Streit über Gesetz zur Falschdarstellung von NS-Verbrechen

Spannungen zwischen Israel und Polen

Zwischen Polen und Israel, die sonst gute Beziehungen pflegen, kriselt es. Grund für den Streit ist ein polnisches Gesetz gegen die Falschdarstellung von NS-Verbrechen. Noch ist das Gesetz allerdings nicht in Kraft getreten.

Autor/in:
Oliver Hinz
Das Eingangstor mit der Aufschrift "Arbeit macht frei" der KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau  / © Nancy Wiechec (KNA)
Das Eingangstor mit der Aufschrift "Arbeit macht frei" der KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau / © Nancy Wiechec ( KNA )

Um die Beziehungen zwischen Polen und Israel steht es zurzeit schlecht. Trotz massiver Proteste der israelischen Regierung nahm in der Nacht zum Donnerstag ein umstrittenes Gesetz gegen eine falsche Darstellung von Kriegsverbrechen die letzte parlamentarische Hürde: Das Oberhaus, der Senat, billigte es mit großer Mehrheit.

Proteste aus Israel

Jerusalem hatte davor gewarnt, dass künftig Holocaust-Überlebende für ihre Erinnerung an polnische Täter bestraft werden könnten, wenn das Gesetz in Kraft tritt.

Das Gesetz sieht Geldstrafen und bis zu drei Jahre Gefängnis für Personen vor, die "öffentlich und faktenwidrig dem polnischen Volk oder dem polnischen Staat die Verantwortung oder Mitverantwortung für die vom deutschen Dritten Reich begangenen nationalsozialistischen Verbrechen" zuschreiben.

Auch die grobe Verharmlosung der Verantwortung der tatsächlichen Täter soll bestraft werden. Aussagen "im Rahmen einer künstlerischen oder wissenschaftlichen Tätigkeit" fallen nicht unter das Gesetz. Es richtet sich unter anderem gegen die falsche Bezeichnung "polnisches Todeslager" für Auschwitz und andere ehemalige NS-Konzentrationslager; die Formulierung wird in dem Gesetz jedoch nicht genannt.

Auf die Entscheidung Warschaus reagierten 61 der 120 Abgeordneten des israelischen Parlaments mit einem eigenen Gesetzentwurf. Sie wollen künftig die Leugnung oder Verharmlosung der Beteiligung von Nazi-Helfern und Kollaborateuren mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestrafen.

Dazu soll ein Gesetz aus dem Jahr 1986 ergänzt werden, das das Leugnen oder Verharmlosen des Holocaust verbietet. Künftig sollen Holocaust-Überlebende und Angestellte von Gedenkstätten, die wegen ihrer Berichte über die damaligen Geschehnisse mit Klagen im Ausland konfrontiert sind, Rechts- und Prozesskostenhilfe erhalten. Israel will also seinen Bürgern helfen, falls sie in Polen auf der Grundlage des neuen Gesetzes angeklagt werden.

Kritik an der polnischen Entscheidung äußerte auch die Jerusalemer Holocaustgedenkstätte Yad Vashem. Das Gesetz verharmlose den Anteil der Komplizenschaft von Teilen der polnischen Bevölkerung bei Verbrechen gegen Juden entweder direkt oder indirekt, hieß es am Donnerstag in einer Stellungnahme.

Polen weist Kritik zurück

Polens Vizekulturminister Jaroslaw Sellin wies die Kritik aus Israel zurück: "Ich verstehe diese Vorwürfe überhaupt nicht, denn wie kann der Kampf gegen die Formulierung 'polnische Todeslager' als Leugnung des Holocaust angesehen werden?"

Bevor das Gesetz in Polen in Kraft tritt, muss es Staatspräsident Andrzej Duda unterzeichnen. Am Mittwoch hatten sein Amtsvorgänger Aleksander Kwasniewski, Ex-Außenminister Radoslaw Sikorski und weitere Prominente dazu aufgerufen, den Gesetzentwurf zurückzuziehen.

In ihrem gemeinsamen Appell zeigen sie Verständnis dafür, dass der gute Namen Polens verteidigt und die Bezeichnung "polnisches Todeslager" für Auschwitz abgelehnt werden müsse. "Aber das Gesetz geht weiter - es suggeriert die Unschuld der Polen, es macht sie in Europa zum einzigen Volk ohne Fehler", schreiben sie.

Holocaust-Überlebende dürften nicht verfolgt werden, wenn sie sagen, sie hätten vor Polen Angst gehabt.

Die linksliberale Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" kommentierte am Donnerstag, die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sei keine antisemitische Partei. Sie wolle aber antisemitische Wähler nicht verlieren. Jüngst habe sie in einer TV-Debatte im staatlichen Fernsehen antisemitische Aussagen aus dem Publikum zugelassen.

Anti-israelische Demonstrationen sind der Regierung in Warschau indes ein Dorn im Auge. Sie verbot am Mittwoch für eine Woche Kundgebungen vor der israelischen Botschaft. Dort wollten Rechtsextremisten um den Abgeordneten Robert Winnicki auf die Straße gehen. Seine "Nationale Bewegung" verzichte nun komplett auf eine Demo, wie er sagte.

Auch das US-Außenministerium kritisierte Warschau. "Wir sind besorgt, dass dieser Gesetzentwurf die Redefreiheit und die wissenschaftliche Diskussion untergraben kann, wenn er in Kraft tritt", sagte Sprecherin Heather Nauert. Sie befürchte, dass sich das Gesetz negativ auf die "strategischen Interessen und Beziehungen Polens, einschließlich der USA und Israel", auswirken werde. Zugleich betonte sie, Washington verstehe, dass Formulierungen wie "polnische Todeslager" "ungenau, irreführend und verletzend" seien.


Quelle:
KNA
Mehr zum Thema