Studie: Soziale Herkunft entscheidet über Zukunft von Kindern

Schon in jungen Jahren Angst vor der Zukunft

Die Zukunftschancen von Kindern in Deutschland hängen nach einer Studie wesentlich von ihrem Lebensumfeld ab. Schlechtere Startchancen von Jungen und Mädchen aus unteren Herkunftsschichten prägten später alle Lebensbereiche und wirkten wie ein Teufelskreis, sagte der Bielefelder Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann bei der Vorstellung der ersten "World Vision Kinderstudie" am Mittwoch in Berlin. Bedenklich: Schon Grundschulkinder leiden an Zukunftsängsten.

 (DR)

Die von "TNS Infratest" durchgeführte Erhebung zeigt, dass es entscheidend für das ganze Leben ist, in welche Gesellschaftsschicht ein Kind hineingeboren wird. Bei vielen Kindern ziehe sich eine Stigmatisierung und Benachteiligung wie ein Roter Faden durch das ganze Leben, sagte Hurrelmann. Jungen und Mädchen aus unteren Schichten seien häufig auf sich allein gestellt. "Daher bedarf es des Engagements eines ganzen Dorfes, um ein Kind stark zu machen, wie ein altes afrikanisches Sprichwort lautet", sagte der Sozialwissenschaftler.

Mehr Rückhalt für Eltern
Hurrelmann forderte mehr Rückhalt für Mütter und Väter. Immer mehr Eltern seien mit den schulischen Anforderungen ihrer Kinder überfordert. Sie bräuchten eine stärkere Unterstützung durch Institutionen und die Gesellschaft.

Die Studie beklagt, dass Kinder oft nicht ernst genommen würden. Sie seien als wache, junge Gesellschaftsmitglieder durchaus selbstbewusst und entwickelten eigene Lebensperspektiven, erläuterte die Kindheitsforscherin Sabine Andresen. Allerdings fühlten sich viele Jungen und Mädchen in der Schule nicht ernst genommen und klagten über eine ungenügende Beteiligung. Zugleich glaube ein Großteil der Kinder, dass sich Politiker eher mangelhaft für ihre Belange einsetzten.

Grundschulkinder leiden bereits an Zukunftsängsten
Bereits Grundschüler schätzen laut der Kinderstudie ihre Zukunftschancen pessimistisch ein. Dies sei etwa bei der Frage nach den Schulperspektiven deutlich geworden, so Hurrelmann. Die größte Angst haben Kinder der Erhebung zufolge davor, die Sicherheit in ihrer Familie etwa durch Arbeitslosigkeit eines oder beider Elternteile zu verlieren. Aber auch politische Schreckensszenarien wie Krieg oder Terroranschläge spielten bei den Kleinen bereits eine große Rolle.

Geborgen fühlen sich Kinder nach Ansicht Hurrelmanns nicht durch die Dauer der mit den Eltern verbrachten Zeit. Entscheidend sei vielmehr, dass es feste und verlässliche Uhrzeiten für den Austausch zwischen Kindern und Eltern gebe. So erfahren Kinder mit berufstätigen Müttern der Studie zufolge mehr Zuwendung als ihre Altersgenossen mit arbeitslosen Eltern, die zu Hause bleiben.

Nur geringer Stellenwert von Religiösität und Glauben
Der Stellenwert von Religiösität und Glauben sei bei Kindern vergleichsweise gering, sagt Ulrich Schneekloth, Leiter der TNS Infratest Sozialforschung. "Für das Freizeitverhalten von Kindern spielt das aber eine relativ geringe Rolle", beobachtet Schneekloth, auch im Hinblick auf Kinder mit Migrationshintergrund. Ob nun Islam oder Christentum: die verschiedenen Religionen seien „überhaupt nicht hinderlich" und erschwere die Integration nicht in dem Maße, wie es heute diskutiert würde. "Religion ist etwas, was für die einen dazu gehört und für die anderen nicht - und die Kinder leben damit."