Staatsakt für Genscher

"Außergewöhnliche politische Begabung"

Er war ein Akteur der Weltpolitik, aber auch ein Menschenfreund, der nie die Bodenhaftung verlor: Beim Staatsakt in Bonn wurden noch einmal alle Facetten des verstorbenen Außenministers Hans-DietrichGenscher nachgezeichnet.

Die Witwe Barbara Schmidt Genscher verneigt sich vor dem Sarg ihres Mannes / © Marius Becker (dpa)
Die Witwe Barbara Schmidt Genscher verneigt sich vor dem Sarg ihres Mannes / © Marius Becker ( dpa )

Abschied von Hans-Dietrich Genscher: Bei einem Staatsakt in Bonn würdigte Bundespräsident Joachim Gauck den langjährigen Außenminister und FDP-Vorsitzenden als "deutschen Patrioten und überzeugten Europäer". Politische Mitstreiter und Weggefährten erinnerten an die Verdienste und das Verhandlungsgeschick des Politikers. Unter den Gästen waren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Altkanzler Gerhard Schröder (beide SPD). Genscher war am 31. März im Alter von 89 Jahren in seinem Haus bei Bonn gestorben.

Genscher sei die Geschichte einer "außergewöhnlichen politischen Begabung" sowie von Disziplin und Tatkraft, sagte Gauck im ehemaligen Plenarsaal des Bundestages. Der aus Halle stammende Politiker habe unermüdlich ein nationales Interesse vertreten, "das gleichzeitig die deutsche Einheit wie den Frieden in ganz Europa umfasst", sagte Gauck.

Erinnerung an Prag 

Der aus Rostock stammende Bundespräsident erinnerte daran, wie Genscher 1989 vom Balkon der Prager Botschaft den ostdeutschen Flüchtlingen bekanntgab, dass sie nach Westdeutschland ausreisen durften. "Traurig, mit tiefem Respekt und in großer Dankbarkeit nehmen wir Abschied von Hans-Dietrich Genscher", sagte Gauck sichtlich bewegt. In seiner "glücklichsten Stunde als Politiker" habe er den DDR-Flüchtlingen in der Prager Botschaft der Bundesrepublik ihre Ausreise angekündigt. Doch ebenso leidenschaftlich wie für die deutsche Einheit habe sichGenscher für das geeinte Europa eingesetzt.

Titan unter den Diplomaten 

Der verstorbene Politiker sei ein "Titan unter den Diplomaten Europas" gewesen, sagte der ehemalige US-Außenminister James Baker in seiner Rede. Mehrfach klang an, dass sich Genscher in den letzten Wochen seines Lebens große Sorgen sowohl um die Einheit Europas wie auch um die Beziehungen zu Russland gemacht hatte.

Der ehemalige Außenminister Klaus Kinkel würdigte seinen Vorgänger und FDP-Parteifreund als einen "Akteur der Weltpolitik" und gleichzeitig als "Menschenfreund" und "Brückenbauer". "Er war ein Meister des Gesprächs", sagte Kinkel. "Er prägte den Wandel vom Rüsten zum Reden." Die deutsche Einheit sei Krönung seiner politischen Arbeit gewesen: "Die Wiedervereinigung war ganz stark das Werk Helmut Kohls und Hans-Dietrich Genschers."

Flammende Vorträge zu Europa 

Kinkel betonte, das Vermächtnis Genschers seien das geeinte Europa, das transatlantische Bündnis mit den USA, aber auch gute Beziehungen zu Russland. "Als er bei öffentlichen Auftritten zum Schluss schon im Rollstuhl saß, hielt er noch flammende Vorträge zu seinem Europa, verbunden mit dem Wunsch des Neubeginns der Beziehungen zu Russland. Immer wieder wies er darauf hin, es müsse in diesem Kontext ein Szenario geschaffen werden, bei dem niemand als Verlierer dastehe."

Gefeiert wie ein Rockstar

Ex-Außenminister Baker erinnerte sich, Genscher sei nach der Wiedervereinigung in seiner Geburtsstadt Halle wie auch in anderen Städten der ehemaligen DDR "wie ein Rockstar gefeiert" worden. Der evangelische Theologe und Publizist Friedrich Schorlemmer bezeichnete Genscher als den "fröhlichste(n) Hallenser aller Zeiten". Zahllose Politiker seien von ihm nach Halle "geschleppt" worden, so dass die Stadt in Sachsen-Anhalt "weltberühmt" geworden sei. Die Bodenhaftung habe Genscher trotz aller Höhenflüge nie verloren.

Genscher war am 31. März im Alter von 89 Jahren gestorben. Aufgrund seiner besonderen Verdienste hatte der Bundespräsident einen Staatsakt angeordnet, ein Zeremoniell, das Ministern nur selten zuteil wird.


Gauck beim Staatsakt für Genscher  / © Marius Becker (dpa)
Gauck beim Staatsakt für Genscher / © Marius Becker ( dpa )
Quelle:
epd , dpa