Theologe hält Düfte für Gottesdienst-Lockmittel

Wenn es in der Kirche nach Ostern riecht

Wie riechen Kirchen? Meist nach alten Gemäuern, vielleicht nach Weihrauch. Der Theologe Björn Hirsch vom Zentrum für Angewandte Pastoralforschung in Bochum glaubt, Kirchen stünden noch andere Gerüche gut und bietet Duftkreationen an.

Ein Pfarrer hält ein Weihrauchfass und verbeugt sich zusammen mit einem Messdiener vor dem Altar / © Sebastian Widmann (KNA)
Ein Pfarrer hält ein Weihrauchfass und verbeugt sich zusammen mit einem Messdiener vor dem Altar / © Sebastian Widmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie riechen Kirchen üblicherweise? Nach Weihrauch oder Kerzenwachs? 

Björn Hirsch (privat)

Dr. Björn Hirsch (Innovationsberater, Autor und Theologe am Zentrum für Angewandte Pastoralforschung an der Universität in Bochum): Genau. Oft ist es der etwas abgestandene Duft von Kerzenqualm und Weihrauch. Auch die feuchten Wände verströmen einen Duft, etwas miefig, modrig, wie in Omas altem Keller.

DOMRADIO.DE: Gerade eine heilige Messe hat sehr viel mit Inszenierung zu tun. Der Altarraum als Bühne, Weihrauch an Festtagen, die Liste ist lang. Was sagen Sie als Theologe, ist das nicht ausreichend attraktiv?

Hirsch: Es kommt sehr auf die Zielgruppe an. Natürlich gibt es noch eine Zielgruppe, die das als sehr attraktiv empfindet. Aber wir als Kirche haben natürlich auch den Anspruch, Menschen zu erreichen, die nicht mehr allzu oft in einen Gottesdienst kommen oder wenig mit Kirche zu tun haben.

Björn Hirsch

"So sind wir darauf gekommen, neben dem klassischen Weihrauch, den wir keinesfalls verdrängen wollen, noch alternative oder ergänzende Formen von Kirchenraumbeduftung zu kreieren und anzubieten."

Für diese Menschen braucht es meiner Ansicht nach neue Inszenierungsformen, auch im Bereich des Duftes. So sind wir darauf gekommen, neben dem klassischen Weihrauch, den wir keinesfalls verdrängen wollen, noch alternative oder ergänzende Formen von Kirchenraumbeduftung zu kreieren und anzubieten.

DOMRADIO.DE: Wie geben Sie Ihre Düfte in den Kirchenraum? Mit einem Diffusor?

Hirsch: Genau, mit einer Maschine, die diesen Duft kalt mithilfe von Ultraschall verströmt. Es ist also keine Verrauchung, kein Anzünden von etwas wie beim klassischen Weihrauch. Auch hier gibt es eine klare Trendverschiebung, wenn wir zum Beispiel auf das Rauchen schauen. Früher wurden Zigaretten verbrannt und heute ist es eher so, dass der Rauch verströmt wird.

DOMRADIO.DE: Wonach riecht zum Beispiel ihr Weihnachtsduft? Hat er eine Zimtnote oder wäre das zu viel Klischee?

Björn Hirsch

"Das wäre zu viel Klischee, in der Tat. Wir haben gesagt, die Düfte sollen nicht banal sein".

Hirsch: Das wäre in der Tat zu viel Klischee. Die Düfte sollen nicht banal sein, dass Weihnachten zum Beispiel nach Glühweingewürz oder Orange riecht. Wir haben viel mehr geschaut, wofür dieses Fest im christlichen Sinne steht? Dieses Fest steht auch für das Gefühl von Geborgenheit, wenn man an das kleine Kind in der Krippe denkt, das sich trotz der Fluchtsituation bei seinen Eltern geborgen fühlt.

Deswegen ist der Duft, den man am schnellsten in der Basisnote wahrnimmt, Vanillin. Vanillin ist quasi auch der Lockstoff, den der Säugling braucht, um zur Brust der Mutter zu finden. Deswegen verbinden wir ganz automatisch als Menschen ein Gefühl von Geborgenheit, von Mutterschutz. 

Aerothek verschiedener Düfte / © Debbis Ulrich (privat)
Aerothek verschiedener Düfte / © Debbis Ulrich ( privat )

Daher haben wir diesen Duft dort ganz nach vorne gestellt. Aber es wird nicht bei dieser Geborgenheitssituation bleiben, sondern Jesus wird irgendwann den Weg ans Kreuz gehen. Deswegen ist in der Basisnote auch Myrrhe mit verarbeitet.

DOMRADIO.DE: Erklären Sie mal, wie Ostern riecht?

Hirsch: Ostern ist ein Duft, der den Aufbruch symbolisieren soll. Vom Winter in den Frühling, aber auch im theologischen Sinn vom Tod in die Auferstehung. Es hat ganz viele Düfte wie Blattgrün, Magnolie und verschiedene Blumenarten in sich. Ein sehr blumiges Bouquet.

DOMRADIO.DE: Sie bieten neben dem dritten Duft "Pfingsten" auch den Duft "Alltag" für die Sonntagsmesse an. Was ist das?

Hirsch: Das ist eine Zusammenstellung aller drei Düfte. Die Überlegung dahinter ist, dass wir im Prinzip jeden Tag in unserem Leben ein Stück weit Ostern, Weihnachten, Pfingsten haben. Das heißt, es gibt Zeiten, wo wir uns geborgen fühlen. Es gibt Zeiten der Herausforderung, Zeiten, wo wir Herausforderungen überwinden. Es gibt Zeiten des Aufbruchs und des Abbruchs. Deswegen ist dieser Alltagsduft eine Zusammenstellung aller vier Düfte.

DOMRADIO.DE: Ruft Sie der Pfarrer an und dann kommen Sie?

Hirsch: So einfach ist das leider nicht. Es gibt die Möglichkeit, unsere Düfte über ein Internetportal www.zap-aerothek.de zu bestellen. Dort gibt es Duftprobepakete, wenn man reinschnuppern möchte. Das sind kleine Zerstäuber, zehn Milliliter-Fläschchen und diese klassischen Teststreifen, die man aus Parfümerien kennt.

Dann kann man testen, wie das riecht. Wenn man sagt, dass man das gerne in den Gottesdiensten häufiger hätte, dann kann man diesen Diffusor und das Duftpaket mit allen vier Düften von jeweils 100 Millilitern bestellen. Damit kann man gut arbeiten.

DOMRADIO.DE: Wenn jemand sagt, mit Weihrauch habe man einen traditionsreichen Duft in der Kirche und alles andere sei Spielerei und Quatsch, was entgegnen Sie?

Hirsch: Denen sage ich, dass Kirche nicht nur für uns ist, sondern dass Kirche vor allem für die Menschen von heute ist. Es gibt zu viele Menschen, die mit klassischem Weihrauch nichts mehr anfangen können. Riechen ist etwas, was antrainiert wird. 

Björn Hirsch

"Deswegen ist es wichtig, auf die sich verändernden Gewohnheiten von heute einzugehen und entsprechende Düfte anzubieten."

Wenn jemand noch nie Weihrauch gerochen hat oder selten in der Kirche war, verbindet er wahrscheinlich erst mal nichts Positives damit. Deswegen ist es wichtig, auf die sich verändernden Gewohnheiten von heute einzugehen und entsprechende Düfte anzubieten.

Das Interview führte Tobias Fricke. 

Katho­lisch-Theo­lo­gi­sche Fa­kul­tät der Ruhr-Universität Bochum

Im Herzen des Ruhrgebiets befin­det sich die Katho­lisch-Theo­lo­gi­sche Fa­kul­tät der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Im Dia­log zwischen Religiöser Vielfalt, urbaner Säkularität und traditionellem Katholizismus bie­tet die Fa­kul­tät ei­nen Ort für her­vor­ra­gen­de Theo­lo­gie. Wer den Glau­ben wirk­lich auf den Prüf­stand stel­len will, der ist in Bo­chum an der bes­ten Ad­resse. Hier ist der Ort, an dem sich 'Glauben', 'Den­ken' und 'Heute' wech­sel­sei­tig er­schlie­ßen. (Ruhr-Universität Bochum)

Ruhr Universität Bochum (RUB)
Ruhr Universität Bochum / ( RUB )
Quelle:
DR