Erster Lateinamerikaner an der Spitze der US-Bischofskonferenz

"Statement gegen Trump und für Einwanderer"

Das gab es noch nie: Ein Lateinamerikaner an der Spitze der US-Bischofskonferenz. Die Wahl auf den gebürtigen Mexikaner Jose Gomez ist kein Zufall, glaubt Amerika-Kenner und Jesuitenpater Godehard Brüntrup. Wohin steuert die US-Kirche jetzt?

Jesusstatue mit US-Flagge / © Bradley Birkholz (KNA)
Jesusstatue mit US-Flagge / © Bradley Birkholz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Zeichen und vor allem wie findet das US-Präsident Trump, der ja keine Gelegenheit auslässt, lateinamerikanische Einwanderer zu beschimpfen und zu diskreditieren?

Prof. P. Dr. Godehard Brüntrup SJ (Jesuit): Zunächst einmal hat es schon in der Geschichte den Fall gegeben, dass ein Einwanderer dieses Amt innehatte. Es war ein irischer Einwanderer, aber das ist länger her.

Es drückt aus, dass die US-amerikanische katholische Kirche mehr und mehr eine Einwandererkirche ist, dass die Gruppe der sogenannten Hispanics, also der Spanisch sprechenden Katholiken, immer größer und einflussreicher wird. Und das drückt sich auch in dieser Wahl aus, die natürlich in gewisser Weise eine Routine-Wahl war, weil er der Stellvertreter war. Es ist eine alte Tradition, dass man den Stellvertreter wählt.

Es ist in dem Sinne also keine Sensation. Aber die katholische Kirche drückt aus, dass sie für die Einwanderer ist. Und die Wahl ist auch in gewisser Weise ein Statement gegen Trump.

DOMRADIO.DE: Der neue Vorsitzende Jose Gomez ist Erzbischof von Los Angeles. Was ist er für ein Mann?

Brüntrup: Er gilt mittlerweile als ein Mann des Ausgleichs. Es gibt zwei Flügel in der US-amerikanischen katholischen Bischofskonferenz. Den einen nennt man "die Kulturkämpfer", die "Culture Warriors": Sie streiten mit der gegenwärtigen amerikanischen, säkularen Kultur, etwa in der Abtreibungsfrage, und in anderen Dingen. Und die anderen sind eher sozial engagiert und streiten für soziale Gerechtigkeit und andere Themen wie Armut, Dritte Welt. Diese zweite Gruppe steht Franziskus sehr nahe, während die erste Gruppe oft Franziskus-kritisch ist.

Man kann von Gomez sagen, dass er eine Brücke sein will zwischen diesen beiden Gruppen. Das hat er immer behauptet und in Los Angeles auch so gelebt. Er meint, dass die Kulturkämpfe und die Kämpfer für soziale Gerechtigkeit zusammenkommen sollen. Insofern ist er ein Kandidat der Mitte.

DOMRADIO.DE: Er ist Brückenbauer auf der einen Seite, aber auch zugleich beim Opus Dei. Wie passt das denn zusammen?  

Brüntrup: Er war beim Opus Dei. Er kann natürlich als Bischof nicht mehr im Opus Dei sein, er untersteht direkt dem Papst und nicht seinen Oberen im Opus Dei. Aber er ist in das Opus Dei eingetreten, ist von daher entsprechend geprägt. Er ist jetzt – wie er auch klar sagt – nicht mehr Mitglied des Opus Dei. Aber sein theologischer Hintergrund ist sicher konservativ.

In dem Streit der amerikanischen Bischöfe hat er sich aber nie eindeutig auf die Seite der Kulturkämpfer gestellt, sondern er hat immer gesagt: "Die andere Gruppe, die für soziale Gerechtigkeit kämpft und für die Umweltschutz, Klimawandel, Nord-Süd-Konflikt und Einwanderung die großen Fragen der Zeit sind, ist für mich genauso wichtig." Man kann ihn also nicht einfach in diese Schublade stecken.

DOMRADIO.DE: Kann man jetzt davon ausgehen, dass sich die katholische Kirche künftig noch deutlicher positioniert, wenn US-Präsident Trump wieder lateinamerikanische Einwanderer beschimpft und diskreditiert?

Brüntrup: Sie hat sich ja schon sehr klar aufgestellt und man kann damit rechnen, dass sie sich unter diesem Vorsitzenden noch klarer in dieser Frage positionieren wird: pro Einwanderung, pro Asyl und überhaupt gegen die Devise "America First", aber für eine globale, international ausgerichtete katholische Kirche. Das wird unter diesem Vorsitzenden noch einmal deutlicher werden, da bin ich sicher.

DOMRADIO.DE: Weitere Themen, die Gomez beschäftigen werden, sind Missbrauchsskandal und Vertuschung. Die Glaubwürdigkeit der Kirche in den USA hat sehr darunter gelitten. Was ist da von ihm zu erwarten? Wie hat er sich da in der vergangenen Zeit positioniert?

Brüntrup: Das wird abzuwarten sein. Die Bischöfe haben sehr gut in den USA mit den Priestern gearbeitet. Sie haben sehr gute Programme auf den Weg gebracht – mit großem Erfolg, etwa in der Ausbildung der Priester und in der strengen Kontrolle der Priester sowie in der Beseitigung derjenigen Priester aus dem aktiven Dienst, die sich etwas zuschulden kommen lassen haben.

Was die Bischöfe nicht getan haben, das haben die letzten Jahre gezeigt: Sie haben nicht für sich selbst ähnliche Kontrollmechanismen etabliert. Deshalb gab es auch Missbrauchsfälle und Vertuschung in den eigenen Reihen, wie der Fall Theodore McCarrick zeigt. Das ist die Herausforderung: Können sich die Bischöfe selbst kontrollieren? Sie haben es sehr gut mit dem allgemeinen Klerus getan, sogar vorbildlich, würde ich sagen. Aber jetzt steht die Frage an: Können die Bischöfe sich selbst kontrollieren?

DOMRADIO.DE: Was erwarten Sie denn von ihm?

Brüntrup: Die interessantere Frage ist eher, wer jetzt als sein Stellvertreter gewählt wurde. Das ist Erzbischof Allen Vigneron (Anm.d.Red.: Erzbischof von Detroit). Und der wurde eher vom rechten Flügel gewählt. Der wäre ja in drei Jahren dann der normale Nachfolger. Allerdings ist er dann schon so vorgerückt im Alter, dass er die eine Amtszeit von drei Jahren gar nicht durchstehen würde, bevor er nicht das 75. Lebensjahr erreicht, wo er als Bischof aus dem Amt scheidet. Vielleicht kann man also auf diese Wahl nicht viel geben.

Aber momentan sehe ich das eher als ein Signal, dass die beiden Flügel - der eher pro-Franziskus und sozial engagierte Flügel und der kulturkämpferische Anti-Abtreibungs-Flügel - in dieser Person vielleicht sogar zusammengeführt werden könnten. Also ich sehe eher eine Chance, muss ich sagen.

Das Interview führte Martin Bornemeier.


Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ (HfPH)
Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ / ( HfPH )

Erzbischof Jose Horacio Gomez Velasco / © Paul Haring (KNA)
Erzbischof Jose Horacio Gomez Velasco / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
DR