Soziale Dienste beklagen Arbeitsüberlastung -Mehrzahl der Missbrauchsfälle bleiben unentdeckt

Kinderschutz gefährdet

Sozialarbeiter und Experten haben auf einem Bundeskongress in Köln die Arbeitsüberlastung der Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) kritisiert und zusätzliche Stellen gefordert. "Wir gehen davon aus, dass der ASD nur in einem Drittel der Missbrauchsfälle Kenntnis erhält", sagte Wilfried Nodes vom Deutschen Berufsverband für soziale Arbeit. Unter dem Motto "ASD - wichtiger denn je" treffen sich kommunale ASD-Mitarbeitende noch bis Donnerstag in der Kölner Fachhochschule.

 (DR)

Nodes kritisierte, dass der ASD häufig nur noch das «Kerngeschäft» betreibe, während die Betreuung der Familien an freie Träger abgegeben werde. So komme es zu Situationen, in denen ein ASD-Mitarbeitender für einen Fall zuständig sei, die entsprechende Familie aber nie gesehen habe. Gleichzeitig sei die Zahl der schweren Fälle etwa von Verwahrlosung gestiegen bei gleichem Personalstand in vielen Jugendämtern.

«Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten Oberkante Unterlippe. Der Krankenstand ist sehr hoch», sagte der Verbandsvertreter. Wegen der hohen Zahl der Fälle müssten die Mitarbeitenden Prioritäten setzen: Wenn sie auf der einen Seite Hilfen gewähren, verweigern sie diese notgedrungen auf der anderen Seite.

Gefährdungsmeldungs-Sofort-Dienst in Köln
So will die Stadt Köln jetzt der hohen Belastung der Mitarbeitenden mit der Gründung eines sogenannten Gefährdungsmeldungs-Sofort-Dienstes entgegenwirken. In diesem und im kommenden Jahr sollen den Angaben nach 45 Sozialmitarbeiter eingestellt werden, die sich rund um die Uhr um gemeldete Kindeswohlgefährdungen kümmern. Das sei beispielhaft für Deutschland, hieß es auf dem Kongress.

Michael Mertens, Leiter des Landesjugendamtes im Landschaftsverband Rheinland (LVR), kritisierte das Fehlen von Standards bei der Behandlung sogenannter «Fälle». «In dem Moment, in denen über Standards diskutiert wird, muss man auch über Geld reden», forderte Mertens. So habe sich der Gesetzgeber auf diesem Gebiet noch nicht zu einem Landesgesetz durchringen können, das Standards setze: «Dabei entscheiden die Mitarbeiten über Biografien und Lebensschicksale.»

Zu dem Bundeskongresses, der noch bis Donnerstag stattfindet, haben der Deutsche Berufsverband für soziale Arbeit, der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge, der LVR, die Fachhochschule und die Stadt Köln sowie das Institut für Sozialarbeit und Sozialforschung eingeladen.