren im brasilianischen Porto Alegre ging es darum, die theologische Reflexion mit Projekten des Weltsozialforums zu verbinden. Gemeinsamer Nenner war die Ablehnung des weltweit vorherrschenden Neoliberalismus. Doch die Geister schieden sich bei der Frage, ob man im gegebenen System Veränderungen suchen solle, oder ob das System mit Organisationen wie Weltbank, Währungsfonds und Welthandelsorganisation als Ganzes abzulehnen sei.

Theologie in Afrika
Ein ganzer Tag war den Kirchen und der Theologie in Afrika gewidmet. Gottesdienste, die Gruppen und Chöre aus den Armenvierteln Nairobis gestalteten, machten die Lebendigkeit afrikanischer Religiosität augen- und ohrenfällig. Doch auch die Ambivalenz der animistischen Grundströmung in allen afrikanischen Religionen kam zur Sprache. Formen von Satanskult greifen immer weiter um sich.

Die Teilnehmer des Forums besuchten auch Waisenhäuser und Slums in Kenias Hauptstadt. Hier kamen sie mit jenen in Berührung, um die es eigentlich ging. Der Befreiungstheologe Jon Sobrino aus El Salvador kennt Armut und Elend in Lateinamerika. Doch die Not, der er in Nairobis größtem Slum Kibera begegnete, verschlug ihm zunächst den Atem. Auf engstem Raum zusammengepfercht leben mehr als 800.000 Menschen in unmenschlichen Bedingungen. "Ich verneige mich vor dem Leid, dem ich hier begegne", meinte Sobrino im Gespräch mit Schülern.

"Afrika ist nicht arm, sondern wurde von anderen arm gemacht"
Zum Abschluss des Treffens ging es um eine Öffnung hin auf den interreligiösen Dialog mit Beiträgen von Vertretern von Islam, Hinduismus und traditionellen afrikanischen Religionen. Für Michael Ramminger vom Institut für Theologie und Politik in Münster kam während der vier Tage die politische und soziale Dimension zu kurz. Immerhin rückte die Theologin Teresa Okure aus Nigeria die sozialen Nöte Afrikas ins Blickfeld: "Afrika ist nicht arm, sondern wurde von anderen arm gemacht."

Jon Sobrino bilanzierte trotz mancher Mängel das Treffen positiv:
"In diesem Forum war die wirkliche Welt der Opfer gegenwärtig.
Hier haben sich viele positive Kräfte vereint, um nach Veränderungen zu suchen." Vielleicht, so der Salvadorianer kritisch, hätte Gott als ein Gott der Armen und der Opfer noch mehr im Mittelpunkt stehen müssen. An die Adresse der Theologen gerichtet merkte er an: "Es genügt nicht, die Übel der Welt anzuprangern. Die Bekehrung muss bei den Theologen selbst anfangen."