Stichwahl um Präsidentenamt in Kolumbien

"Wir alle müssen in Frieden zusammenleben"

Am Sonntag wird in Kolumbien ein neuer Präsident gewählt. Mitten im Friedensprozess zeigen sich Linkskandidat Gustavo Petro und der konservative Ivan Duque wenig versöhnlich. Es steht eine Richtungsentscheidung an.

Junge mit kolumbianischer Flagge / © Leonardo Munoz (dpa)
Junge mit kolumbianischer Flagge / © Leonardo Munoz ( dpa )

Vielleicht kann es ja der Fußball richten. Zumindest Bogotas Erzbischof, Kardinal Ruben Salazar Gomez, setzt seine Hoffnung darauf. Am Dienstag, zwei Tage nach der Stichwahl um das Präsidentenamt zwischen Linkskandidat Gustavo Petro und dem konservativen Favoriten Ivan Duque, absolviert Kolumbiens Fußballnationalmannschaft bei der WM in Russland ihr Auftaktspiel.

Das sei eine gute Gelegenheit, um an Gemeinsamkeiten zu denken, so der Geistliche. "Der Fußball ist eine Leidenschaft, der weltweit Massen bewegt", sagte Salazar in dieser Woche. "Die Begeisterung für unsere Nationalmannschaft lässt uns fühlen wie Brüder." Die WM sei zwar ein Wettstreit, bei dem nur eine Mannschaft gewinnen könne. "Aber wir alle müssen in Frieden zusammenleben."

Zwei tief zerstrittene Lager

Zurzeit sind die kolumbianischen Brüder und Schwestern allerdings in zwei höchst unterschiedliche Lager geteilt. Die Umfragen vor der Stichwahl am Sonntag sagen einen Sieg von Rechtskandidat Duque voraus. Der 41-Jährige stammt aus dem Lager des rechtskonservativen, noch immer sehr populären Ex-Präsidenten Alvaro Uribe (2002-2010). Duques Kritiker werfen dem jugendlich wirkenden Politiker vor, nur eine Marionette Uribes zu sein.

Duque sei gegen den mit der ehemaligen Guerilla-Organisation FARC geschlossenen Friedensvertrag, heißt es aus dem Lager Gustavo Petros (58). Duque kontert: "Ich will lediglich Teile des Friedensvertrages modifizieren." Umgekehrt lauten die Vorwürfe des Duque-Lagers gegen Petro, das ehemalige Mitglied der linken Rebellengruppe M-19 wolle Kolumbien in ein zweites Venezuela verwandeln, plane Verstaatlichungen und eine Verfassungsänderung. Petro widerspricht und ließ seine Versprechen jüngst sogar symbolisch in Stein meißeln.

Was bleibt, sind zwei tief zerstrittene Lager, die sich misstrauisch gegenüberstehen. Schwer vorstellbar, dass im Anschluss an die Entscheidung am Sonntag – nach einem langen Wahlkampf voller gegenseitiger Vorwürfe – schnell zu einem versöhnlichen Ton zurückgefunden werden kann.

Zäsur für Kolumbien

In jedem Fall ist die Wahl eine Zäsur für Kolumbien: Noch nie konnte ein Linkspolitiker so viele Stimmen auf sich vereinen wie Petro, dem ein Ergebnis zwischen 35 und 42 Prozent vorausgesagt wird. Seine Bewegung für ein menschliches Kolumbien "Colombia Humana" umfasst linksradikale Splittergruppen ebenso wie moderate sozialdemokratische und ökologische Strömungen.

Gelingt am Wochenende kein Sensationssieg, wird sie als neue starke Oppositionskraft einer nach rechts gerückten Regierung Druck machen.

Von einer "Richtungsentscheidung" spricht auch die Kolumbien-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Monika Lauer Perez. Kolumbianer haben zum ersten Mal eine echte Wahl zwischen zwei klar voneinander unterschiedenen politischen , betonte sie am Freitag. Auch international blicke man auf die Abstimmung in Kolumbien, da sie als Entscheidung über das 2016 abgeschlossene Friedensabkommen mit der FARC wahrgenommen werde.

ELN möchte Friedensverhandlungen fortsetzen

Amtsinhaber Juan Manuel Santos, der für seine Friedensbemühungen den Friedensnobelpreis erhielt, darf gemäß der Verfassung nach zwei Amtszeiten in Folge nicht erneut kandidieren. Derzeit befindet sich die Santos-Regierung in Friedensgesprächen mit der ELN-Guerilla, der – nach der inzwischen zur Partei umgewandelten FARC – zweitgrößten Rebellengruppe des südamerikanischen Landes.

Bei aller Polarisierung rund um den Wahlkampf gibt es auch gute Nachrichten: Die ELN erklärte zuletzt ihre Bereitschaft, die Friedensverhandlungen mit jedem der beiden zur Wahl stehenden Kandidaten fortzusetzen. Zudem kündigte sie eine fünftägige Waffenruhe an. Bereits beim ersten Urnengang vor drei Wochen hatten die Rebellen ihre militärischen Aktivitäten eingestellt und damit zur friedlichsten Wahlrunde der vergangenen Jahrzehnte beigetragen.

 Von Tobias Käufer


Iván Duque  / © Luisa González (dpa)
Iván Duque / © Luisa González ( dpa )

Gustavo Petro / © Leonardo Munoz (dpa)
Gustavo Petro / © Leonardo Munoz ( dpa )

Rubén Dario Kardinal Salazar Gómez / ©  Harald Oppitz (KNA)
Rubén Dario Kardinal Salazar Gómez / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA