Sozialethiker Huber sieht Vertrauen in Wirtschaft gefährdet

TTIP, Panama und VW

Nach den Enthüllungen über das Freihandelsabkommen TTIP und die Geschäfte von Briefkastenfirmen sieht der evangelische Theologe und Sozialethiker Wolfgang Huber die Akzeptanz in wirtschaftliches Handeln gefährdet.

Autor/in:
Thomas Schiller
TTIP-Akommen zwischen den USA und der EU in der Kritik / © Arno Burgi (dpa)
TTIP-Akommen zwischen den USA und der EU in der Kritik / © Arno Burgi ( dpa )

"Vertrauen ist ein kostbares Gut", sagte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) der Nachrichtenagentur epd. Er forderte, TTIP völlig neu anzusetzen: "Weiter verhandeln reicht nach meiner Meinung nicht." Für die Geldanlage in ausländischen Briefkastenfirmen, die durch die sogenannten Panama Papers öffentlich gemacht worden sind, unterstützt Huber die Forderung nach besseren und klareren Gesetzen. Es gehe nicht um die Vorverurteilung von Personen, "sondern um Transparenz, Fairness und die Vermeidung von Schlupflöchern", sagte der Ethik-Professor.

Warnung vor Verharmlosungen

Huber warnte vor Verharmlosungen: "Sie tragen zu wachsendem Misstrauen gegen unsere Wirtschaftsordnung insgesamt und gegen die wirtschaftlichen Akteure bei, die zum allergrößten Teil mit solchen Machenschaften nichts zu tun haben", sagte er. Besänftigende Kommentare, die grundsätzlich die Legalität von Offshore-Geschäften unterstrichen, bewirkten das Gegenteil dessen, was mit ihnen beabsichtigt sei: "Sie beruhigen nicht, sondern sie wecken Misstrauen."

Auch beim europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen TTIP müsse neues Vertrauen aufgebaut werden - "mit einem anderen Vorgehen und auch mit anderen Inhalten". Der frühere EKD-Ratsvorsitzende kritisierte die mangelnde Transparenz: "Die bisherige Geheimniskrämerei muss ein Ende haben." Es sei derzeit unklar, ob es mit TTIP möglich sei, eine an internationaler Gerechtigkeit orientierte soziale Marktwirtschaft zu bewahren und weiter zu entwickeln.

Keine grundsätzliche Ablehnung des Freihandels

Huber spricht sich nicht grundsätzlich gegen Freihandel aus. Manche Fundamentalkritik empfinde er als scheinheilig. "In einem Land, dessen wirtschaftliche Stärke vor allem auf seinen Exporten beruht, ist eine prinzipielle Ablehnung des Freihandels abwegig", sagte er. Es müsse aber darauf geachtet werden, dass soziale, kulturelle, umwelt- und entwicklungspolitische Standards "nicht unter die Räder geraten".

Der Ethik-Wissenschaftler bemängelte, dass die Geheimhaltungsvorschriften im TTIP-Verfahren nicht nur die Beteiligung der Öffentlichkeit beeinträchtige. Auch den gewählten Volksvertretern werde die Arbeit erschwert. "Das Resultat ist Misstrauen", sagte Huber. Mögliche Vorteile könnten öffentlich kaum noch vermittelt werden: "Die Debatte über Risiken beherrscht das Feld."

VW-Verhalten in der Kritik

Kritik kommt von Huber auch nach der Entscheidung des VW-Managements, trotz eines Rekordverlusts des Volkswagen-Konzerns an Vorstands-Bonuszahlungen festzuhalten. "Als der Skandal bekannt wurde, versprach VW, alles zu tun um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen", sagte Huber. "Die entscheidenden Schritte auf diesem Weg kann ich bisher noch nicht erkennen." Um zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen, müssten alle Verantwortlichen eine verantwortungsbewusste Haltung zeigen. "Dabei dürfen die Bonuszahlungen nicht ausgespart werden", sagte der Theologe.

Die VW-Führung hatte sich nach zähen Verhandlungen lediglich darauf verständigt, dass 30 Prozent der variablen Vorstandsbezüge einbehalten werden und wie Aktien behandelt werden sollen. Nach drei Jahren sollen die Manager das Geld erhalten, wenn sich die VW-Aktie um 25 Prozent zum heutigen Kurs verbessert.

Der 73-jährige Wolfgang Huber war von 1994 bis 2009 Berliner Bischof. Von 2003 bis 2009 stand er an der Spitze des Rates der EKD. Von 2010 bis 2014 war er Mitglied des Deutschen Ethikrates, dessen Vorläuferinstitution er bereits drei Jahre angehört hatte. Huber hält heute Vorträge und berät Unternehmen und Institutionen. Zudem engagiert er sich ehrenamtlich in zahlreichen Organisationen.


Wolfgang Huber / © Paul Zinken (dpa)
Wolfgang Huber / © Paul Zinken ( dpa )
Quelle:
epd