Telefonseelsorger fühlen sich als "Familie"

"Ehrenamtliche sind ein Segen"

Telefonseelsorger aus über 30 Ländern tauschen sich in diesen Tagen in Aachen über Erfahrungen und Herausforderungen ihrer Arbeit aus. Dr. Stefan Schumacher, der Präsident des Dachverbands der Telefonseelsorge, über das Besondere dieser Aufgabe.

Deutsche Telefonseelsorge wird 60 Jahre alt / © Uli Deck (dpa)
Deutsche Telefonseelsorge wird 60 Jahre alt / © Uli Deck ( dpa )

domradio.de: Mal ganz kurz und knapp gesagt: Was soll, was kann die Telefonseelsorge leisten?

Dr. Stefan Schumacher (Präsident des Internationalen Dachverbands der Telefonseelsorge IFOTES): Sie leistet vor allem emotionale Entlastung bei Menschen, die in großen Schwierigkeiten sind, leidvolle Erfahrungen gemacht haben, die seelisch unter Druck sind oder eben auch Suizidgedanken mit sich herumtragen, meistens aufgrund einer Reihe von unterschiedlich schweren Problemen.

domradio.de: Ist denn das Telefon in Zeiten von Internet und Social Media noch relevant für die Seelsorge?

Schumacher: Wir merken, dass das Telefon weiterhin hochfrequentiert ist. Gleichzeitig suchen aber auch viele Menschen mittlerweile über das Internet Hilfe. Deswegen machen wir seit inzwischen 20 Jahren auch eine Mailberatung. Seit einigen Jahren bieten wir auch den Einzelchat an.

domradio.de: Wer sich so intensiv die oft existenziellen Probleme anderer anhört, bleibt davon natürlich nicht unberührt. Was also braucht ein Telefonseelsorger, um auch krasse Situationen aushalten zu können?

Schumacher: Vor allem eine gute Ausbildung. Da lernt man, überhaupt erst einmal festzustellen, ob das das Richtige für einen ist, ob man eine natürliche Fähigkeit hat, Nähe und Distanz zu unterscheiden. Und ob man über eine ausreichende psychische Stabilität verfügt. Gleichzeitig lernt man die Werkzeuge der Gesprächsführung, die helfen, einerseits in nahen Kontakt mit Menschen zu gehen, gleichzeitig aber auch sich selber aus dem Leid ein Stück weit herauszuhalten.

domradio.de: Die meisten Mitarbeiter an Krisentelefonen sind Ehrenamtliche. Was hat das für praktische Folgen für die Arbeit?

Schumacher: Das ist für uns wirklich ein Segen! Es gibt Untersuchungen, die besagen, dass genau bei solchen Hilfsdiensten, die emotionale Stärke erfordern, Ehrenamtliche sogar besser geeignet sind als Vollprofessionelle. Weil sie einfach aus einer zwischenmenschlichen Herzlichkeit heraus und nicht so sehr in ihrer beruflichen Rolle Hilfe anbieten. Der Kontakt findet mehr auf Augenhöhe statt. Aber er muss gut von Hauptamtlichen begleitet werden. Neben der Ausbildung braucht es Supervision und ein gutes soziales Netzwerk zwischen den Ehrenamtlichen. Dafür muss gesorgt sein.

domradio.de: Jetzt also der Weltkongress - warum ist ein internationaler Austausch so wichtig?

Schumacher: Er macht uns stark. Es ist ein Ehrenamtlichen-Kongress. Die Freiwilligen aus 33 Ländern treffen sich, das stärkt enorm die soziale Zugehörigkeit und dieses besondere Familien-Gefühl. Es gibt einen Austausch über Probleme und Entwicklungen. Meistens gibt es einzelne Teilnehmer, die etwas neues entdeckt haben, die einen neuen Weg eingeschlagen haben. Der Austausch ermöglicht die Verbesserung der eigenen Arbeit.

domradio.de: Welche Rolle spielen denn die Kirchen für die Telefonseelsorge?

Schumacher: In Deutschland und Österreich spielen sie eine wichtige Rolle, weil dort die Kirchen im überwiegenden Teil Träger sind. Das ist auch ein Modellprojekt für eine gelungene Ökumene schon seit den 60 Jahren. Wir verdanken den kirchlichen Trägern die gute Ausstattung, die wir hier vorfinden. In jeder Seelsorgestätte ist ausreichend hauptamtliches Personal vorhanden, um die gute Qualifikation und Begleitung der Ehrenamtlichen sicherzustellen. Da haben es Einrichtungen in anderen Länder schwerer. Wir sind dankbar dafür, dass wir eine so hochwertige Arbeit anbieten können.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR