Sternsinger und ein Kardinal in der Polizeikontrolle

Terrorwarnung und Segensbringer

In diesem Jahr ist alles anders: merklich weniger kleine gekrönte Häupter im Kölner Dom, dafür auf der Domplatte ein großes Aufgebot an Polizei. Jeder, der an der Wort-Gottes-Feier teilnehmen will, wird gescannt. Auch der Erzbischof.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Besondere Sicherheitsbedingungen auch für die Sternsinger und Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti (DR)
Besondere Sicherheitsbedingungen auch für die Sternsinger und Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Alle zeigen Verständnis für die Vorsichtsmaßnahmen und bewahren Ruhe. Inzwischen hat es längst die Runde gemacht, dass Kölns Kathedrale zur Zeit bewacht wird wie ein Hochsicherheitstrakt und gerade nicht für Touristen, sondern allein für Gottesdienstbesucher geöffnet wird. Das mag manch einen, der sonst vielleicht an diesem Vormittag gekommen wäre, abschrecken. Denn man solle Zeit mitbringen, heißt es immer wieder. 

Folglich gibt es keinen großen Andrang, die Wartezeit ist kurz. Denn die Schlange vor den beiden auf der Domplatte aufgeschlagenen Zelten, die jeder vor Eintritt in den Dom passieren muss, ist überschaubar geworden. Nur Reisende von weit her schauen etwas irritiert, wenn ihnen erklärt wird, warum diese akribischen Einlasskontrollen gerade sein müssen. Doch niemand rebelliert. Dass alles für die Sicherheit der Menschen getan wird, honorieren die meisten mit Anerkennung und Dank.

Inzwischen ist die Anspannung der letzten Tage, als es kurz vor Weihnachten eine ernst zu nehmende Terrorwarnung für den Dom gab, einer gewissen Gelassenheit gewichen. Geduldig lassen sich eine Stunde vor Beginn der alljährlichen Aussendungsfeier der Sternsinger die Kinder und ihre erwachsenen Begleitpersonen abtasten und mit einem Körperscanner zusätzlich kontrollieren. Wer in den Dom will, muss an einer beachtlichen Zahl an Polizistinnen und Polizisten vorbei. Der Zugang ist klar geregelt. Ausnahmen werden nicht gemacht. Auch nicht für den Kardinal. Freundlich kommentiert er den Check, für den er bereitwillig in die Taschen von Mantel und Soutane greift, um zu zeigen, was er an Gegenständen direkt am Körper mit sich trägt. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Die Verantwortlichen nehmen ihren Auftrag ernst. 

Kardinal Woelki dankt Sternsingern für ihr Kommen

Drinnen, wo in der Regel an einem Tag wie diesem mehrere hundert bunte Königinnen und Könige in den Kostümen von Caspar, Melchior und Balthasar schon lange vor Gottesdienstbeginn die besten Plätze besetzen, ist es merklich leerer als sonst. Das kommentiert auch der Kölner Erzbischof gleich bei seiner Begrüßung, der den Kindern anschaulich die Situation erklärt, auch von den Befürchtungen spricht, die es gegeben hat, und denjenigen dankt, die sich von den Vorgängen rund um den Dom nicht haben abschrecken lassen. „Ich heiße Euch von Herzen am Schrein der Heiligen drei Könige willkommen und bin Euch total dankbar, dass Ihr in dieser besonderen Situation dennoch den Weg auf Euch genommen habt.“ Sehr bewusst kommentiert er die Bedrohungslage, die kurz vor Heiligabend öffentlich geworden war, und versichert, dass seit Tagen das zahlreiche Polizeipersonal für den Schutz im Dom sorgen würde. Wörtlich sagt er: „Schön, dass Ihr da seid und den Mut hattet zu kommen.“

Zu denen, die sich von Kardinal Woelki persönlich in die Straßen ihrer Gemeinden aussenden lassen wollen, gehört auch eine Gruppe aus der Pastoralen Einheit Erftstadt, die von Pastoralreferent Thomas Blum begleitet wird. Unter ihnen ist der achtjährige Luis, einer von insgesamt etwa 200 Sternsingern in dieser großen Seelsorgeeinheit, die in den Tagen rund um den 6. Januar in den lokalen Pfarreien durch die Straßen ziehen, um den Menschen den Segen „Christus mansionem benedicat“ zu bringen und Spenden für die Kinder in Amazonien zu sammeln. Denn sie sind es, denen 2024 unter dem diesjährigen Motto „Gemeinsam für unsere Erde in Amazonien und weltweit“ die ganze Aufmerksamkeit und Solidarität gilt. 

Aussendungsfeier der Sternsinger im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Aussendungsfeier der Sternsinger im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Dabei geht es um die Bewahrung der Schöpfung und den respektvollen Umgang mit Mensch und Natur. Denn Brandrodung, Abholzung und die rücksichtslose Ausbeutung von Ressourcen – das macht den Kindern auch Kardinal Woelki in seiner Katechese deutlich – zerstören die Lebensgrundlage der einheimischen Bevölkerung der südamerikanischen Länder Amazoniens und damit auch die Chancen der dort aufwachsenden Kinder. In dieser Region und an vielen anderen Orten der Welt setzen sich Partnerorganisationen der Sternsinger dafür ein, dass das Recht der Kinder auf eine geschützte Umwelt umgesetzt wird und nachhaltige Projekte entstehen. 

Sophia, 9 Jahre

"Es macht Spaß, anderen etwas Gutes zu tun."

Luis ist Kommunionkind und zum ersten Mal bei der Aussendungsfeier mit dabei. Nach seiner Motivation befragt, formuliert er entschieden: „ Ich möchte mehr teilhaben an Kirche und mehr Zeit haben für Gott.“ In der Kommunionvorbereitung habe er das für sich erkannt. Deshalb habe er auch im Krippenspiel zu Weihnachten mitgemacht und sei da in die Rolle eines Sterns geschlüpft. Auch auf seine Mitwirkung als Sternsinger freue er sich nun sehr.

„Es macht Spaß, anderen etwas Gutes zu tun“, erklärt Sophia. Die Neunjährige ist bereits zum vierten Mal mit dabei, „weil es eine Aktion von Kindern für Kinder ist“. Das ist ihr wichtig. „Es gibt Menschen, die sind auf unsere Hilfe angewiesen, weil sie sich nicht selbst helfen können“, sagt Carlina. Und Julia freut sich, weil die Menschen an der Haustür meist sehr freundlich seien, wenn die Sternsinger kämen. Vier Tage lang wird sie in einer festen Gruppe mit Freunden von Haus zu Hause ziehen. „Und natürlich haben wir den Ehrgeiz, das Spendenergebnis aus dem Vorjahr immer noch zu toppen“, lacht die 13-Jährige. 

Auch Teilnehmer aus den Niederlanden

Dass es bei der Aktion Dreikönigssingen um eine Tradition geht, die es in Ehren zuhalten gelte, betont eine Gruppe von Sternsingern, die deutlich jenseits der 60 sind und mit ihren aufwendigen Gewändern und Kronen nochmals aus der Menge herausstechen. Eigens aus dem niederländischen Landgraaf an der Grenze zu Aachen hat sie sich am frühen Morgen aufgemacht, um sich ebenfalls vom Kölner Erzbischof für ihren Dienst segnen zu lassen. „Bei uns gibt es keine Sternsinger, trotzdem sammeln wir immer in der Weihnachtszeit Spenden für Kinder und Jugendliche“, erklärt Sjo Koch. Er habe im Internet gelesen, dass es in Köln eine solche Aussendungsfeier gebe. Zum zehnjährigen Bestehen dieser eher privaten Initiative wollte man jetzt unbedingt im Dom den Segen dazu empfangen. „Und wo kann eine Dreikönigsaktion passender starten als am Kölner Dreikönigenschrein!“, so Koch.

Aussendungsfeier der Sternsinger im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Aussendungsfeier der Sternsinger im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

In seiner Predigt nimmt Kardinal Woelki zunächst Bezug auf das Kind in der Krippe, indem er erklärt, dass Kinder weltweit in ganz unterschiedliche familiäre Verhältnisse geboren würden und diese Unterschiede von Geburt an bereits prägend für die spätere Entwicklung sein könnten. Er macht seinen kleinen Zuhörerinnen und Zuhörern anschaulich, dass Kinder aus einem sogenannten „gehobenen“ bürgerlichen Haushalt sehr viel mehr Chancen hätten als gleichaltrige aus einem ärmeren Milieu, diese viel weniger Ansprache hätten, sie aber darüber ihre eigene Sprachfähigkeit erlernten und diese für die spätere Entfaltung mit entscheidend sein könne. Bis zu seinem 4. Geburtstag höre ein Kind 30 Millionen Worte und erlerne auf diese Weise, selbst zu sprechen, sagt der Kölner Erzbischof. Dem stellt er gegenüber, dass zu Weihnachten Gott nur ein einziges Wort gesprochen habe: nämlich Jesus. 

Kardinal Woelki

"Benachteiligungen müssen aufgehoben werden, damit sich jedes Kind entfalten und sein Leben gelingen kann."

„Mit diesem einen Wort spricht er von Mensch zu Mensch, auf der Ebene von Du zu Du“, unterstreicht Woelki. Damit sage Gott – ganz unabhängig davon, woher jemand komme, ob er jung oder alt, arm oder reich, weiß oder schwarz sei: Du gehörst zu mir. Deshalb sei es auch so wichtig, denen zu helfen, denen es nicht gut gehe – wie den Kindern in Amazonien. „Benachteiligungen müssen aufgehoben werden, damit sich jedes Kind entfalten und sein Leben gelingen kann“, mahnt der Kardinal.

Aussendungsfeier der Sternsinger im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Aussendungsfeier der Sternsinger im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Und er fordert, angesichts der bedrohten Umwelt sensibler mit der Erde umzugehen. Er spricht das Artensterben an und die Erderwärmung, den Treibhauseffekt, der Leben unmöglich mache, und die Abholzung des Regenwaldes. Abschließend dankt er den versammelten Sternsingern aus dem ganzen Erzbistum dafür, sich für Kinder in Amazonien einzusetzen und erfahrbar zu machen, dass Gott ausnahmslos jeden Menschen auf der Welt liebt. Dann segnet er die Kreide, den Weihrauch und schließlich die Kinder selbst, bevor er sie zu ihrem Dienst Anfang Januar aussendet und mit allen gemeinsam am Schrein der Heiligen Drei Könige vorbeizieht.

 

Quelle:
DR