Tag des offenen Denkmals wird in Deutschland immer beliebter

Wasserwerk und Michael Jackson Memorial

Jedes Jahr am zweiten Septembersonntag erleben Deutschlands Denkmäler einen Ansturm. Vier Millionen Besucher werden regelmäßig gezählt. Sie blicken hinter Türen, die sich sonst nicht so leicht öffnen.

Autor/in:
Bernd Buchner und Anna Mertens
Das Fagus-Werk in Alfeld (Niedersachsen)  / ©  Swen Pförtner (dpa)
Das Fagus-Werk in Alfeld (Niedersachsen) / © Swen Pförtner ( dpa )

Geschichte lockt: Der Tag des offenen Denkmals zieht jedes Jahr viele Deutsche in seinen Bann. Immer am zweiten Septembersonntag blicken sie Restauratoren über die Schulter, besichtigen sonst nicht zugängliche historische Bauten, erkunden archäologische Ausgrabungsstätten, bestaunen weltliche und sakrale Stätten oder durchstreifen Gärten und Parks. Seit der Premiere 1993 nehmen die Besucherzahlen zu. Im vorigen Jahr waren es rund vier Millionen - Tendenz steigend.

Beim bevorstehenden Denkmaltag am 11. September wird zudem ein neuer Rekord erzielt: Rund 8.000 kulturelle Orte sind zwischen Freiburg und Wismar, Bad Bentheim und Passau zu sehen, so viele wie nie zuvor. "Die Popularität des Tages nimmt immer mehr zu", freut sich Wolfgang Illert, im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

90 Prozent der Denkmäler in privater Hand

Er ist Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die die Veranstaltungsreihe koordiniert. Schauplatz der bundesweiten Eröffnung ist dieses Mal Augsburg. Allein in der Fuggerstadt gibt es rund 60 historische Orte zu besichtigen, viele Rundgänge und Sonderführungen werden geboten, zudem ein buntes Kulturprogramm für Groß und Klein.

Das diesjährige Motto "Gemeinsam Denkmale erhalten" deutet darauf hin, dass Denkmalpflege nicht nur Sache von Staat und Behörden ist, sondern auch des bürgerschaftlichen Engagements. "Immer mehr Eigentümer öffnen sich", berichtet Illert. Mehr als 90 Prozent der Denkmale seien in privater Hand, nicht zuletzt in der der Kirchen. "Die meisten stemmen den Erhalt mit ihren eigenen Mitteln", lobt der Stiftungschef. Wo es nicht reicht, hilft die 1985 gegründete private Stiftung mit Finanzmitteln.

Zwischen Residenz und Michael Jackson Memorial

Der Tag des offenen Denkmals ist zu einer der bedeutendsten Kulturveranstaltung in Deutschland geworden. Mancherorts, etwa in Berlin, Hamburg und Hessen, finden die Veranstaltungen am ganzen Wochenende statt. Einmal im Jahr sollen historische Gebäude und Orte öffnen, die sonst nicht zugänglich sind - in Augsburg etwa die frühere fürstbischöfliche Residenz, heute Sitz der Bezirksregierung. Der prächtige Bau ist ein Ort der Reformation: Hier wurde 1530 die Confessio Augustana verlesen, das Grundbekenntnis der Lutheraner. Von dem betreffenden Saal hat allerdings die Barockisierung nichts übrig gelassen.

Aber auch erbaute Denkmäler wie etwa das Denkmal zum 17. Juni 1953 in Berlin-Mitte oder das Orlando di Lasso Denkmal und Michael Jackson Memorial in München sind Teil des Programms. Besonders gut kommen bei den Besuchern neben "Klassikern" wie Schlössern oder Kathedralen jene Orte an, die nicht dem üblichen Denkmalklischee entsprechen, etwa Industrieanlagen und technische Einrichtungen.

Politischer Weg oft schwierig

Dabei ist Denkmalkultur in Deutschland ein durchaus strittiges Thema. Wie die Debatte um das geplante nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal zeigt, ist der politische Weg oft holprig. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) beklagte jüngst, dass die Bundesrepublik offensichtlich Schwierigkeiten habe, historischen Ereignissen ein Denkmal zu setzen. Vor allem vermisse sie das Erinnern an positive Ereignisse wie die Einheitsgeschichte.

Der Historiker Christopher Clarke nennt den deutschen Sonderweg der Denkmalkultur "einmalig". Es sei ein sehr tiefer und sehr faszinierender Zug der deutschen Gesellschaft, dass sie sich so intensiv mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetze. Den Denkmaltag gibt es nicht nur hierzulande, sondern in ganz Europa. Initiator war 1984 Jacques Lang, damals französischer Kulturminister. Heute sind an den "European Heritage Days" 50 Staaten beteiligt.

Schwerpunkt auf Reformation

Im nächsten Jahr feiert die Erfolgsgeschichte Denkmaltag die 25. Auflage. Zugleich steht das 500. Gedenken an die Reformation bevor - wird es am zweiten Septembersonntag einen Brückenschlag zum großen evangelischen Gedenken geben? Illert will Motto und Eröffnungsort für 2017 erst am Sonntag in Augsburg verkünden, verspricht aber, dass die Erinnerung an Luthers Thesenanschlag auch beim Tag des offenen Denkmals eine gewisse Rolle spielen wird.


Quelle:
KNA