Stimmung in der Wirtschaft so schlecht wie seit 1993 nicht mehr - Experten sehen Beginn der Rezession

Abschwung nimmt Fahrt auf

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist einer Umfrage zufolge so schlecht wie seit 15 Jahren nicht mehr. Der wichtigste Stimmungsindikator, der sogenannte Ifo-Geschäftsklimaindex, sank im November von 90,2 Punkten im Vormonat auf 85,8 Punkte. Deutschland steht nach Einschätzung von Experten am Beginn einer scharfen Rezession.

 (DR)

In allen befragten Branchen, im verarbeitenden Gewerbe, Bauhauptgewerbe sowie Groß- und Einzelhandel, habe sich Klima eingetrübt. Der deutsche Aktienmarkt zeigte sich von diesem Negativrekord des Frühindikators für die konjunkturelle Entwicklung allerdings unbeeindruckt und legte bis zum frühen Nachmittag mehr als drei Prozent zu.

Im November sank der monatlich unter rund 7000 Unternehmen erhobene Ifo-Geschäftsklimaindex bereits zum sechsten Mal in Folge. Experten hatten zwar ebenfalls einen Rückgang des Stimmungsbarometers prognostiziert, jedoch nur auf 88,6 Punkte. Letztmals im Februar 1993 war das Indexniveau mit 84,9 Punkten niedriger gewesen.

«Die Unternehmen sind erheblich unzufriedener mit ihrer momentanen Geschäftslage und rechnen zudem mit einer nochmals deutlich ungünstigeren Geschäftsentwicklung im kommenden halben Jahr», sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Insgesamt habe sich der konjunkturelle Abschwung verschärft und werde nun auch den Arbeitsmarkt erfassen.

Der Teilindikator zur Beurteilung der aktuellen Lage fiel den Angaben zufolge deutlich auf 94,8 Punkte, im Oktober hatte er bei 99,9 Punkten gelegen. Die Erwartungskomponente sank von 81,4 Punkten auf 77,6 Zähler. Das war das niedrigste Niveau seit Beginn der Erhebungen Anfang der 1990er Jahre.

Nach Einschätzung von Experten dürfte die Wahrscheinlichkeit gestiegen sein, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen in den kommenden Woche von derzeit 3,25 Prozent um mehr als 50 Basispunkte senkt. Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer sagte, eine Zinssenkung um einen dreiviertel Prozentpunkt sei angesichts des Drucks der eingebrochenen Konjunkturindikatoren wahrscheinlicher. Bis Frühjahr 2009 werde die EZB ihren Leitzins auf 1,75 Prozent zurücknehmen.

Analyst Rainer Sartoris von der HSBC Trinkaus zufolge führt der Ifo-Index vor Augen, «dass wenig Hoffnung auf eine Beendigung der konjunkturellen Durststrecke im kommenden Jahr besteht». Auch Commerzbank-Chefvolkswirt ist pessimistisch: «All dies deutet darauf hin, dass das BIP im vierten Quartal massiv zurückgeht, wir rechnen gegenüber dem dritten Quartal mit einem Minus von 0,75 Prozent». Zudem werde die deutsche Wirtschaft 2009 um 1,2 Prozent schrumpfen.

Auch eine Schrumpfung, allerdings nur um fast 0,5 Prozent, prognostizierte das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) für kommendes Jahr. Die von dem Institut veröffentlichte Konjunkturumfrage habe gezeigt, «dass sich die Export- und auch die Investitionserwartungen merklich eingetrübt haben», sagte IW-Direktor Michael Hüther. Anfang Oktober hatte das arbeitgebernahe Institut für 2009 noch ein Wachstum von 0,6 Prozent erwartet. Für das laufende Jahr rechnet das IW noch mit einem Wachstum von 1,7 Prozent. 2007 war die deutsche Wirtschaft noch um 2,5 Prozent gewachsen.