Studie zur Missbrauchsgeschichte der katholischen Kirche in den Niederlanden

Scham und Trauer

Die niederländische Kirche hat ihre Missbrauchsgeschichte bis 1981 aufgearbeitet. Das Ergebnis: Mehr als 10.000 Opfer, von vielen wussten die Verantwortlichen. Schockierte Bischöfe bitten um Vergebung.

 (DR)

Bistümer und Ordensgemeinschaften in den Niederlanden haben nach Meinung einer Untersuchungskommission von Missbrauchsfällen in ihren Einrichtungen gewusst. Zwischen 1945 und 1981 seien zwischen 10.000 und 20.000 Minderjährige in Internaten, Waisenhäusern und anderen katholischen Einrichtungen missbraucht worden, heißt es in einem am Freitag in Den Haag veröffentlichten Bericht.



In dem Bericht heißt es, in vielen Fällen hätten die kirchlichen Autoritäten versagt und keine angemessenen Maßnahmen ergriffen. Rund 800 Missbrauchstäter seien identifiziert worden, die für Diözesen und Ordensgemeinschaften arbeiteten. Von ihnen seien 105 noch am Leben. Der Vorsitzende der Untersuchungskommission, der frühere Haager Bürgermeister Wim Deetmann, sagte, Entschuldigungen und Entschädigungen habe es für Missbrauchsopfer in der Regel erst seit dem Jahr 2000 gegeben.



Im Namen von Ordensoberen und Bischöfen entschuldigte sich der Vorsitzende der Niederländischen Bischofskonferenz, Erzbischof Wim Eijk, am Nachmittag in Zeist für die Missbrauchsfälle. Für solches Verhalten sei kein Platz in der Kirche. "Wir sind schockiert", so Eijk, "es ist schrecklich". Der Bericht erfülle die Verantwortlichen mit Scham und Trauer.



Die sechs Mitglieder umfassende Kommission zur Untersuchung sexueller Missbrauchsfälle war von der Bischofskonferenz berufen worden. Sie wertete nach eigenen Angaben 1.795 Berichte über Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche zwischen 1945 und 2010 aus.



Kritik an ehemaligem Bischof

Scharfe Kritik übt die Kommission an der Amtsführung des früheren Rotterdamer Bischofs Ronald Philippe Bär (1983-1993). In dieser Zeit seien gegen die Empfehlungen der Beurteilungskommission nicht geeignete Männer zur Priesterweihe zugelassen worden. Ein Teil von ihnen habe sich auch des Missbrauchs von Minderjährigen schuldig gemacht. Der 1928 geborene Bär war 1993 überraschend zurückgetreten und lebt jetzt in einem Kloster in Belgien.



Versäumnisse wirft die Kommission auch dem langjährigen Bischofskonferenz-Vorsitzenden, Kardinal Adrianus Simonis, vor. Er habe ebenfalls ungeeignete Priesteramtskandidaten durchgesetzt. Als Bischof von Rotterdam und Erzbischof von Utrecht habe er zudem dafür gesorgt, dass wegen Missbrauchs verurteilte Geistliche neue Stellen erhalten hätten. Auch Ordensgemeinschaften haben nach Einschätzung der Kommission versagt. So hätten sich zwar die Salesianer strenge Regeln zum Umgang mit Missbrauch gegeben. Allerdings seien sie kaum angewandt worden.



Erzbischof Eijk sagte, die Empfehlungen der Deetman-Kommission sollten vollständig umgesetzt werden. Die Kirche sei nicht nur zur Zahlung von Entschädigungen bereit, sondern wolle auch Beistand bei Hilfe und Heilung leisten. Künftig werde die Kirche zudem jeden Fall, in dem es den Verdacht einer Straftat gebe, den Behörden melden. Eijk deutete an, dass Bischöfe, die in dem Bericht eines Fehlverhaltens beschuldigt würden und die noch im Amt seien, mit Konsequenzen zu rechnen hätten. Darüber müsse aber der Vatikan befinden.



Die Bischöfe und Ordensoberen hatten bereits Anfang November einer Entschädigungsregelung zugestimmt. Demnach sollen Opfer zwischen 5.000 und 25.000 Euro erhalten, in besonders schweren Fällen sogar bis zu 100.000 Euro.