Theologe fordert Auseinandersetzung mit Tech-Milliardär Peter Thiel

"Seine Ziele theologisch ernst nehmen"

Der Innsbrucker Pastoraltheologe Wolfgang Palaver hat in Wien über "Peter Thiel und der Antichrist" referiert. Der Tech-Milliardär sei ernst zu nehmen und auf Europas Theologen kämen neue Herausforderungen zu, betonte er dabei.

Peter Thiel / © Carolyn Kaster/AP (dpa)
Peter Thiel / © Carolyn Kaster/AP ( dpa )

Mit einem schillernden Namen und einem nicht minder schillernden Titel lockte vergangene Woche die Wiener Katholisch-Theologische Fakultät zu einem Vortrag: Es sollte um den US-Tech-Milliardär Peter Thiel und dessen theologische Avancen gehen.

Die zeigen sich in Begriffen wie dem "Antichristen" und dem "Katechon" ("Aufhalter").

Referent ist der Innsbrucker Theologe und Sozialethiker Wolfgang Palaver; aufgrund seiner fast 30 Jahre währenden persönlichen Beziehung zu Thiel ist er derzeit sehr gefragt. Ein komplett gefüllter Franz-König-Hörsaal in der Wiener Hauptuni und eine rege anschließende Diskussion zeigten, dass die Frage zieht, warum ein Tech-Milliardär und -Investor ausgerechnet auf eine theologische, noch dazu abseitige Terminologie zurückgreift.

"Heterodoxer evangelikaler Christ"

In einem an biografischen Eckdaten und Äußerungen Thiels orientierten Vortrag, der auch Raum für Anekdotisches zu Begegnungen der beiden ließ, zeichnete Palaver das Bild eines durchaus ernsthaft an der intellektuellen Debatte interessierten Mannes und "heterodoxen evangelikalen Christen". 

Allerdings blieben, so Palaver, dem zugleich durch seinen libertären Hintergrund und seinen Bezug auf die libertäre Vordenkerin Ayn Rand geprägten Thiel zentrale Inhalte des Christentums unzugänglich: etwa die Soziallehre, die Caritas, die Mystik. Selbst die Christologie spielt bei Thiels selektiver Nutzung theologischer Begriffe keine Rolle.

Zugleich zeige aber die Irritation, die Thiel unter Theologinnen und Theologen auslöst, dass es höchste Zeit sei, sich wieder mit teils jahrzehntelang nicht oder nur stiefmütterlich gelehrten Inhalten wie der Apokalyptik oder eben der Figur des "Antichristen" zu befassen, so Palaver.

Den "Antichristen" sieht Thiel laut Palaver überall dort am Werk, wo sich transnationale Regime zu bilden beginnen, um – unter dem Vorwand von Frieden und Sicherheit - Unfreiheit zu bringen. Die UN als Vorbotin eines Weltstaates sei für Thiel so eine Kraft. Ebenso als "Vorboten des Antichristen" gelten Thiel Menschen wie Greta Thunberg, der Transhumanist Nick Bostrom oder der KI-Forscher (und -Kritiker) Eliezer Yudkowsky.

Als Gegenprogramm gegen die sich mit diesen Personen und Zielen verbindende apokalyptische Zukunft setzte Thiel auf den "Katechon" - den "Aufhalter", wie er im Zweiten Thessalonicherbrief (2,3-6) benannt wird. Dort ermahnt Paulus die Christen in Thessaloniki, sich durch Gerede über eine bereits erfolgte Wiederkunft Christi nicht irritieren zu lassen. Zuerst fielen die Menschen von Gott ab, dann käme "der Widersacher" (Antichrist), der "sich als Gott ausgibt". Und weiter: "Ihr wisst jetzt auch, was ihn zurückhält, damit er erst zu seiner Zeit offenbar wird."

Als "Aufhalter", so Palaver, erachte Thiel etwa Donald Trump oder den US-Vize James David Vance. Anders gesagt: Mit seinen theologischen Versatzstücken versuche Thiel, "sein libertäres Programm zu stützen" und seinen Einfluss auf die US-Politik auszubauen. Dies theologisch nicht ernst zu nehmen, sei verfehlt, warnte Palaver.

Auch wenn Thiel – was dem Wesen des politischen Ideologen entspricht – kein konsistentes Lehrgebäude verfolgt und widersprüchlich bleibt, so lohne sich der Austausch, weil sich durch theologische Kritik vielleicht manche Einseitigkeit bei Thiel korrigieren lasse, wie Palaver im Blick auf seinen langen diskursiven Austausch ausführte.

Dazu zähle auch die selektive und kritikwürdige Lesart des französischen Kulturanthropologen René Girard durch Thiel, dessen "Mimetische Theorie" Palaver über Jahrzehnte erforscht und theologisch ausgeleuchtet hat.

Kritik an Palaver

Zuletzt hatten Berichte über ein angeblich "geheimes" Seminar mit Peter Thiel an der Universität Innsbruck für Aufsehen und interne Kritik unter anderem an der Person Palavers gesorgt. Das Wiener Magazin "Falter" hatte über das Seminar bereits am 24. September berichtet. Auch der "KNA-Hintergrund" (Nr. 40/2025) berichtete darüber.

Palaver verteidigte das Innsbrucker Seminar. Thiel selbst sei an ihn herangetreten und habe sein Interesse an einem solchen Austausch bekundet. "Und als Wissenschaftler sage ich natürlich nicht nein zu so einem Austausch", so der Theologe.

Zudem gebe es seitens des Innsbrucker Forschungsprojekts "Dramatische Theologie" ein "Leiden" daran, dass Girards Theorien plötzlich mit der Politik von Trump und Vance in Verbindung gebracht würden. "Da müssen wir Widerstand leisten – und außerdem als Theologinnen und Theologen in die Diskussion über Apokalyptik einsteigen. Denn wenn wir das nicht machen, wird diese Theologie von den Tech-Bros gemacht. Und wer kann das wollen?"

Quelle:
KNA