Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird sich mit weitreichenden Regelungen von Bundesländern zur Sonntagsarbeit auseinandersetzen. Das Land Hessen legte Revision gegen ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) ein, nach dem die Landeserlaubnis für Sonntagsarbeit in Call-Centern, Brauereien, Bibliotheken und Videotheken rechtswidrig ist. Dies sagte ein VGH-Sprecher.
In dem Rechtsstreit geht es um die seit 2011 gültige Bedarfsgewerbeverordnung des Landes Hessen. Eine ähnliche Regelung gibt es in anderen Bundesländern. Gegen die hessische Verordnung hatten die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und Dekanate der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau geklagt. Die Kasseler Richter entschieden am 12. September, dass die Verordnung in weiten Teilen ungültig sei (AZ: 8 C 1776/12.N). Wegen der "grundsätzlichern Bedeutung der Rechtssache" wurde Revision zugelassen.
Sonntagsarbeit in Call-Centern erlaubt
Die umstrittene hessische Regelung erlaubt Sonntagsarbeit etwa in Call-Centern des Versandhandels, beim Online-Banking oder im Reisegewerbe. Zudem dürfen öffentliche und kirchliche Videotheken und Bibliotheken an Sonn- und Feiertagen bis zu acht Stunden öffnen. Im Sommer ist Sonntagsarbeit in Brauereien, Getränkeunternehmen sowie Speiseeis-Betrieben erlaubt.
Die Kasseler Richter kippten die Landesvorgaben mit Verweis auf das Grundrecht der Religionsfreiheit sowie das Gebot der Sonn- und Feiertagsruhe. Diese seien im Grundgesetz und der hessischen Landesverfassung verankert. Grundsätzliche Ausnahmen davon seien nur auf Grundlage eines Gesetzes zulässig oder in einem engen Rahmen per Verordnung. Der Verwaltungsgerichtshof argumentierte weiter, die hessische Regelung sei weit über den bundesgesetzlichen Rahmen hinausgegangen.
Richter: Wettbewerbsnachteil für Hessen
In der Kasseler Verhandlung hatte sich der Vorsitzende Richter verwundert darüber gezeigt, dass es in anderen Bundesländern mit ähnlichen Verordnungen noch zu keiner Klage gegen diese gekommen sei. Er räumte ein, dass dem Land Hessen durch das neue Urteil ein Wettbewerbsnachteil entstehen könne.
Das hessische Sozialministerium wies darauf hin, dass "fast alle Bundesländer bereits seit vielen Jahren nahezu gleichlautende Bedarfsgewerbeverordnungen erlassen haben, die nicht angegriffen wurden". Man habe Revision eingelegt, um eine bundesweit einheitliche Rechtsanwendung zu ermöglichen. Das Ministerium betonte zudem, dass die Verordnung den Schutz der Arbeitnehmer und die "verfassungsrechtlich garantierte Sonn- und Feiertagsruhe insbesondere durch saisonale weitere zeitliche Beschränkungen und eine Anzeigepflicht berücksichtigt".
Die Kirchen und ver.di hatten das Kasseler Urteil begrüßt. Ein umfassender Sonntagsschutz habe in dem Verfahren eine angemessene Rolle gespielt, argumentierten die Kirchen. Offensichtlich habe die Landesregierung mit der Verordnung ihre Kompetenzen weit überschritten, ergänzte die Gewerkschaft.
Wie der VGH-Sprecher sagte, ist die Revision vergangene Woche bei dem Gericht eingegangen. Nun müsse binnen eines Monats die schriftliche Begründung vorgelegt werden.