In Südtirol betreut ein Hüttenwirt als Mesner eine Bergkirche

Zur Wallfahrt hoch hinaus

Mit den Superlativen ist das so eine Sache. "Höchstgelegene Wallfahrtskirche Europas", steht auf den Postkarten. So ganz stimmt das wohl nicht. "Zumindest irgendwo in der Schweiz gibt es ein Kirchlein, das höher gelegen sein muss", sagt Hüttenwirt Hansjörg Lunger. "Aber wir hier haben eben eine lebendige Wallfahrtstradition."

Autor/in:
Christoph Strack
Wallfahrtskirche Latzfonser Kreuz: Höchstgelegene Wallfahrtsort Tirols (DR)
Wallfahrtskirche Latzfonser Kreuz: Höchstgelegene Wallfahrtsort Tirols / ( DR )

In einem Büchlein heißt es bescheidener, die kleine Kirche sei der höchstgelegene Wallfahrtsort Tirols und einer der höchsten Europas. Lunger sitzt vor der Berghütte Latzfonser Kreuz. Seit gut zehn Jahren ist er Hüttenwart auf 2.305 Meter. Und ebenso lange ist der 45-Jährige "Mesner", wie das süddeutsche Wort für Küster lautet, an der wenige Meter niedriger gelegenen Wallfahrtskirche Latzfonser Kreuz. "Dass man den Mesner machen kann, ist Voraussetzung für das Amt des Hüttenwarts", erläutert er. So ist der kernige Mann, in den 1990er Jahren einer der erfolgreichsten Mountainbiker seines Landes, heute nicht nur Mitglied der italienischen Nationalmannschaft der Skibergsteiger, sondern auch ehrenamtlicher Kirchendiener.

Das neugotische Gotteshaus ist älter als die Hütte, ja älter als der alpine Tourismus. Mitte des 18. Jahrhunderts errichteten Bergbauern an dieser Stelle ein erstes Kirchlein, nachdem dort Pilger bereits Jahrzehnte lang ein sagenumwobenes Kruzifix, den "schwarzen Herrgott", unter freiem Himmel verehrt hatten. Der heutige Kirchenbau samt kleinem Glockenturm entstand in den Jahren vor 1870.

Die Kirche sei für ihn und seine Familie ein wichtiger Teil des Alltags, erzählt der Hüttenwirt. Und so achten Hansjörg Lunger, seine Frau Margaret und die Töchter stets darauf, dass in dem Gotteshaus Kerzen brennen und frische Blumen am Altar stehen. Sie putzen die Kirche und bereiten zur Messfeier den Altar vor.

Post aus dem Vatikan
Das würdigte im vorigen Oktober auch Papst Benedikt XVI. Das Kirchenoberhaupt verbrachte im nahen Brixen seinen Sommerurlaub. Zum Abstecher aufs Latzfonser Kreuz reichte es nicht. Margarete Lunger erzählt aber amüsiert, wie während des 15-tägigen Urlaubs immer wieder das Gerücht eines päpstlichen Besuchs umging - und zahlreiche Wanderer deshalb eigens zur Hütte hinaufstiegen und dort bei Bier und Kaiserschmarrn warteten. Vergebens.

Doch wenige Monate später kam Post aus dem Vatikan. Zum zehnjährigen Jubiläum des Hüttenwarts dankte ihm der Papst, den durch eine seiner Übersetzerinnen das Büchlein über das Latzfonser Kreuz und eine Schilderung der gepflegten Kirche erreicht hatte. "Der Heilige Vater dankt Ihnen für die sorgsame Betreuung des Wallfahrtskirchleins, das, wie ihm berichtet wurde, stets würdig gehalten und mit frischem Blumenschmuck versehen ist", heißt es da. Nun hängt das Schreiben mit dem vatikanischen Briefkopf samt Papstfoto und handschriftlichem Segenswunsch würdig gerahmt im Eingang zur Hütte.

Nicht "irgendeine Kapelle"
Der Hüttenwirt ist überzeugt: Das Latzfonser Kreuz ist nicht "irgendeine Kapelle". Sonntag für Sonntag feiert ein Priester hier oben die Messe. Bei schönem Wetter seien in der Heilig-Kreuz-Kirche an der Hütte oft mehr Gläubige als unten im Dorf, erzählt Lunger schmunzelnd. Dabei müssen auch die Älteren stundenlang aus dem Tal hinaufwandern; manch einer von ihnen kommt jeden Sonntag und pilgert an Kreuzwegstationen entlang. Zur Festmesse Mariä Himmelfahrt Mitte August mühte sich selbst die Blasmusik zu Fuß hinauf: 60 Mann samt Instrumenten. Indiz für die Treue der Gläubigen: Besitzer der Berghütte ist seit 1954 die katholische Kirchengemeinde unten im Tal.

Während der Saison, die vom Frühjahr bis zu den ersten Oktoberwochenenden reicht, kommen Wanderer und Beter gleichermaßen. An Regentagen einige wenige, an sonnigen Sonntagen, erzählt Lunger, brummt es in der Hütte regelrecht nach der Messfeier. Selbst im Matratzenlager unterm Hüttendach stellt er dann Tische für das Mittagessen auf. Egal ob Wanderer oder Pilger - ihr Blick fällt gelegentlich auch auf die unhörbare Brennerautobahn tief unten im Tal. Zwischen Oben und Unten liegen nicht nur einige Kilometer Luftlinie, sondern Welten.