Musik von Dvořák

"Stabat mater"

Der böhmische Komponist Antonín Dvořák schrieb im 19. Jahrhundert überwiegend weltliche Werke symphonischer und kammermusikalischer Gattung. Unter den geistlichen Kompositionen sticht vor allem das "Stabat Mater" hervor.

Kölner Kirchenhistoriker Norbert Trippen stirbt im Alter von 80 Jahren / © Federico Gambarini (dpa)
Kölner Kirchenhistoriker Norbert Trippen stirbt im Alter von 80 Jahren / © Federico Gambarini ( dpa )

Zugrunde liegt der Text der gleichnamigen Sequenz aus dem 13. Jahrhundert. Diese wurde am Fest der Sieben Schmerzen Mariens am 15. September unmittelbar nach dem Halleluja der Messfeier gesungen und ist als eine der wenigen Sequenzen in der Liturgie der Kirche bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben.

In dem Text wird die Gottesmutter Maria in ihrem Schmerz um ihren gekreuzigten Sohn besungen. Dvořák schrieb sein "Stabat Mater" 1876/77 nicht für den Gottesdienst, sondern für das Konzert. Er verarbeitete mit dem Werk den Tod seiner drei Kinder.

Die Erstaufführung 1880 in Prag und vor allem die in London drei Jahre später waren trotz des düsteren Themas ein triumphaler Erfolg und sorgten für den Durchbruch des Komponisten. Der Anfang und der Schluss der insgesamt zehn Abschnitte des Werks sind die tragenden Pfeiler der musikalischen Gesamtarchitektur. Eine besondere Dramaturgie liegt in dem plötzlichen Abbruch gleich zu Beginn mit dem Wort "lacrimosa". Nach einem Crescendo hält der Chor auf einem Septakkord voller Spannung, welche nicht aufgelöst wird und somit symbolisch Erfüllung und Erlösung verweigert.

Diese Figur wird im letzten Satz fast identisch wieder aufgenommen. Der Text ist jedoch ein anderer. Statt des Schmerzes Mariens steht nun die Hoffnung des Betenden auf die Erlösung seiner Seele im Vordergrund. Und so erklingt bei "paradisi gloria" nicht mehr der spannungsgeladene Septakkord, sondern strahlendes Dur, dem ein à cappella-gesungener Chorsatz in D-Dur folgt, was die göttliche Herrlichkeit zum Ausdruck bringen soll.

Die Wahl der Tonarten in Dvořáks "Stabat Mater" ist stark an die berühmte h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach angelehnt, wohl eine tiefe Verbeugung vor dem Genie der Barockmusik. Die Binnensätze von Dvořáks Werk enthalten aber noch weitere Harmonien, die für die erweiterte Tonalität des 19. Jahrhunderts typisch sind. Obwohl alle Sätze von Trauer und Melancholie geprägt sind, wechselt die musikalische Charakteristik immer wieder.

Vom Trauermarsch über fast schon opernhafte Soli, Frauenchor und à cappella ist fast alles enthalten. Der sechste Satz erinnert sogar an Ludwig van Beethoven. Stark barocken Charakter hat der neunte Satz. Das Orchester zitiert dabei immer wieder ein in d-Moll gehaltenes Motiv, das den Sologesang des Alt schmückt. Krönender Abschluss des gesamten Stückes ist schließlich das "Amen", welches mit einer Fuge beginnt, die dem sonst eher getragenen Werk am Ende eine gewisse Geschwindigkeit und Dynamik verleiht. Doch die letzten Takte führen wieder zur alten Ruhe zurück und lassen Dvořáks „Stabat Mater“ den Charakter einer sehr innigen Meditation.

(Erstsendung: 29.03.2015, Wiederholung: 28.02.2016)