Staatskirchenrechtler sinniert über kirchliche Friedensethik

Frieden ist mehr als Friedhofsruhe

Der Göttinger Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig plädiert für einen immer neuen Blick auf die christliche Friedensethik. Sie müsse zeitgeschichtliche und soziokulturelle Kontexte berücksichtigen und pluralismusfähig sein.

Friedenssymbol / © nito (shutterstock)

"Sie hat zeitgeschichtliche und soziokulturelle Kontexte zu berücksichtigen und zu wägen. Sonst wäre sie keine Ethik, sondern religiöser Doktrinismus", schreibt Heinig in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Montag).

Berücksichtigung des universellen Völkerrechts

"Ethik verlangt die Reflexion normativer Setzungen. Sie ist etwas anderes als moralische Intuition oder religiöse Gewissheit." Eine kirchliche Friedensethik müsse "angesichts der Vielfalt von Frömmigkeitsstilen und politischen Überzeugungen in der Kirche in gewissem Maße pluralismusfähig sein", so Heinig.

Eine kirchliche Friedensethik tue gut daran, reale Machtverhältnisse zur Kenntnis zu nehmen. Eine ethische Perspektive dürfe realpolitisch ansetzen, müsse aber zur ethischen Normbildung beitragen, betont der Experte. "Die ethische Orientierung an der Achtung des universellen Völkerrechts lässt sich deshalb nicht durch eine Ordnung faktischer Einflusssphären ersetzen."

Wenn es um das Verbot eines Angriffskriegs gehe, seien neben wirtschaftlichen Maßnahmen wie Sanktionen "wirksame militärische Abschreckung und als Ultima Ratio auch der Einsatz militärischer Gewalt eine naheliegende Antwort", schreibt Heinig. Wer dies mit Verweis auf ein friedensethisches Leitbild eines "gerechten Friedens" strikt ablehne, bleibe eine "vernünftige Alternative" schuldig.

Zivilier Ungehorsam "unzureichend"

Das "Potenzial zivilen Ungehorsams" erscheine angesichts der Schreckensbilder aus der Ukraine "unzureichend", so Heinig. "Eine kirchliche Friedensethik, die den gerechten Frieden postuliert, aber zum ungerechten Frieden, der in Massenmord, Folter, Vergewaltigung und kultureller Auslöschung eines Volkes mündet, nichts Substantielles mehr zu sagen weiß, muss sich die Frage gefallen lassen, wie sie es mit dem ansonsten postulierten 'Vorrang' für die Schwächsten und Verletzlichsten hält."

Frieden im "anspruchsvollen Sinne" meine mehr als "Friedhofsruhe", aber auch mehr als "die unerbittliche Logik militärischer Abschreckung", betont Heinig. "Eine kirchliche Friedensethik im Horizont der reformatorischen Rechtstheologie rechnet mit den Abgründen des Menschen und verliert zugleich nicht die Hoffnung, seine Verstrickung im Bösen immer wieder von Neuem zu überwinden." Folgerichtig stünden kirchliche Militärseelsorge sowie Friedens- und Versöhnungsarbeit "komplementär" zueinander.

Gerechter Krieg/Gerechter Friede

Die Notwendigkeit, Gewalt und Krieg mit dem christlichen Gebot von Nächstenliebe (auch gegenüber dem Feind) und Frieden vereinbar zu machen, brachte die Lehre vom Gerechten Krieg hervor. Demnach können nach Lehre der katholischen Kirche Kriegshandlungen gerechtfertigt sein, wenn bestimmte, eng gefasste Bedingungen erfüllt sind.

Das Bischöfliche Wort "Gerechter Friede" / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das Bischöfliche Wort "Gerechter Friede" / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA