Theologe Metz fordert mehr Nähe der Kirche zu den Menschen

Schmerzlicher Riss zwischen Glaubens- und Lebenswelt

Die Kirche muss sich nach Ansicht des katholischen Theologen Johann Baptist Metz stärker am Leben und an den Nöten der Menschen orientieren. Bis heute gebe es einen schmerzlichen Riss zwischen Glaubens- und Lebenswelt, sagte Metz am Samstag in Ahaus bei Münster. Es müsse auch darum gehen, die Sprache der Glaubenswelt in die Sprache der menschlichen Erfahrung zu überführen.

Streitbar auch im Alter: Johann Baptist Metz (KNA)
Streitbar auch im Alter: Johann Baptist Metz / ( KNA )

Der emeritierte Münsteraner Fundamentaltheologe äußerte sich bei einer Festveranstaltung im Nachgang seines 80. Geburtstages Anfang August.

Die Kirche müsse sensibler werden für den Schrei der unschuldigen Opfer der Geschichte nach Gerechtigkeit, betonte Metz. Bis heute habe die christliche Rede von Gott Defizite beim Thema Gerechtigkeit, «bei der Frage nach der Gerechtigkeit für die unschuldig Leidenden». Diese Frage sei rasch umformuliert worden in die Frage nach der Erlösung für die Schuldigen, die Täter. Mit ihnen tue sich die Kirche leichter als mit unschuldigen Opfern. Dieses Dilemma rühre an das Rechts- und Verfassungsverständnis der Kirche.
Es fehle an theologischer Zivilcourage, den Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Recht zu hinterfragen. In diesem Sinne habe er mit seiner «neuen politischen Theologie» immer gestritten und die Perspektive der Leidenden eingefordert. Christlicher Glaube sei ein gerechtigkeitssuchender Glaube, «geprägt von einer Mystik der offenen Augen» und der Mitleidenschaft.

Der Theologe bewertete es als Einfluss des griechischen Denkens auf das frühe Christentum, die Sensibilität für das Leiden und die Klage der Opfer betäubt und verdrängt zu haben. Kirche müsse sich aber der schrecklichen Erfahrung von Auschwitz ebenso immer wieder stellen wie der Opfer «in den gegenwärtigen Stürmen der Globalisierung, im Meer von unschuldigem Leid».

Bei der Feier mahnte auch der brasilianische Befreiungstheologe Paulo Suess eine stärkere Sensibilität der Kirche für Leid, Armut und Ausbeutung von Menschen an. Kritiker der neuen politischen Theologie und der Befreiungstheologie stünden für ein System von Ängsten und Anpassung an bestehende Machtverhältnisse, so der in Köln geborene Theologe, der seit den 60er Jahren in Brasilien lebt.

Suess verwies auf Kirchenvertreter, die in den vergangenen Jahrzehnten in Lateinamerika als Märtyrer zu Tode gekommen seien. Er kritisierte, dass das Seligsprechungsverfahren für den ermordeten salvadorianischen Erzbischof Oscar Romero nun erneut hintertrieben werde. Dabei stehe Romero für eine samaritanische Kirche, die sich der Opfer und der unschuldig Verfolgten angenommen habe. Suess bekräftigte auch die «Option für die Armen» der Theologie der Befreiung. Im Sinne Jesu sei sie eigentlich keine Option, sondern ein Imperativ.

Im Rahmen der Feier stellten Schüler von Metz eine Festschrift «Über den Trost. Für Johann Baptist Metz» vor. 1974 hatte Metz in einem kleinen Aufsatz eine Abhandlung über den Trost formuliert und sich dabei eine umfassendere Erörterung des Themas gewünscht. Er selbst legte ein solches Buch nicht mehr vor. Zu den Autoren zählen neben Theologen und Philosophen auch der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, sowie die Bundestags-Vizepräsidenten Katrin Göring-Eckhardt (Grüne) und Wolfgang Thierse (SPD).

Der gebürtige Oberpfälzer Metz, ein Schüler des Theologen Karl Rahners, gehört zu den wichtigsten katholischen Theologen der Jahrzehnte nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1265). Er prägte mit seiner «neuen politischen Theologie» viele Theologen aus Lateinamerika und Asien. Mit seinem Namen ist das Ringen um eine «Theologie nach Auschwitz» verbunden.