Mehrheit will laut Umfrage Regeln für süchtig machende Medien

Spannungsfeld zwischen Nutzung und Schutz

Digitale Medien sind für Kinder und Jugendliche so wichtig wie für Erwachsene. Die Frage, wann es zu viel wird, dürfte in vielen Familien Dauerthema sein. Experten warnen aber vor einer Skandalisierung.

Autor/in:
Alexander Riedel
Ein Junge mit einem Tablet / © Corinne Simon (KNA)
Ein Junge mit einem Tablet / © Corinne Simon ( KNA )

Unterricht per Videokonferenz, Online-Angebote von Musikschulen und Sportvereinen, Soziale Medien und Spiele: In der Pandemie sorgen sich viele Eltern um die stark gestiegene Nutzung digitaler Medien ihrer Kinder. Mediensucht sei sehr emotional besetzt, sagte der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung des diesjährigen Kinderreports der Organisation. Es sei ein Kardinalthema in Elternkonferenzen in Schulen und auch schon in Kitas.

Für den Kinderreport werden jährlich Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu einem bestimmten Thema befragt, in diesem Jahr - passend zur Corona-Pandemie - zur Mediensucht. Unter den Kindern und Jugendlichen gaben dabei 12 Prozent an, bereits selbst Erfahrungen damit gemacht zu haben. Unter den Erwachsenen waren es 6 Prozent. Die Frage nach Erfahrungen im Freundes- und Familienkreis bejahten dagegen jeweils etwa 15 Prozent.

Mehrheit für Altersgrenzen und Kennzeichnung

Eine deutliche Mehrheit befürwortet Beschränkungen für süchtig machende Medien: 78 Prozent der Kinder und Jugendlichen sowie 72 Prozent der Erwachsenen sind dafür, dass es für Medien, die süchtig machen können, Altersgrenzen geben sollte. Noch größer fällt die Zustimmung mit 84 und 74 Prozent für eine allgemeine Kennzeichnung solcher Medien aus.

Die Idee, potenziell süchtig machende Medien dahingehend zu beschränken, wie lange sie am Stück genutzt werden können, befürworten 77 Prozent der Kinder und Jugendlichen und 60 Prozent der Erwachsenen. Von generellen Verboten hält eine deutliche Mehrheit beider Gruppen hingegen nichts.

Eltern und Familien in der Verantwortung

90 Prozent und mehr sehen indes die Familien und Eltern sowie die Nutzer selbst in der Verantwortung, wenn es darum geht, Mediensucht entgegenzuwirken. Immer noch rund 80 Prozent sehen die Anbieter von Internetdiensten und Spielen ebenfalls in der Pflicht. "Diese Anbieterverantwortung muss gestärkt werden", sagte auch Krüger. Dazu leiste die Anfang Mai in Kraft getretene Reform des Jugendmedienschutzes einen Beitrag.

Anbieter sind nun verpflichtet, Kindern und Jugendlichen eine unbeschwerte Nutzung zu ermöglichen. So sollen etwa Kostenfallen standardmäßig deaktiviert sein und Interaktionsrisiken wie Mobbing, sexualisierte Ansprache (Cybergrooming) und Hassrede durch geeignete Voreinstellungen vermieden werden. Auch wird die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zur Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz weiterentwickelt.

"Es geht auch um Förderung und Beteiligung"

Dass die Zentrale neben der Durchsetzung der Regeln bei Anbietern auch einen positiven Jugendmedienschutz unterstützen und Kinder und Jugendliche über einen Beirat einbeziehen soll, begrüßte Krüger ausdrücklich. Er betonte, es gehe nicht nur um den Schutz von Minderjährigen, sondern auch um deren Förderung und Beteiligung. Die UN-Kinderrechtskonvention sehe den freien Zugang zu Medien vor. Daher sei die Medienbildung zu stärken, mit dem Ziel eines kritischen und souveränen Umgangs.

Man solle auch Mediensucht ernstnehmen, aber keinen "Diskurs der Skandalisierung des Umgangs mit Medien" verfolgen, meinte Krüger. Dieser würde Kindern und Jugendlichen überhaupt nicht weiterhelfen. "Kinder und Jugendliche sind im Umgang mit Medien im Übrigen auch sehr kompetent und sehr neugierig und sehr antizipierend unterwegs und schaffen sogar neue Kulturen des Umgangs mit Medien." Sie könnten ziemlich gut einschätzen, wo Gefahren lauerten und Grenzen lägen.

Wunsch nach mehr Beratung

Mehr als 90 Prozent der für den Kinderreport Befragten sprachen sich derweil dafür aus, das Thema Mediensucht in der Schule zu behandeln. Große Zustimmung fand auch der Vorschlag, Eltern stärker zu informieren, ebenso wie mehr kostenfreie Beratungs- und Behandlungsangebote.

In der Pandemie habe nicht nur die Nutzung digitaler Medien zugenommen, auch die Lernkurve im Umgang mit ihnen sei stark gestiegen, insbesondere in den Schulen, erläuterte Krüger. Die Rolle der Lehrkräfte habe sich gewandelt: "Lehrkräfte sind heute so etwas wie Influencer geworden." Sie seien immer häufiger "begleitende Multiplikatoren" für digitale Selbstlernszenarien. Zugleich gebe es unter Schülern allerdings eine sehr starke soziale Ungleichheit beim Zugang zu digitalen Endgeräten.


Quelle:
KNA
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