Starke Kritik an US-Entscheidung über Jerusalem als Hauptstadt

"Jerusalem hat besondere Berufung zum Frieden"

Als Reaktion auf die bevorstehende Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch die USA haben Palästinenser zu "Tagen des Zorns" aufgerufen. Papst Franziskus zeigte sich tief besorgt: Jerusalem habe eine besondere Berufung zum Frieden.

Tempelberg mit Felsendom (Mitte) / © Oded Balilty (dpa)
Tempelberg mit Felsendom (Mitte) / © Oded Balilty ( dpa )

Die von der Palästinenserbehörde unterstützten Proteste im Westjordanland sollen an diesem Mittwoch beginnen. Die Hauptkundgebung wird laut örtlichen Medienberichten demnach am Donnerstag in Ramallah stattfinden. Israel verschärfte unterdessen aufgrund der angespannten Lage seine Sicherheitsvorkehrungen.

Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump Berichten zufolge in einem Telefonat mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas am Dienstag die Verlegung der Botschaft angekündigt. Dem Vernehmen nach will Trump seine Entscheidung am Mittwochabend öffentlich mitteilen. Abbas habe Trump vor den schwerwiegenden Folgen des geplanten Umzugs für Sicherheit und Stabilität der Region und der Welt gewarnt, teilte ein Sprecher des Palästinenserführers mit. Zudem habe sich Abbas nach dem Gespräch an mehrere ausländische Regierungschefs sowie an den Papst gewandt, um das Vorhaben der US-Regierung zu verhindern.

Franziskus: Dringender Appell, Status quo Jerusalems

Papst Franziskus zeigt sich "tief besorgt" über die Situation um Jerusalem. Er hoffe, dass sich "Weisheit und Klugheit durchsetzen", damit keine neuen Spannungen zu der schon von Konflikten gezeichneten Weltlage hinzukämen, sagte er am Ende seiner Generalaudienz am Mittwoch im Vatikan. Gleichzeitig richtete er einen "dringenden Appell" an alle, den Status quo der Stadt und die Resolutionen der Vereinten Nationen zu respektieren.

Jerusalem sei Juden, Christen und Muslimen heilig und habe eine "besondere Berufung zum Frieden", so der Papst. Diese Identität Jerusalems müsse bewahrt und gestärkt werden zum Wohl des ganzen Heiligen Landes und des ganzen Nahen Ostens.

Erzbischof Tomasi: USA stiften Trennung statt Einheit

Auch der langjährige vatikanische UN-Diplomat Erzbischof Silvano Tomasi hat die Entscheidung der USA kritisiert, ihre Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. In einem Interview mit Radio Vatikan am Mittwoch sagte der frühere Ständige Beobachter bei der UNO, mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem werde eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina wesentlich schwieriger. Der Vatikan aber unterstütze eine solche Lösung schon lange.

In dem Zusammenhang kritisierte Tomasi auch andere Maßnahmen der Trump-Regierung wie das Einreiseverbot für Menschen aus sechs vorwiegend muslimischen Ländern sowie den Rückzug Washingtons aus Verhandlungen zu einem internationalen Migrations- und Flüchtlingspakt. Alle diese Maßnahmen verschärften die Lage. Die Haltung der US-Regierung "stiftet somit sehr viel Trennung anstatt Einheit. Es fehlt an gutem Willen, mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten", so Tomasi.

Tomasi: Keine einseitigen Beschlüsse

Gesten und Äußerungen, "die den internationalen Konsens zerbrechen, bergen die Gefahr neuer Gewaltausbrüche", warnte Tomasi. Stattdessen müsse man "versuchen, eine solche Politik mit allen möglichen Mitteln zu verhindern." In den Beziehungen zwischen Staaten könne man nicht einfach einseitige Beschlüsse fassen. Während seiner langjährigen Tätigkeit als Vatikandiplomat habe er immer wieder festgestellt, dass es international "vertiefte Zusammenarbeit" brauche.

Tomasi (77) war in den 1990er Jahren Apostolischer Nuntius in Äthiopien und Eritrea sowie später in Dschibuti. Von 2003 bis 2016 war er Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf.

Propst von Jerusalem fürchtet neue Gewalt in Nahost

Der EKD-Repräsentant im Heiligen Land, Wolfgang Schmidt, betrachtet die Pläne von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen, "mit großer Sorge". Sie könnten das Ende des Friedensprozesses im Nahen Osten bedeuten, sagte Schmidt am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Als Propst an der Jerusalemer Erlöserkirche vertritt er seit 2012 die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) im Heiligen Land.

Das US-Konsulat in Jerusalem untersagte derweil Regierungsmitarbeitern und ihren Familien private Aufenthalte in der Jerusalemer Altstadt sowie im Westjordanland. Dienstliche Reisen seien nur in dringenden Fällen und mit zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen erlaubt, heißt es in einer per Twitter verbreiteten Mitteilung. Das Konsulat rief alle US-Bürger in der Region auf, Menschenansammlungen sowie Plätze mit verstärkter Militär- oder Polizeipräsenz zu meiden.

Ursprünglich war bereits am Montag mit einer Entscheidung Trumps zum Umzug der Botschaft nach Jerusalem gerechnet worden. Gegenwärtig befinden sich alle ausländischen Botschaften in Israel in Tel Aviv. Der völkerrechtliche Status Jerusalems ist international ungeklärt. Die Palästinenser beanspruchen Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates für sich.

Israelischer Minister: Nicht vor Gewaltandrohung kapitulieren

Israels Bildungsminister Naftali Bennett begrüßt den offenbar geplanten Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Der "Bild"-Zeitung (Mittwoch) sagte Bennett: "So, wie unsere Botschaften in Berlin und Washington sind, und nicht in München und New York, sollten die Botschaften auch in Jerusalem sein."

Zur Furcht vor möglichen gewalttätigen Reaktionen sagte der Minister, der auch Mitglied in Ministerpräsident Benjamin Netanjahus Sicherheitskabinett ist: "Israel ist stark. Staaten sollten nicht vor Gewaltandrohung kapitulieren, sondern das Richtige tun."

Bundesregierung: Warnung vor Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt

Der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, Jürgen Hardt (CDU), warnt die USA vor einer Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt. "Mit der Entscheidung, Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anzuerkennen oder gar die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, würden sich die USA in eine strategisch schwierige Lage bringen", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch).

Sie würden sich als Vermittler für weitere Friedensgespräche im Nahen Osten "selbst aus dem Spiel nehmen", so der Experte. Er mahne deshalb zur Zurückhaltung. Washington würde laut seiner Einschätzung radikale Kräfte in der islamischen Welt weiter gegen sich aufbringen, was unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheit in den Vereinigten Staaten hätte. "Die deutsche Position ist klar. Die deutsche Botschaft bleibt in Tel Aviv. Über den Status Jerusalems können nur die Konfliktparteien Israel und Palästina selbst entscheiden", sagte Hardt weiter.

Deutsche Botschaft ruft zu Vorsicht auf

Im Vorfeld der für Mittwochabend angekündigten Rede von US-Präsident Trump zur Jerusalem-Frage haben die deutsche Botschaft in Tel Aviv und das Vertretungsbüro in Ramallah zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen. Neuralgische Punkte wie der Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt sowie Menschenansammlungen seien zu meiden, heißt es in einem Sicherheitshinweis vom Mittwoch.

Es könne zu Demonstrationen in Jerusalem, dem Westjordanland und dem Gazastreifen sowie vor US-Einrichtungen kommen. Auch gewalttätige Ausschreitungen seien nicht auszuschließen. Bundesbürger sind aufgerufen, Abstand von israelischen Sicherheitskräften zu halten und die Entwicklung der aktuellen Lage in den Medien zu verfolgen.

Straßenfeiern in Jerusalem geplant

Die für Mittwochabend angekündigte Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA soll in der Heiligen Stadt öffentlich gefeiert werden. Wie der israelische Sender "KAN-News" berichtet, plant die Stadtverwaltung für den Abend Straßenfeiern. Nach der erwarteten Rede des US-Präsidenten sollen die Menschen "wie im November" feiern, so die Verwaltung in Anspielung auf Freudenbekundungen nach der Annahme des UN-Teilungsplans für Palästina im November 1947. Israelische Sicherheitskräfte bereiten sich laut Medienberichten auf eine mögliche Eskalation der Lage vor.


Quelle:
KNA