Sozialforscher fordert Zusammenhalt der gesellschaftlichen Mitte

Eigene Lebensführung überdenken

Nach dem Prozess gegen die rechtsextreme "Gruppe Freital" sei eine Gefahr der Wiederholung nicht ausgeschlossen. Der Sozialforscher Kollmorgen sieht den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht nur als Aufgabe des Staates.

 (DR)

Der Sozialforscher Raj Kollmorgen dringt nach dem Prozess gegen die rechtsextreme "Gruppe Freital" auf einen stärkeren Zusammenhalt der gesellschaftlichen Mitte. "Die Gefahr einer Wiederholung ist mit dem Urteilsspruch nicht gebannt", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag). Das Oberlandesgericht Dresden hatte am Mittwoch mehrjährige Haftstrafen gegen acht Angeklagte verhängt, die 2015 insgesamt fünf Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und Personen verübt hatten.

Nicht nur Staats-Aufgabe

Es könne nicht "Aufgabe allein des Staates sein, diesen Entwicklungen entgegenzutreten", sagte Kollmorgen. Die Gesellschaft müsse "die Bedingungen, unter denen wir leben, diskutieren". Dazu gehöre es, den ländlichen Raum nicht nur als problematisch wahrzunehmen. Die Medien müssten auch "innovative Geschichten" von dort erzählen "und nicht nur einen Übertragungswagen schicken, wenn es Ausschreitungen gab."

Der Wissenschaftler betonte zugleich, dass die Lage mittelgroßer Städte in mehreren Regionen problematisch sei. "Von der Feuerwehr bis zum Chor fehlt es an Nachwuchs", erklärte er. In den Milieus, aus denen auch die Täter aus Freital stammten, hätten sich viele Menschen während des Flüchtlingszuzugs zurückgesetzt gefühlt. In ihrer Wahrnehmung seien "für Fremde Ressourcen mobilisiert" worden, die ihnen selbst verwehrt blieben. "Dieses Gefühl der Zurücksetzung ist der Humus, auf dem fremdenfeindliche Gewalt gedeiht."

"Wohlstand ist keine Garantie für Liberalität"

Kollmorgen verwies darüber hinaus auf ein "Bildungs- und Besitzbürgertum", das "in Teilen konservative bis nationalistische Werte vertritt. Das Fremde wird toleriert, gilt sogar als attraktiv, solange es exotisch oder ornamental ist". Wenn jedoch die eigene Lebensführung herausgefordert oder Überzeugungen in Frage gestellt würden, "wendet man sich ab und feiert die Heimat". Dieses Milieu gebe es in Dresden, aber auch in Schwaben oder Baden. "Wohlstand ist keine Garantie für Liberalität", so der Forscher.


Quelle:
KNA