Strenge Überwachung in Peking am Jahrestag des Tiananmen-Massakers

China, wie man es kennt

Die chinesische Führung hat am 20. Jahrestag des Tiananmen-Massakers in Peking Zensur und Überwachung verschärft. Rund um den Tiananmen-Platz in der chinesischen Hauptstadt herrschte am Donnerstag gespannte Ruhe. In Hongkong gedachten nach Angaben der Veranstalter 150.000 Menschen mit Kerzen der Opfer des Massakers vom 4. Juni 1989. Vor 20 Jahren hatte die Armee Demonstrationen auf dem Tiananmen-Platz in Peking blutig niedergeschlagen.

 (DR)

Gedenkfeiern waren in China nicht erlaubt. Nur in Hongkong, das als Sonderverwaltungsregion seinen Einwohnern mehr Rechte zugesteht, konnten sich Demonstranten versammeln, um im Gedenken an die Demokratiebewegung von 1989 «das Feuer an die nächste Generation weiterzugeben».

Aus Sorge vor Protesten wurden in Peking die Zugänge zum Tiananmen-Platz streng kontrolliert. Besucher mussten Ausweise und Taschen vorzeigen. Einigen ausländischen Journalisten und Chinesen wurde der Zutritt verwehrt. Überall waren Beamte in Uniform und Zivil postiert. Die Behörden verstärkten auch die Internet-Zensur, die staatlichen Medien ignorierten den Gedenktag praktisch völlig.

US-Außenministerin Hillary Clinton appellierte an China, die Ereignisse vom 4. Juni 1989 «als dunkles Kapitel seiner Vergangenheit» aufzuklären. Peking sollte die Namen der Getöteten, Verletzten und Vermissten veröffentlichen. Die Gefangenen, die wegen der 89er Ereignisse immer noch in Haft seien, müssten freigelassen werden, betonte Clinton in einer Erklärung. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Qin Gang, wies dies zurück und sprach von «grundlosen Anschuldigungen».

Schätzungen zufolge starben bei dem Massaker rund 3.000 Menschen. Nach offiziellen Angaben waren es etwa 300. Die chinesische Führung verurteilte die Studentenbewegung als konterrevolutionären Aufstand. Zu der Zahl der heute noch Inhaftierten der 89er Generation schwanken die Schätzungen zwischen 30 und 200 Menschen.

Zum 20. Jahrestag wurden Dissidenten seit Tagen rund um die Uhr bewacht. Sie wurden verwarnt oder zum Verlassen der Stadt aufgefordert. Am Donnerstag verweigerte die Polizei einem jungen Chinesen den Zutritt zum Platz, der mit weißem T-Shirt und schwarzem Mundschutz Trauerfarben trug. Als er abgeführt wurde, rief er «Menschenrechte».

Die Sprecherinnen der Gruppe der «Mütter von Tiananmen», Ding Zilin und Zhang Xianling, wurden daran gehindert, ihre Wohnungen zu verlassen. Sie hatten in den vergangenen Jahren am Tiananmen-Platz ihrer getöteten Kinder gedacht. Die Behörden verschärften auch die Internet-Zensur. Polizisten verhörten bereits am Mittwoch ausländische Journalisten am Tiananmen-Platz und behinderten sie bei Interviews.

«Reporter ohne Grenzen» protestierte gegen die strenge Zensur in China. Nach Angaben des Clubs der Auslandskorrespondenten in Peking wurden in den vergangenen Tagen ein Kameramann und ein Fernsehteam festgenommen. Einige chinesische Mitarbeiter ausländischer Medien wurden vernommen.

In der chinesischen Presse brachte nur die neue englischsprachige Tageszeitung «Global Times» einen Artikel zum Thema. Unter der Überschrift «Wohlstand entlang der Changan-Straße» wurde die angespannte Atmosphäre auf und um den Tiananmen-Platz beschrieben, ohne die «Zwischenfälle» von 1989 näher zu benennen. Auf der Changan-Straße waren vor 20 Jahren viele Studenten getötet worden, als die Armee zum Tiananmen-Platz vorrückte. In der Zeitung betonten Experten vor allem das Wirtschaftswachstum und die Stabilität Chinas. Zugleich wird auf den Niedergang und den Zerfall der Sowjetunion nach 1989 hingewiesen.

Die chinesische Internetgemeinde ersann Wege, die Zensur zu umgehen. Viele nutzen die Datumsverschlüsselung «35. Mai» statt «4. Juni». Ein Blogger schrieb zu dem «heiklen Datum»: «Denkt Euch selbst etwas dabei.» Darunter setzte er eine Zeichnung aus dem Buch «Der 35. Mai», in dem der deutsche Autor Erich Kästner den kleinen Konrad fabelhafte Südsee-Abenteuer erleben lässt.