Spaniens Kulturkampf um das Transgender-Gesetz

Kirche sieht "Attentat auf menschliche Würde"

Einmal mehr werden Spaniens Linke als "woke Avantgarde Europas" kritisiert. Ihre Gesetzesvorlage für ein Transgender-Gesetz senkt die Hürden für Geschlechtsumwandlungen erheblich. Kirche und konservative Parteien sind entsetzt.

Autor/in:
Manuel Meyer
Kreuz auf Regenbogenfahne / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kreuz auf Regenbogenfahne / © Julia Steinbrecht ( KNA )

In Spanien tobt die Debatte über eines der progressivsten und umstrittensten Transgender-Gesetze Europas. Die katholische Kirche des Landes zeigt sich mit Blick auf die Initiative der links-sozialistischen Minderheitsregierung "besorgt" und warnt vor der "Perversion einer ideologischen Gesetzgebung".

Erzbischof Argüello sieht "Attentat gegen die menschliche Würde"

Erzbischof Luis Argüello, Generalsekretär der Spanischen Bischofskonferenz, nannte das geplante Gesetz ein "Attentat gegen die menschliche Würde". "Deshalb müssen wir unsere Stimme erheben und den Einsatz verfrühter und irreversibler Behandlungen umso mehr anprangern, wenn nicht gesichert ist, dass eine echte Geschlechtsdysphorie vorliegt." So sollten medizinische Maßnahmen bei Minderjährigen niemals irreversibel sein, meint der Erzbischof von Valladolid.

Die Kirche ist bei weitem nicht die einzige Institution, der die Transgender-Initiative derzeit Kopfschmerzen bereitet. Auch Spaniens Mediziner- und Psychologenverbände betrachten das geplante Gesetz äußerst skeptisch. Vor allem kritisieren sie, dass demnach bereits 16-Jährige unbürokratisch, ohne Erlaubnis ihrer Erziehungsberechtigten sowie ohne ärztliche Betreuung und psychologische Gutachten ihre Geschlechtszugehörigkeit ändern können. Dafür sollen laut dem Vorhaben nur zwei amtliche Erklärungen im Abstand von drei Monaten nötig sein. Dann wird der neue Personalausweis ausgestellt.

Ringen um die Reform

Es entfallen die medizinische Diagnose und eine Hormonbehandlung, die bisher vorgeschrieben sind. Für Minderjährige zwischen 14 und 16 Jahren ist lediglich die Zustimmung beider Sorgeberechtigten notwendig, andernfalls werde das Familiengericht hinzugezogen. Bei Jugendlichen von 12 bis 14 Jahren bedarf es einer richterlichen Erlaubnis.

Die Pläne gehen selbst vielen sozialistischen Parlamentariern zu weit. Am Mittwoch stimmte die sozialistische Parlamentsfraktion im Ausschuss zur Vorbereitung des zu debattierenden Gesetzestextes zusammen mit der konservativen und der rechtspopulistischen Opposition für eine Verlängerung für mögliche Änderungsanträge. Für den linken Regierungspartner Unidas Podemos kam das einem Verrat nahe. Die Sozialisten von Ministerpräsidenten Pedro Sanchez und der kleinere Koalitionspartner Unidas Podemos hatten sich im Kabinett bereits vor eineinhalb Jahren auf die Transgender-Reform geeinigt.

Die Initiative unter Führung von Gleichstellungsministerin Irene Montero ist gerade mit Blick auf die spanischen Regional- und Parlamentswahlen 2023 das Vorzeigeprojekt der Linkspopulisten. So stellte Montero auch klar, dass man "keinen Rückschritt für die Rechte von Trans-Menschen hinnehmen" werde. Von ihrem Koalitionspartner forderte sie, dass der Gesetzestext "ohne Einschränkungen" spätestens am 18. November dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt und noch vor Jahresende verabschiedet werden solle. Sanchez' Sozialisten sind jedoch tief gespalten über das Transgender-Selbstbestimmungsgesetz.

Streitthema in der Politik

Die links-sozialistische Minderheitsregierung steht nun vor einer Zerreißprobe. Auch innerhalb der spanischen Frauenbewegung gibt es Kritik am geplanten Gesetz, weil es juristische Probleme bei der Behandlung beziehungsweise Gleichstellung von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt verursachen könnte.

Unterdessen kündigten die konservative Volkspartei (PP), die liberalen Ciudadanos und die rechtspopulistische Vox-Partei an, gegen das Gesetz zu stimmen. Dieses würde aber mit den Stimmen der Sozialisten, der Linken und Kataloniens Linksrepublikanern über eine ausreichende Parlamentsmehrheit verfügen, sollten die Sozialisten nicht zurückrudern.

Spaniens konservativer Oppositionsführer Alberto Feijoo ließ bereits durchblicken, dass er bei einem Machtwechsel als Erstes das von der Sanchez-Regierung gegründete Gleichstellungsministerium abschaffen wolle. Zudem werde er dessen Dekrete zu aktiver Sterbehilfe, Abtreibung sowie das Transgender-Gesetz rückgängig machen.

Das alles könnte durchaus in absehbarer Zeit passieren. Im Herbst 2023 stehen in Spanien erneut Parlamentswahlen an. Und die Konservativen liegen laut jüngsten Umfragen vor den Sozialisten.

Quelle:
KNA