Nach dem Verzicht der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf auf die Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht hat die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, ihre ablehnende Haltung verteidigt.
Stetter-Karp hatte erklärt, für sie wäre Brosius-Gersdorf nicht wählbar, weil sie öffentlich erklärt habe, es gebe "gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt".
Der Paragraf 218 und seine Zukunft seien "keine beliebige Frage", sagte die Vertreterin der höchsten katholischen Laienorganisation in Deutschland in einem Interview der Zeitschrift "Publik-Forum" (Montag online). Denn es gehe darum, "wie das Thema Menschenwürde in Deutschland in Zukunft vom Bundesverfassungsgericht behandelt wird".
Menschenwürde mit Können verknüpft?
Wenn die Menschenwürde nicht mit dem Zeitpunkt der Einnistung der befruchteten Eizelle verbunden werde, bestehe "die Gefahr, dass die Menschenwürde gebunden wird an das Vermögen eines Menschen, an sein Können, an seine Ratio", sagte Stetter-Karp. "Und das hat nicht nur Folgen für den Paragraphen 218, sondern auch für Menschen mit Beeinträchtigungen und für die Frage der Suizidassistenz am Lebensende", so die ZdK-Präsidentin. "Die Frage der Menschenwürde berührt indirekt auch die Frage nach der Legalisierung des Tötens." Es handele sich also nicht um eine kleine juristische Frage.
Brosius-Gersdorf hatte am Donnerstag ihre Kandidatur zurückgezogen, weil es in der Unionsfraktion anhaltenden Widerstand gegen ihre Wahl gegeben hatte. Die an der Universität Potsdam lehrende Juristin war von der SPD als Kandidatin für das Richteramt vorgeschlagen worden.
Ihre Wahl sowie die Wahl zweier weiterer Kandidaten waren am 11. Juli von der Tagesordnung genommen worden.
"Existentielle Fragen"
Stetter-Karp sagte, sie sei bestürzt "über die Form der öffentlichen Debatte und die Art der Auseinandersetzung". Darunter habe die notwendige inhaltliche Auseinandersetzung gelitten. Sie wandte sich dagegen, "dass rechtspopulistisch gelenkte Kampagnen die Tagespolitik entscheiden". Das hoch komplexe Thema Abtreibung dürfe nicht zum Gegenstand von Kulturkämpfen werden.
Der Ton in der Debatte habe sie "entsetzt". Wenn eine "solch massive Verrohung in der öffentlichen Debatte" einsetze, müsse "die Person geschützt werden", betonte die ZdK-Präsidentin. "Zugleich darf sich der an existenziellen Fragen interessierte demokratische Diskurs nicht mundtot machen lassen. Sonst haben es rechte Kräfte nämlich geschafft, die Demokratie lahmzulegen."