Streit zwischen Kirche und Staat auf Philippinen vor Höhepunkt

"Großmutter aller Proteste"

Seit Wochen sind auf den Philippinen Kirche und Politik entzweit. Hintergrund ist der Gesetzentwurf über "Reproduktive Gesundheit". Eine zur "Großmutter aller Proteste" erklärte Veranstaltung an diesem Freitag im Zentrum Manilas war der Höhepunkt einer Kampagne der Bischöfe gegen das Gesetz.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Rund 20.000 Katholiken demonstrierten am Freitag (25.03.2011) in Manila gegen den Gesetzentwurf zu Empfängnisverhütung und Sexualkundeunterricht an Schulen. Mit Madonnenstatuen und Transparenten mit Slogans wie "Nein zum Gesetz über reproduktive Gesundheit - Ja zu Leben" folgten sie dem Aufruf der philippinischen Bischöfe zur einer Protestkundgebung. Am selben Tag beriet der philippinische Kongress über das sogenannte Gesetz zur reproduktiven Gesundheit.



"Alle Philippiner, vereinigt euch für das Leben!" Mit diesem eindringlichen Appell, im Namen Gottes für das Leben einzustehen, hatte der Erzbischof von Manila, Kardinal Gaudencio Rosales, vorher in fast ganzseitigen Zeitungsanzeigen zur Gebetsdemonstration gegen den Gesetzentwurf über "Reproduktive Gesundheit" aufgerufen.



Das Gesetz sieht unter anderem Sexualaufklärung an Schulen vor und soll Krankenhäusern und Gesundheitszentren erlauben, Verhütungsmittel zu verschreiben und kostenlos an Arme abzugeben. Darüber hinaus soll die medizinische sowie soziale Fürsorge für junge Mütter und Schwangere verbessert werden. Eine Legalisierung von Abtreibung ist in der Vorlage nicht enthalten - obwohl die Kirche in Stellungnahmen und Predigten auch dagegen zu Felde zieht.



"Die Eltern sollen ihre Kinder aufklären"

Die Bischöfe lehnen das Gesetz rundweg ab, obwohl es ausdrücklich auch Aufklärung über natürliche Empfängnisverhütung vorsieht. "Der Entwurf legt ein stärkeres Gewicht auf künstliche Empfängnisverhütung durch Kondome und die Pille", sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Nereo Odchimar von Tandag, am Donnerstag bei einem Gottesdienst für katholische Laienorganisationen in der Kathedrale von Manila. Henrietta De Villa, ehemalige Botschafterin der Philippinen beim Vatikan, sieht zudem das Elternrecht verletzt. "Die Eltern sollen ihre Kinder aufklären, nicht die Schulen."



Einzelne Bischöfe drohten Staatspräsident Benigno Aquino und anderen Unterstützern des Gesetzes sogar bereits mit Exkommunikation. Bischof Odchimar schwächte solche Drohungen aber zunächst ab. Ende Februar zog sich die Kirche allerdings aus den Gesprächen mit Regierung und Parlament über den Gesetzentwurf zurück. "Wir haben den Dialog ausgesetzt", sagt Odchimar, fügt aber hinzu: "Die Tür kann wieder geöffnet werden."



Für die Befürworter soll das Gesetz den Weg frei machen für eine Aufklärung über Aids und sexuell übertragbare Krankheiten. Die Philippinen gehören weltweit zu den sieben Ländern, in denen die Zahl der HIV-Infektionen und Aids-Fälle weiter ansteigen. Eine Untersuchung des Bildungsministeriums ergab zudem, dass 71 Prozent der jungen Frauen und knapp 36 Prozent der jungen Männer unter Genitalkrankheiten leiden. Schätzungen gehen von 500.000 Abtreibungen pro Jahr aus, von denen 90.000 mit gesundheitlichen Problemen für die Mutter endeten.



Eines der bevölkerungsreichsten Länder

Am meisten aber wird über das Argument der Unterstützer debattiert, Geburtenkontrolle sei ein Weg zur Bekämpfung der extremen Armut auf den Philippinen. Der Inselstaat steht inzwischen mit mehr als 90 Millionen Einwohnern auf Platz zwölf der Liste der bevölkerungsreichsten Länder der Welt. 44 Prozent der Philippiner leben unterhalb der Armutsgrenze. Wenn das Bevölkerungswachstum nicht begrenzt werde, warnen die Vereinten Nationen, sei das Land spätestens 2025 nicht mehr in der Lage, seine Bürger zu ernähren.



Bischof Odchimar weist einen "direkten Zusammenhang von Armut und Bevölkerungswachstum" strikt zurück; dafür gebe es keine wissenschaftlichen Belege. Diese Position stößt bei Experten auf Unverständnis. "Ohne eine Begrenzung des Bevölkerungswachstums ist erfolgreiche Armutsreduzierung auch bei einer sehr erfolgreichen und verantwortlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik kaum vorstellbar", meint etwa Peter Köppinger, Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in Manila, in einer persönlichen Stellungnahme.



Wie das zähe Ringen zwischen Kirche und Staat ausgehen wird, ist ungewiss. In der philippinischen Bevölkerung jedenfalls ist der Rückhalt für die Gegner des umstrittenen Gesetzes eher dünn. In Umfragen sprachen sich zwei Drittel der Bürger für die Neuregelung aus. Viel hängt davon ab, wie viele Anhänger die Bischöfe für die Straßenproteste am Freitag mobilisieren können.