Studentenproteste erhalten breite Unterstützung

Unverhoffte Rückendeckung

Die Studierenden in Deutschland erhalten für ihre Proteste gegen die Studienbedingungen Rückendeckung von Hochschulen, Wirtschaft und katholischen Jugendverbänden. In den Hauptforderungen sei man sich mit den Demonstranten einig, sagte die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Ursula Fehling, am Dienstag.

 (DR)

Als Beispiele nannte sie den Ruf nach höheren Bafög-Sätzen und Nachbesserungen bei den Bachelor- und Masterstudiengängen. Studiengebühren erteilte die BDKJ-Bundesvorsitzende eine klare Absage. Bildung sei eine Zukunftsinvestition. Deswegen müsse die gesamte Gemeinschaft der Steuerzahler auch für den Erhalt des Bildungssystems aufkommen. Die bisherige Verteilung der Gelder nannte Fehling unbefriedigend. Es gehe nicht nur um den Ausbau und die Sanierung von Gebäuden, sondern auch um mehr Mittel für Lehre und Forschung.

Im gesamten Bundesgebiet wollen am heutigen Dienstag Zehntausende Studenten für bessere Studienbedingungen auf die Straßen gehen. Allein in Berlin und Köln erwarten die Organisatoren jeweils 5.000 Demonstranten. Der Aktionstag steht unter dem Motto «Education is not for sale» («Kein Ausverkauf der Bildung»). Der BDKJ ist Dachverband von 16 katholischen Jugendverbänden und -organisationen mit rund 650.000 Mitgliedern.

"Die Akkreditierung ist die organisierte Ignoranz"

Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, sagte am Dienstag, er unterstütze die Kritik der Studierenden an den Bachelor- und Masterstudiengängen. Er forderte eine neue Form der Anerkennung von Studiengängen. Auch aus der Wirtschaft kommt Unterstützung.

Das jetzige Akkreditierungssystem sieht Kempen als Hauptursache für die Probleme: "Die Akkreditierung ist die organisierte Ignoranz, die dazu führt, dass ganze Studierendengenerationen verschlissen werden", sagte er. Als Alternative schlug der DHV-Präsident vor, dass die Hochschulen jeweils ein hochschulinternes Managementsystem einführen, das regelmäßig von externen Gutachtern überprüft wird.

Kempen zeigte für viele Kritikpunkte der Studenten Verständnis.
"Ihre Klage über die Stofffülle ist berechtigt." Es gebe jetzt Studiengänge mit einer "schier ans Übermenschliche grenzenden Arbeitsbelastung". Auch die Prüfungsdichte sieht er als Problem an. Eines der wichtigsten Ziele des Studiums komme zu kurz: die Zeit zum Nachdenken.

Lehrerverband erwartet Verschärfung der Lage
Der Deutsche Lehrerverband erwartet, dass sich die Lage an den Universitäten schon in naher Zukunft noch verschärft. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag) sagte Verbandspräsident Josef Kraus, die protestierenden Studenten ließen einen zentralen Aspekt außer acht. "Ein viel größeres Problem als die nicht gelungene Bologna-Reform ist die Frage, wie die Universitäten ab dem Jahr 2011 die doppelten Abiturjahrgänge bewältigen sollen", sagte er. "Davon wird das ganze Studiensystem betroffen sein."

Dass sich der Lehrerverband nicht offiziell mit den Studenten solidarisch erklärt, liegt laut Kraus an einer entscheidenden
Differenz: "Was uns nicht behagt, sind die Attacken gegen das gegliederte Schulsystem und die Forderung nach der Einführung einer Gemeinschaftsschule für alle."

Die Schüler, die sich auf ein Studium vorbereiten, blieben von den aktuellen Protesten nicht unberührt, stellte der Verbandspräsident fest. "Durch die Umstellung auf das Bologna-System sind Verunsicherungen unter Schülern und Eltern entstanden. Die Proteste sind dazu angetan, diese Unsicherheiten noch zu vertiefen."

Wirtschaft: Probleme der Studierenden ernst nehmen
Auch die Wirtschaft kann den Unmut der Studenten nachvollziehen. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, appellierte in der NOZ an die deutschen Hochschulen, "die Probleme ernst zu nehmen".

Die Kultusministerkonferenz (KMK) habe jüngst eindringlich an die Hochschulen appelliert, die Situation durch eine einheitlichere Anerkennung von Studienleistungen und einen intensiveren Dialog mit den Betrieben zu verbessern. Dies gelte es nun rasch umzusetzen. "Ich habe Verständnis für Forderungen der Studierenden nach leichterem Wechsel zwischen den Hochschulen und mehr Praxisbezug", unterstrich der DIHK-Präsident.