Theologe von Stosch wirbt mit neuem Buch für Differenzierung

"Islam als positive Herausforderung für Christen"

Der 20. bundesweite Tag der offenen Moschee hat nach Veranstalterangaben zahlreiche Menschen in muslimische Gebetshäuser gezogen. Angesichts vieler Irritationen sei das sehr wichtig, so der katholische Theologe Klaus von Stosch.

Tag der offenen Moschee in Hamburg  / © Markus Scholz (dpa)
Tag der offenen Moschee in Hamburg / © Markus Scholz ( dpa )

"Der Islam hat derzeit keine gute Presse." Mit dieser Feststellung beginnt das neue Buch "Herausforderung Islam", das der katholische Theologe Klaus von Stosch jetzt als "Christliche Annäherungen" vorgelegt hat. Der Leiter des Zentrums für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften an der Universität Paderborn arbeitet seit Jahren zum Forschungsschwerpunkt "Jesus im Koran". In seinem neuen Buch befasst sich der Professor mit Stereotypen, denen sich Muslime und ihre Religion derzeit ausgesetzt sehen. Vor allem geht es ihm um eine christliche Würdigung des Islam, die gerade die Verschiedenheit beider Religionen als Wert entdecken möchte.

Systematisch behandelt der Autor zunächst Entstehung und Lesarten des Koran, Biografie und Bedeutung des Propheten Muhammad - von Stosch verwendet diese Schreibweise - sowie die Unvergleichlichkeit Allahs. Dabei hat der 45-Jährige den Anspruch, alle heißen Eisen in der gegenwärtigen Debatte über den Islam aufzugreifen: vom Kopftuch über das Rechtssystem Scharia bis hin zur Gewalt gegen Andersglaubende.

Antworten auf wichtige Fragen

Das Sachregister am Ende erleichtert ein schnelles Auffinden der entsprechenden Themen. Jeweils am Ende eines Kapitels fragt von Stosch "Der Koran - ein Wort Gottes auch für Christen?", "Muhammad - ein Prophet auch für Christen?" bis hin zu der entscheidenden Frage "Glauben wir an denselben Gott?". Der Theologe bietet Argumente für ein "Ja" - unter bestimmten Bedingungen.

Der Wissenschaftler analysiert einschlägige Koranverse und ordnet sie historisch und theologisch ein. Damit gelingt es ihm, einige kritische Themen wie die Stellung der Frau, Polygamie oder Muhammad als gewaltbereiter und judenfeindlicher Streiter geradezurücken. Richtig verstanden ist für von Stosch die Scharia ein System, das Glaubensfreiheit für jeden, Unverletzlichkeit der Menschenwürde sowie Wachstum und Wohlergehen künftiger Generationen propagiert. In diesem Sinne sollte auch Deutschland "mehr Scharia wagen", meint der Autor.

Ursprünge islamistischen Terrors liegen in Kolonialzeit

Prominent nimmt sich von Stosch vermeintliche Aufrufe im Koran zur Gewalt gegen Andersdenkende vor. "Letztere sind es ja auch, die heute im Kontext des Islams so viel Aufsehen erregen und durch den Terror des IS traurige Berühmtheit erlangt haben", schreibt der Theologe und entlarvt Fehlinterpretationen von einschlägigen Versen. Dies ist übrigens die einzige Stelle, in der die Terrormiliz "Islamischer Staat" vorkommt, und dann auch nur als Abkürzung. Weiter vermerkt der Autor, dass die Ursprünge islamistischen Terrors in der Kolonialzeit liegen. Diese sei auch mitverantwortlich, dass die reiche Ideengeschichte des Islam verschüttet wurde.

Muslimische Fundamentalisten zeichneten sich durch eine atemberaubende Ignoranz gegenüber der eigenen Religion und ihrem intellektuellen Fundus aus, so der Autor. "Die Neosalafisten hassen nichts so sehr wie die islamische Tradition." Damit könne sich auch der IS nicht auf den Islam berufen.

Burkaverbot kein Thema

Das überaus aktuelle Schlagwort "Burkaverbot" kommt bei von Stosch, der sich derzeit zu einem Forschungsaufenthalt in den USA aufhält, nicht vor - zu Recht, schließlich meint die oft unscharfe Debatte eher den Gesichtsschleier "Niqab" oder andere Formen der Ganzkörperverschleierung. Bei seiner Analyse kommt der Experte zu dem Schluss, dass sich diese aus dem Koran keinesfalls ableiten lässt. Aus dem Koranzitat, nach dem Frauen ihren Ausschnitt mit einem Tuch bedecken sollen, schöpft er - gewollt oder zufällig - das Bonmot: "Wie man aus diesem Vers eine Kopftuchpflicht ableiten soll, ist mir schleierhaft."

Man merkt den Ausführungen des Professors deutlich an, dass er seit Jahren nicht nur mit muslimischen Wissenschaftlern in Deutschland und dem Nahen Osten eng zusammenarbeitet, sondern auch mit ihnen die Freude an der eigenen, aber auch der je anderen Religion teilt. In diesem Sinne will das Buch zu einer Begegnung mit dem Islam einladen, "die nicht nur Verstehen, sondern Liebe will", schreibt von Stosch. Seine differenzierenden Ausführungen bieten nicht nur zum "Tag der offenen Moschee" wertvolle Denkanstöße.

Sabine Kleyboldt


Theologe Klaus von Stosch / © Harald Oppitz (KNA)
Theologe Klaus von Stosch / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA