Das Straßburger Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Unumstritten ist laut Menschenrechtsgerichtshof, dass die Verurteilung des Mannes durch deutsche Gerichte einen Eingriff in sein Recht auf Achtung des Privatlebens darstellte. Die deutsche Justiz habe dabei jedoch ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Insofern liege keine Verletzung des Artikels 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention vor.
In dieser Frage bestehe zwischen den europäischen Staaten keine einhellige Meinung. Die deutschen Rechtsinstanzen hätten bei ihrer Abwägung den Schutz der Familie und die sexuelle Selbstbestimmung ebenso berücksichtigt wie die öffentliche Gesundheit vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Überzeugung, dass Inzest strafwürdig sei. Das Menschenrechtsgericht verwies auch auf das Argument, dass sexuelle Beziehungen zwischen Geschwistern Familienstrukturen und folglich die Gesellschaft insgesamt ernsthaft beeinträchtigen könnten.
Schutz der Moral und der Rechte anderer
Die Verurteilung des Leipzigers sei nach dem deutschen Strafgesetzbuch zwingend gewesen, da es sexuelle Beziehungen zwischen leiblichen Geschwistern unter Strafe stelle. Ziel sei der Schutz der Moral und der Rechte anderer. In der Frage inzestuöser Beziehungen gebe es in der internationalen Rechtsprechung einen weiten Beurteilungsspielraum. Diesen habe die deutsche Justiz nicht überschritten, so der Menschenrechtsgerichtshof.
Der Beschwerdeführer war in einer Pflegefamilie aufgewachsen und hatte erst im Alter von 24 Jahren seine sieben Jahre jüngere Schwester kennengelernt. Zwischen den Geschwistern entwickelte sich eine Liebesbeziehung. Zwischen 2001 und 2005 bekamen sie vier gemeinsame Kinder.
Wegen Beischlafs zwischen Verwandten wurde der Mann erstmals 2002 zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. In den folgenden Jahren kamen weitere Strafen hinzu, von denen er über drei Jahre absitzen musste. Eine Verfassungsbeschwerde wies das Bundesverfassungsgericht 2008 in Karlsruhe zurück. Verfahren gegen die Schwester wurden eingestellt, weil sie an einer Persönlichkeitsstörung leidet.
Nach dem Recht der katholischen Kirche vertößt die Ehe und somit der Beischlaf zwischen Blutsverwandten ersten Grades gegen göttliches Recht, von dem unter keinen Umständen dispensiert werden kann.
Straßburg bestätigt deutsche Inzest-Urteile
Kein Verstoß gegen Menschenrechte
Deutsche Gerichte dürfen Inzest weiter ahnden. Die Bestrafung einer inzestuösen Verbindung stellt nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte keine Verletzung der Menschenrechte dar. Die Richter in Straßburg wiesen damit am Donnerstag die Klage eines heute 35-jährigen Leipzigers zurück, der mit seiner sieben Jahre jüngeren Schwester vier Kinder gezeugt hatte und dafür mehrfach zu Haftstrafen verurteilt wurde.
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