Stiftung will "manipulationssicheres Transplantationswesen"

Trendwende oder nicht?

Immer wenige Menschen sind bereit, nach ihrem Tod ihre Organe zu spenden. Grund dafür ist wohl der Skandal um die Manipulation von Patientenakten. Doch die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) verbreitet Optimismus.

 (DR)

Es klingt nach Zweckoptimismus und Pfeifen im Wald: Von einer Stabilisierung der Organspendezahlen auf niedrigem Niveau spricht die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Doch die am Dienstag veröffentlichte Statistik der ersten zehn Monate des Jahres 2013 spricht eine andere Sprache: Die Zahl der durchgeführten Organspenden sank um weitere 15 Prozent. Die Zahl der gespendeten Organe ging um weitere 12 Prozent zurück. Dabei war - im Zuge des Skandals um die Manipulation von Patientenakten an Transplantationszentren - die Zahl der Organspenden schon 2012 auf einen Tiefststand gesunken.

Kampagnen nutzen wenig

Laut DSO konnten von Januar bis Oktober bundesweit 754 Organspenden realisiert werden - gegenüber 892 im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der gespendeten Organe sank von 3.001 auf 2.647 in den ersten zehn Monaten. Und das alles trotz millionenschwerer Kampagnen von Krankenkassen zur Förderung der Spendenbereitschaft.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz spricht deshalb auch von einem neuen Tiefpunkt für die Transplantationsmedizin. Obwohl immer mehr Deutsche über einen Spendenausweis verfügten, sei das Vertrauen der Bürger immer noch nicht wieder hergestellt. Gebetsmühlenartig fordert Vorstand Eugen Brysch "echte Reformen". "Als Patientenschützer erleben wir, dass die Beteiligten dieses Systems unfähig sind, die Fehler bei sich zu suchen." Es mangele weiterhin an Transparenz.

Trendwende oder nicht?

"Patienten werden nicht unterstützt, wenn es um ihr Einsichtsrecht auf die Warteliste geht", so die Bilanz des Patientenschützers. "Fehlanzeige, wenn es um die Frage der gerichtlichen Überprüfung von Wartelistenentscheidungen geht."

Demgegenüber verwies DSO-Chef Rainer Hess darauf, dass die Verantwortlichen zahlreiche Maßnahmen ergriffen hätten, um ein "manipulationssicheres Transplantationswesen" zu erreichen. "Die Weichen für eine Trendwende sind bereits gestellt", sagte er.

Hess kann auf mehrere Gesetzesänderungen des Bundestags und Reformschritte von Bundesärztekammer und DSO verweisen. So legte Anfang September eine Überwachungskommission einen Abschlussbericht zu den Manipulationsvorwürfen vor. Demnach sind die Kontrolleure in 4 von 24 untersuchten Transplantationszentren auf schwerwiegende Verstöße gestoßen.

Staatliche Aufsicht

Mitte August hatte auch die DSO Konsequenzen aus dem Transplantationsskandal verkündet. Das Ziel: Die DSO hat einen stärker öffentlich-rechtlichen Charakter mit staatlicher Aufsicht erhalten. Angestrebt wird darüber hinaus eine bessere Führungskultur in der Stiftung, die für die Koordinierung der Organspende zuständig ist und schon seit längerem wegen Missmanagements in der Kritik stand. Künftig sind auch das Bundesgesundheitsministerium und die Gesundheitsministerkonferenz der Länder im Aufsichtsgremium vertreten. Mitglieder ohne Stimmrecht sind zwei Patientenvertreter.

Zur besseren Transparenz strebt die DSO nun noch ein Transplantationsregister mit Spender und Empfängerdaten an. Hierfür muss der Gesetzgeber aber erst noch die Datenschutzrechtlichen Voraussetzungen schaffen. 

Der Bundestag hat bereits mehrfach auf die Krise reagiert. Im Juni beschloss das Parlament eine Änderung des Transplantationsgesetzes, das Manipulationen verhindern soll. Es sieht für Ärzte, die Manipulationen an Wartelisten vornehmen, eine "Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe" vor. Zudem muss sich die Bundesärztekammer die Richtlinien, nach denen Herzen, Lungen, Lebern, Nieren und Bauchspeicheldrüsen vergeben werden, künftig vom Gesundheitsministerium genehmigen lassen. Bereits 2012 hatte das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das den Krankenkassen vorschreibt, jeden Bürger regelmäßig über Organspenden aufzuklären. Außerdem müssen seitdem alle Kliniken mit Intensivstation einen Transplantationsbeauftragten ernennen.

Vertrauensstelle geschaffen

Die Bundesärztekammer führte im August 2012 das "Mehraugenprinzip" in den Transplantationszentren ein, bei dem ein unabhängiger Arzt feststellen muss, wie krank der Empfänger wirklich ist, damit die Liste nicht mehr gefälscht werden kann. Auch fachübergreifende Transplantationskonferenzen sollen dazu beitragen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Geschaffen wurde darüber hinaus eine bundesweite Vertrauensstelle Transplantationsmedizin, bei der Betroffene (auch anonym) Auffälligkeiten melden können.


Quelle:
KNA