Was ich nicht sehe, ist nicht da. Ja, möglicherweise hat das das Niveau von Zweijährigen, die sich die Augen zuhalten. Und denken, niemand sehe sie, weil sie schließlich auch niemanden sehen.
Ich will keinen Herbst. Ich will den Sommer und die Sonne behalten. Jedes Jahr. Dieses Jahr hat meine Strategie aufs Vortrefflichste funktioniert.
Anfang September, als sich der erste Hokkaido Kürbis in die Biokiste vordrängelte und sogleich in den hintersten Winkel des Gemüsefachs verbannt wurde, ging am nächsten Morgen strahlend schön die Niederrheinsonne auf.
So hielt ich es den ganzen September. Statt Hokkaido kam auch schon mal ein Butternusskürbis an. Von Butternuss habe ich keine Ahnung. Ich weiß, ich könnte mir eines von einer Million Videos bei youtube anschauen. Motto: Jetzt kommt der Herbst. Begrüßen Sie ihn mit gebratenem Butternusskürbis und frischem Salbei.
Aber ich will den Herbst doch gar nicht. Warum also sollte ich ihn begrüßen??
Nein, der Butternusskürbis nimmt seinen Weg direkt zum Hokkaido. Und, wissen Sie was? Am nächsten Tag ging nicht nur strahlend schön die Niederrheinsonne auf. Nein. Sie brannte auch geradezu vom Himmel. Der Wetterdienst für den Niederrhein verzeichnet für den September 33,8 Grad als Höchsttemperatur. Kurzum, der September war randvoll mit Sonne.
Und mein Gemüsefach randvoll mit Kürbissen. Jetzt ist Mitte Oktober. Schon wieder eine neue Kiste. Schon wieder ein neuer Kürbis. Schon will ich ihn zu seinen Brüdern packen - da piept die Kühlschranktür aufgeregt. Sie geht nicht mehr zu.
Schweren Herzens werde ich mir untreu. Gestern Abend gab es Kürbissuppe. Alle fanden sie total lecker. Ich konnte dennoch schlecht schlafen. Was wenn die Sonne jetzt beleidigt ist? Von wegen - da die Suppe schon nach Sonne schmecke, könne sie auch gleich ganz wegbleiben.
Erleichterung: Heute Morgen scheint die Sonne hell und leuchtend auf die Bäume vor meinem Fenster.
Ich will den Herbst immer noch nicht. Aber vielleicht gibt es heute gebratenen Butternusskürbis. Mit frischem Salbei.