Streit um Abhörschutz von Abgeordneten, Verteidigern und Geistlichen - Kirche protestiert

Abschied vom Beichtgeheimnis?

Die katholische Kirche hat Überlegungen des Bundesinnenministeriums deutlich zurückgewiesen, künftig das Abhören von Geistlichen zuzulassen. Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke nannte es undenkbar, das Beichtgeheimnis anzutasten. Es sei ein Eckpunkt "einer humanen, die Würde des Menschen achtenden Kultur“. Der Leiter des Katholischen Büros bei der Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten, verwies darauf, nach der überwiegenden Einschätzung von Rechtsexperten sei das Vorhaben nicht verfassungskonform.

 (DR)

Im Innenministerium gibt es Pläne, bei der Reform des BKA-Gesetzes den strikten Abhörschutz für Abgeordnete, Strafverteidiger und Geistliche einzuschränken. Der Prälat sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), die Menschen müssten Vertrauen haben in den hohen Wert des seelsorgerlichen Gesprächs. Dessen Vertraulichkeit habe besonderen Wert in einer Zeit, wo beinahe nichts mehr geheim und geschützt sei. So sei das Beichtgeheimnis nicht nur von der Kirche, sondern auch vom Staat her strikt zu respektieren.

Jaschke und Jüsten kündigten Widerstand gegen die Pläne an. Der Bischof sagte, die Kirchen würden alles in ihren Kräften Stehende tun, damit es zu keinen Aufweichungen komme. Jüsten zeigte sich zuversichtlich, dass eine solche Aufweichung des Zeugnisverweigerungsrechts die Hürde des Bundeskabinetts oder des Parlaments nicht nehmen werde. Er werde bei den zuständigen Regierungsstellen vorstellig werden. Der am Mittwoch bekanntgewordene Referentenentwurf aus dem Innenministerium stößt auch bei der SPD auf massive Bedenken.

Auch von SPD und Opposition kam scharfe Kritik. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte im rbb-"Inforadio", der Vertrauensschutz für bestimmte Berufsgruppen dürfe nicht der Terrorbekämpfung geopfert werden. Die Genehmigung von Abhöraktionen würde das Vertrauen der Bürger in Berufsgeheimnisträger stark erschüttern. "Das machen wir nicht", betonte Wiefelspütz. Bisher war in der großen Koalition vor allem umstritten, ob das BKA auch das Recht zur Online-Durchsuchung von Computern erhält.

FDP-Innenexpertin Gisela Piltz sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", damit werde "der Schutz von Geistlichen, Anwälten Ärzten und Journalisten endgültig zur Farce". Das Abhören von Angehörigen dieser Berufsgruppen rühre an "die Grundpfeiler des Rechtsstaates ebenso wie die Menschenwürde". Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte: Der "Überwachungswahn" von Bundesinnenminister Schäuble kenne "keine Grenzen ". Die Linke-Innenexpertin Ulla Jelpke warnte: "Schäuble setzt die Axt an die Demokratie".

Der Grünen-Innenexperte Wolfgang Wieland sprach von einem "unglaublichen Vorgang". Das Gesetz zur Telefonüberwachung wolle Schäuble offenbar jetzt kurzerhand mit dem Polizeigesetz aushebeln, um sein Bundeskriminalamt unbegrenzt lauschen lassen zu können, sagte Wieland der "Berliner Zeitung".

Der Vorstoß des Ministers sei ein neuerlicher Beweis dafür, dass eine Diskussion des BKA-Gesetzes nur unter dem Blickwinkel der darin angepeilten Online-Durchsuchung zu kurz greife. "Schäuble und die Bundesregierung streben ein deutsches FBI an, dass weitgehend ohne richterliche Kontrolle alle Instrumentarien eines Geheimdienstes anwenden kann", sagte Wieland.

Der Innenexperte der Linken, Jan Korte, sieht in dem Schäuble-Verstoß eine neue Qualität der Überwachung. "Der Innenminister will praktisch den Berufsgeheimnisträgerschutz vollständig abschaffen", sagte Korte der Zeitung. Scharf kritisierte der Linkspolitiker die Informationspolitik des Innenministeriums. Trotz wiederholter Anfragen in den letzten Tagen sei den Abgeordneten jede Auskunft über den nun geänderten BKA-Gesetzentwurf verweigert worden, sagte er.

Beichtgeheimnis gilt seit dem 13. Jahrhundert
Das Beichtgeheimnis verpflichtet den Beichtvater zum unbedingten Stillschweigen über das, was er durch eine Beichte erfahren hat. Die Verletzung des Beichtgeheimnisses wird mit den schwersten Kirchenstrafen bedroht. Das Beichtgeheimnis gilt seit dem 13. Jahrhundert für die gesamte römische Kirche.

Das berühmteste Beispiel für die Wahrung des Beichtgeheimnisses ist der heilige Johannes von Nepomuk. Er wurde 1393 im Auftrag des böhmischen Königs in der Moldau ertränkt, weil er sich geweigert haben soll, die Beichte der Königin preiszugeben.

Rechtlich ist das Beichtgeheimnis sowohl im völkerrechtlich bindenden Konkordat zwischen Deutschland und dem Vatikan als auch in staatlichen Gesetzen abgesichert. Ein Beispiel dafür ist das Zeugnisverweigerungsrecht für Priester und andere Berufsgeheimnisträger wie Abgeordnete und Strafverteidiger. Der Paragraf 53 der Strafprozessordnung gibt ihnen das Recht, in Ermittlungen die Aussage zu verweigern. Daraus wird auch abgeleitet, dass Gespräche mit Gläubigen, Mandanten oder Patienten vor dem Abhören geschützt sind.