87 Prozent der Bevölkerung sind laut der in Bonn vorgestellten Studie des Bundesumweltministeriums und des Bundesamtes zum Naturbewusstsein der Deutschen für neue Windparks auf dem Meer. 79 Prozent befürworten auch den Ausbau der Windenergie auf dem Land, und 77 Prozent plädieren für den Bau von Solaranlagen außerhalb von Siedlungen. Auch für Biogas gibt es hohe Zustimmungswerte: 67 Prozent der Befragten akzeptieren wachsende Flächen mit Raps und 63 Prozent größere Maisfelder.
Auf den zweiten Blick allerdings sieht die Sache schon kritischer aus: Denn wenn es um den Bau von Hochspannungsmasten geht, sind nur 42 Prozent dafür. Und nur 35 Prozent wollen hinnehmen, dass für neue Stromtrassen Wälder gefällt werden. Dazu kommt, dass die Umfrage von Ende 2011 stammt - also die Kontroversen um Tank oder Teller, um steigende Strompreise und die Vermaisung der Landschaft noch nicht berücksichtigt.
Emotionaler Naturschutz
Die Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Ursula Heinen-Esser (CDU), und die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, Beate Jessel, zeigten sich dennoch überzeugt, dass die Bevölkerung auch heute hinter der Energiewende steht. Heinen-Esser ließ jedoch keinen Zweifel, dass ein Ausbau des Stromnetzes und damit sichtbare Eingriffe in die Landschaft unerlässlich seien. Für die Kölner CDU-Politikerin steht deshalb fest, dass die Bürger in Entscheidungsprozesse der Energiewende künftig deutlich stärker eingebunden werden müssen. Und Jessel mahnte, die Belange des Naturschutzes beim Umbau der Energieversorgung frühzeitig zu berücksichtigen. Sie sorgt sich, dass der Naturschutz bei Konflikten um neue Stromtrassen als Begründung herhalten muss, um andere Konflikte zu überdecken.
Die Studie bestätigt: Der Naturschutz ist in der Bundesrepublik eine hoch emotionale Angelegenheit. "Die Liebe zur Natur ist unter den Deutschen stark ausgeprägt", sagte Jessel unter Verweis auf die Umfrage-Ergebnisse. 95 Prozent sehen es als Pflicht des Menschen an, die Natur zu schützen, 62 Prozent fühlen sich auch persönlich dafür verantwortlich.
Abhängig von Alter, Bildung und Höhe des Einkommens
Die Umfrage zeigt darüber hinaus, dass sowohl Klugheits-, als auch Gerechtigkeits- und Glücksargumente das Bewusstsein der Deutschen prägen. Gesundheit und Erholung des Menschen sowie das Recht zukünftiger Generationen auf intakte Natur erkennen 71 beziehungsweise 67 Prozent der Befragten als Gründe für den Schutz der Natur an. 63 Prozent sagen, dass Tiere und Pflanzen ein eigenes Recht auf Existenz haben und dass in der Natur Schönheit und Vielfalt (59 Prozent) erlebbar sind. Zeichen für eine erhöhte Umwelt-Sensibilität ist auch, dass fast ein Drittel der Deutschen meint, dass sich der Zustand der Natur in der letzten Zeit vor allem verschlechtert hat. Nur noch 43 Prozent sind der Meinung, dass in Deutschland genug für den Naturschutz getan wird - 2009 waren es noch 55 Prozent.
Beunruhigt zeigt sich Jessel, weil die Qualität des Naturbewusstseins sehr stark von Alter, Bildung und der Höhe des Einkommens abhängt. "Besonders naturverbunden sind Ältere und gut Gebildete", sagt sie und fordert, vor allem für die sozial schwächeren Gruppen in der Naturschutzarbeit stärkere Impulse zu setzen und den Zugang zu Naturerfahrungen zu erleichtern - etwa durch mehr Parks und Naturflächen in den Städten. Jessel machte aber auch deutlich, dass stärkeres Umweltbewusstsein und entsprechendes Verhalten nicht immer zusammenkommen. "Finanziell gut gestellte Personen und Haushalte haben auf Grund ihres höheren Konsumniveaus oft insgesamt eine schlechtere Natur- und Umweltbilanz", heißt es in der Studie.
Studie zum Naturbewusstsein der Deutschen
Eine hoch emotionale Angelegenheit
Die Deutschen stehen hinter der Energiewende - auch wenn das zu Einschnitten bei Natur und Landschaft führt. Während Angela Merkel am Dienstag zum Energiegipfel ins Kanzleramt lud, lieferte eine neue Studie Rückendeckung für den Ausbau erneuerbarer Energien - zumindest auf den ersten Blick.
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