Stiftungs-Präsident zur Echtheit der Nofretete

"Eindeutig ein antikes Original"

In Berlin hat das Neue Museum wieder seine Tore geöffnet, ab heute auch für Besucher - an Bord ein neuer Star: Nofretete. Die weltberühmte antike Büste ist vom Alten ins Neue Museum umgezogen. Erneute Zweifel an der Echtheit der rund 3.300 Jahre alten Büste wiesen die Verantwortlichen im Vofeld vehement zurück.

 (DR)

KNA: Herr Professor Parzinger, bis heute wird die These verbreitet, die Büste der Nofretete sei eine Fälschung von 1912 mit Drahtgestell in der Gipskrone. Was sagen Sie dazu?
Parzinger: Diese Behauptungen tauchen immer wieder mal auf, sie werden dadurch jedoch nicht stichhaltiger. Im Gegenteil, in der Forschung nimmt das kaum mehr jemand wirklich ernst. Innerhalb der Büste gibt es überhaupt keine Drahtgestelle. Dies ist auch eindeutig durch die Computer-Tomographie von 2007 belegt. Die Büste besteht aus einem Kalksteinkern und einer darüber liegenden Gipsschicht mit Bemalung. Es wurden keine anderen Materialien verwendet.
Außerdem konnte bei Untersuchungen der Farbfassung der Büste schon in den 1980er Jahren nachgewiesen werden, dass es sich um Zusammensetzungen handelt, die mit dem Kenntnisstand von 1912 gar nicht hätten gefälscht oder imitiert werden können. Die stilistischen Besonderheiten sprechen ebenfalls eindeutig für ein antikes Original. Die Gesichtszüge sind identisch mit denen einer anderen Kalksteinbüste der Königin, die sich auch im Besitz des Ägyptischen Museums in Berlin befindet und deren Echtheit nie angezweifelt wurde.

KNA: Wie erklären Sie sich, dass die bei der Computer-Tomographie entdeckte "innere Nofretete" im Unterschied zur europäisch anmutenden äußeren Büste Züge von Schwarzafrikanern aufweist?
Parzinger: Die Züge der "inneren Nofretete" können nicht auf diese Weise bezeichnet werden. Sie weisen lediglich noch nicht die feinen Ausführungen des Gesichts der fertigen Büste auf, und die Proportionen waren nicht vollständig ausgewogen. Deshalb wurde insbesondere im Bereich des Halses und der Krone eine dickere Gipsschicht aufgetragen, um der Büste die notwendige Ausgewogenheit zu geben. Im Gesicht wurde eine zum Teil nur einen Millimeter dünne Gipsschicht aufgetragen, die eine detaillierte Modellierung der individuellen Gesichtszüge zuließ. Da diese Züge eindeutig Altersmerkmale zeigen wie Augenfalten und hagere Wangen kann nicht von einer Eitelkeit Nofretetes zur Umarbeitung gesprochen werden. Es ist das besondere künstlerische Merkmal der Amarna-Zeit, dass individuelle Gesichtszüge, die gerade nicht das Ideal betonten, sondern auch Makel zeigen sollten, herausgearbeitet wurden.

KNA: Können Sie sich eine weitere Untersuchung der Nofretete durch ein unabhängiges internationales Forscherteam vorstellen?
Parzinger: Es muss in erster Linie darauf ankommen, dass Nofretete durch kompetente Wissenschaftler untersucht wird. Es gibt verschiedene Untersuchungen an der Nofretete-Büste im Rahmen eines Projektes des Rathgen-Forschungslabors der Staatlichen Museen zu Berlin, das international als weltweit älteste restaurierungs- und konservierungswissenschaftliche Einrichtung einen vorzüglichen Ruf genießt und dessen Sachkompetenz von der UNESCO und anderen internationalen Organisationen immer wieder auch bei vielen heiklen und schwierigen Projekten angefragt und eingesetzt wird. Die Ergebnisse werden dann selbstverständlich der internationalen Fachwelt vorgestellt und mit dieser erörtert werden.

KNA: Halten Sie die Nofretete für reisefähig?
Parzinger: Die aktuellen Untersuchungen an der Büste haben gezeigt, dass auf der Oberfläche viele Farbschollen lose liegen, die sich schon bei geringer Erschütterung lösen könnten. Es wurde deshalb ein spezielles Montage- und Tragegestell für die Büste angefertigt, das aber keinen weiten Transport erlaubt. Weitere Untersuchungen zum Zustand der Büste laufen noch.

KNA: Sehen Sie eine moralische Verpflichtung, die Nofretete - sollte sie reisefähig sein - zur Eröffnung des neuen Ägyptologischen Museums in Kairo in voraussichtlich zwei Jahren zu entleihen?
Parzinger: Nein, die Menschen wollen, dass wir mit den uns anvertrauten Objekten sorgfältig und verantwortungsvoll umgehen und sie nicht einer unnötigen Gefährdung aussetzen. Dies ist unser Auftrag und unsere moralische Verpflichtung. Museumsleiter weltweit kennen diese Einschätzung, sie akzeptieren sie nicht nur, sie würden auch nicht anders handeln.

KNA: Halten Sie es für denkbar, dass die Nofretete auf illegalem Wege nach Deutschland gekommen sein könnte?
Parzinger: Die Fundteilung ist nach den damals angesetzten Maßstäben völlig korrekt durchgeführt worden. Es gab zu jener Zeit ein großes Interesse Ägyptens, ausländische Grabungsteams im Land zu haben, und diesen bot man - wenn sie die Ausgrabung finanzierten - die Fundteilung an, die im Übrigen auch in vielen anderen Ländern praktiziert wurde.