Sozialverbände warnen vor populistischen Überspitzungen in der aktuellen Debatte um das Bürgergeld. Die Diskussion vergifte das gesellschaftliche Klima, erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele am Montag.
Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch betonte, die überwiegende Mehrheit der Bürgergeld-Bezieher bemühe sich, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Sie hätten "populistische Stimmungsmache nicht verdient".
Politiker sowohl aus der Union als auch aus der SPD dringen aktuell auf eine härtere Gangart bei kooperationsunwilligen Arbeitslosen. Befeuert wird die Debatte von aktuellen Zahlen, die am Wochenende bekannt wurden.
Bentele: Bürgergeldempfänger nicht pauschal unter Verdacht stellen
Demnach beliefen sich die Zahlungsansprüche von Menschen im Bürgergeldbezug 2024 auf insgesamt rund 46,9 Milliarden Euro. Die Zahl setzt sich vor allem aus den Regelsätzen, den Ausgaben für Miete und Heizung sowie den Leistungen zur Sozialversicherung zusammen, wie ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit (BA) dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte. Im Jahr 2023 hatten sich die Zahlungsansprüche auf 42,6 Milliarden Euro summiert.
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erklärte am Montag im ZDF-"Morgenmagazin" zur Höhe der Ausgaben: "Diese Zahl muss runter." Jeder kenne Menschen, die Geld bekämen, es aber nicht bräuchten. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, sagte dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Montag): "Wer das System ausnutzt, dem muss mit klaren Sanktionen begegnet werden."
VdK-Präsidentin Bentele kritisierte, dass Bürgergeldempfänger pauschal unter Verdacht gestellt würden. Sie sprach sich dafür aus, stattdessen stärker gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. Der geschätzte jährliche Schaden dadurch belaufe sich auf etwa 125 Milliarden Euro: "Hier sollte mal angesetzt werden, wenn es darum geht, Betrug in Deutschland konsequent zu verfolgen", erklärte sie.
Auch Diakonie-Präsident Schuch unterstrich: "Wer ernsthaft gegen Sozialbetrug vorgehen will, muss über Steuerhinterziehung reden - im kleinen wie im großen Stil." Das hinterzogene Geld fehle für die Sanierung der Infrastruktur, für Schulen und Kitas oder für die Rente. "Wer es mit Gerechtigkeit wirklich ernst meint, muss auch die reichen Betrügerinnen und Betrüger in den Blick nehmen."
Debatte um Bürgergeld für Ukrainer
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist vorgesehen, das Bürgergeld zu einer "neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende" umzubauen und dabei die Regeln zu verschärfen, um mehr Anreize für eine Arbeitsaufnahme zu schaffen. Davon erhofft sich die Koalition auch Einsparungen. Zu konkreten Zahlen wollte sich eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums am Montag nicht äußern. Dies hänge von der konkreten Ausgestaltung der Reform ab.
Verabredet ist im Koalitionsvertrag auch, dass Ukrainerinnen und Ukrainer, die nach dem 1. April 2025 nach Deutschland kamen oder kommen, kein Bürgergeld mehr erhalten, sondern die niedrigeren Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder sprach sich am Sonntag im ZDF dafür aus, "am besten" auch den anderen aus der Ukraine geflüchteten Menschen kein Bürgergeld mehr zu zahlen. Auch Kretschmer zeigte sich mit der Bürgergeld-Zahlung an die Ukrainerinnen und Ukrainer unzufrieden.
Der stellvertretende Regierungssprecher Sebastian Hille wollte dies am Montag nicht kommentieren. Söders Vorschlag gehe über den Koalitionsvertrag hinaus und sei daher zunächst in der Koalition zu besprechen und nicht in der Bundesregierung.