Streit um "Bibel in gerechter Sprache" verschärft

Verunsicherung oder Bereicherung?

Verunsicherung des Glaubens oder Bereicherung? Im Streit um die "Bibel in gerechter Sprache" haben sich die Fronten zwischen dem Herausgeberkreis und dem Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) weiter verhärtet. Eine Mit-Herausgeberin und Theologieprofessorin hat sich nun gegen EKD-Angriffe verteidigt.

 (DR)

Die Vertreterin des Herausgeberkreises, Helga Kuhlmann, lehnte am Freitag in Kassel auf einem Symposium die Bitte ab, die neue Bibelübersetzung für die Verwendung im Gottesdienst nicht zu empfehlen. Die Kritik des Rates der EKD sei befremdend, sagte die Theologieprofessorin. Dieser hatte Ende März von einer Verwendung im Gottesdienst abgeraten.

Die "Bibel in gerechter Sprache" verlasse das reformatorische Schriftverständnis und falle in die vorreformatorische Tradition zurück, sagte Thies Gundlach vom EKD-Kirchenamt. Luther habe den wörtlichen und historischen Sinn des Textes als für die Übersetzung maßgeblich hervorgehoben. Dagegen habe der Reformator die Tradition zurückgewiesen, inhaltliche Einsichten aus der Bibel zu Kriterien der Übersetzung zu machen.

Bereicherung, beharren die Herausgeber
Die Neuübersetzung stelle eine Bereicherung dar, beharrte dagegen Kuhlmann. Der Herausgeberkreis befinde sich im Einklang mit dem Reformator Luther, wenn er der Übersetzung ein theologisches Profil gebe. Das Werk sei den Kriterien der Gerechtigkeit verpflichtet, die in den vergangenen Jahrzehnten eine zentrale Rolle in der theologischen Diskussion gespielt hätten, der Gerechtigkeit gegenüber Frauen, Juden und Armen. Diese Kriterien lägen in dem biblischen Begriff der Gerechtigkeit begründet.

Gundlach kritisierte ferner, dass die "Bibel in gerechter Sprache" die Sündenlehre und die Christologie der Urtexte geschwächt habe. Die wechselnde Übersetzung des Gottesnamens mit Begriffen wie "die Ewige", "Adonaj" oder "Ich bin da", die Luthers Übersetzung "Herr" ablöst, führe zu einer "Verunsicherung im Glauben". Das Werk werde dem Urtext nicht gerecht. Es sei zweifelhaft, ob die "Bibel in gerechter Sprache" überhaupt eine Übersetzung darstelle.

Rheinischer Präses rät zur Besonnenheit bei Diskussion
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Niklaus Schneider, hat bei der Diskussion um die "Bibel in gerechter Sprache" mehr Besonnenheit angemahnt. Die Übersetzung habe massive und berechtigte Anfragen von wissenschaftlicher Seite hervorgerufen, erklärte Schneider am Freitag auf einem Symposium in Kassel. "Es gibt aber auch eine Kritik mit Schaum vor dem Mund, die sich eines seriösen Gesprächs entzieht", kritisierte der oberste Repräsentant der zweitgrößten Landeskirche.

Er selbst erlebe in seiner persönlichen Praxis bei der täglichen Bibellektüre oder bei der Predigtvorbereitung die "Bibel in gerechter Sprache" als "interessante und anregende Herausforderung", erklärte Schneider. "Allerdings scheint mir eine differenzierte Kenntnis Voraussetzung für den angemessenen Umgang mit der 'Bibel in gerechter Sprache' zu sein."

Kontroverse Debatten schon vor dem Erscheinen
Besonders dringlich erscheint dem Theologen nach eigenen Worten, sich genauer mit der Kritik auseinander zu setzen mit welchem Namen Jesus in der "Bibel in gerechter Sprache" bedacht werde. Auch die verschiedenen Gottesbezeichnungen und die Wiedergabe damaliger Realitäten müsse untersucht werden. Eine kritische Diskussion über die Übersetzung habe sich zudem fairerweise auf die Klärung der Frage zu konzentrieren, ob die von den Übersetzern selbst formulierte Methodik stimmig sei.

An der "Bibel in gerechter Sprache" arbeiteten fünf Jahre lang 60 Fachwissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Schon vor dem Erscheinen der Neuübersetzung gab es kontroverse Debatten um das Konzept. Ein Markenzeichen ist die Wiedergabe des Gottesnamens und der Ersatzworte, die an seiner Stelle gelesen werden können, beispielsweise "Adonaj", "der/die Ewige". In die Übersetzung flossen Erkenntnisse aus der Geschlechterforschung, der Befreiungstheologie und des christlich-jüdischen Dialogs ein. Das 2.400-Seiten-Buch wurde im vergangenen Oktober vorgestellt und ist bereits in der dritten Auflage auf dem Markt.