Studie zum Rollenverständnis von Männern mit überraschenden Ergebnissen

"Wann ist ein Mann ein Mann?"

Die Männer sind in Bewegung gekommen, doch traditionell eingestellte Männer sind gegenüber modernen Männer immer noch in der Mehrheit. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag der evangelischen und katholischen Männerorganisationen, die die beiden Kirchen und Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch in Berlin vorstellten.

 (DR)

Die repräsentative Erhebung unter dem Titel «Männer in Bewegung» geht der Frage nach, wie sich die Männerrolle im letzten Jahrzehnt gewandelt hat. Sie stuft fast ein Fünftel (19 Prozent) der Männer als modern sein, 27 Prozent seien traditionell eingestellt, hieß es. Vor zehn Jahren waren es noch 30 Prozent.

Die meisten Männer, rund ein Drittel, sind indes noch auf der Suche nach ihrer Rolle. Jeder Vierte gehört zu den Balancierern zwischen alten und neuen Rollenbildern, den «Rosinenpickern», so einer der beiden Autoren der Studie, der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner. Solche Männer akzeptierten die Berufstätigkeit ihrer Frauen, teilen sich mit ihnen aber nicht die Hausarbeit. Im Vergleich zu den Frauen kommen die Männer langsamer voran. Jede dritte Frau hat moderne Rollenvorstellungen, aber nur jeder fünfte Mann.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, begrüßte den Wandel, der allerdings nicht von den Männern, sondern den Frauen angestoßen worden sei. Männer seien heute als Familienväter ebenso gefragt wie im Beruf. Die Vereinbarkeit werde auch für sie zu einer «Kernfrage». Die Kirchen, die bei den Männern an Ansehen gewonnen hätten, könnten in ihrer Bildungsarbeit viel beitragen zur Weiterentwicklung der Geschlechterrollen, sagte Huber.
Meilenstein
Erzbischof Ludwig Schick, der in der Deutschen Bischofskonferenz für die Männerarbeit zuständig ist, nannte die Studie einen «Meilenstein der empirischen Männerforschung». Die meisten Männer wünschten Veränderungen und müssten dabei unterstützt werden. Von der Leyen hob hervor, dass Männer nicht nur in der Familie, sondern auch in der öffentlichen Fürsorge gefragt seien: «Wir brauchen mehr Männer in den Kitas, Schulen und in der Pflege.» Hier könnten die Kirchen als Träger von Kindertagesstätten und Pflegeeinrichtungen viel bewirken.

Der Studie zufolge spielen traditionelle Vorstellungen, dass die Frau an den Herd gehöre und Berufstätigkeit von Frauen für Kinder schädlich sei, fast keine Rolle mehr. 58 Prozent der Männer befürworten, dass Mann und Frau zum Haushaltseinkommen beitragen sollten, 1998 waren es 54 Prozent. Nur noch jeder zweite Mann stimmte dem Satz zu, dass Frauen von Natur aus besser geeignet seien, Kinder zu erziehen. Vor einem Jahrzehnt waren noch zwei von drei Männern dieser Ansicht.

Die Ehe wird von jedem vierten Mann als überholt eingestuft. 35 Prozent der traditionellen Männer halten sie für nicht mehr zeitgemäß, aber nur 13 Prozent der modernen. Von der Leyen wertete das als Beleg, dass die Ehe nur als partnerschaftliche moderne Ehe eine Zukunft habe. Unter den Frauen hält nur jede fünfte die Ehe für überholt.

Große Unterschiede zwischen Männern und Frauen bestehen weiter bei der Bereitschaft zur Pflege von alten Menschen. 27 Prozent der Männer wären nicht bereit, Berufstätigkeit und Pflege von Angehörigen zu verbinden - bei Frauen sind es nur halb so viele. Studienautor Zulehner bezeichnete die Entlastung der Frauen bei der Pflege als «eine der massivsten Herausforderungen» in einer alternden Gesellschaft. Familien bestünden aus drei Generationen, nicht nur aus Eltern und Kindern.

Die Studie trägt den Titel «Männer in Bewegung» und wird zehn Jahre nach der ersten Männerstudie der Kirchen «Männer im Aufbruch» veröffentlicht. Für die repräsentative Erhebung im Auftrag der Männerarbeit der EKD und der Gemeinschaft der Katholischen Männer Deutschlands wurden 1.470 Männer und 970 Frauen befragt. Autoren sind der Sozialwissenschaftler Rainer Volz (Düsseldorf) und der Pastoraltheologe Zulehner.