SOS-Kinderdörfer zur Flüchtlingssituation in Serbien

"Erschreckend schlecht"

In Serbien is es eisig kalt - trotz des Winterwetters schliefen in Belgrad mehr als 1.200 Flüchtlinge unter freiem Himmel. Zur aktuellen Situation in Serbien ein domradio.de-Interview mit Louay Yassin von den SOS-Kinderdörfern.

Flüchtlinge in einer Lagerhalle in Belgrad / © Darko Vojinovic (dpa)
Flüchtlinge in einer Lagerhalle in Belgrad / © Darko Vojinovic ( dpa )

domradio.de:  Wie ist die aktuelle Lage in Belgrad?

Louay Yassin (Pressesprecher SOS-Kinderdörfer): Sie ist wirklich erschreckend schlecht. Die Temperaturen sinken dort nachts auf minus 20 Grad und mehr. Viele der Flüchtlinge, auch Frauen und Kinder, leben auf der Straße, weil nicht genug Plätze in den Auffangzentren da sind. Sie haben Erfrierungen, nichts zu essen und schlechte Decken. Sie hüllen sich - man kann sich das gar nicht vorstellen - in Plastikplanen.

domradio.de:  Manche Geflüchtete wollen nicht in Aufnahmezentren wechseln. Warum?

Louay: Meistens sind es junge Männer, die da nicht hineinwollen, weil sie auf einen Anschluss irgendwie weiter nach Europa hoffen. Sie haben Angst, dass sie womöglich den nächsten Schleusertransport ins nächste Land verpassen, wenn sie in den Flüchtlingslagern sind.

domradio.de: Schockierend sind die Nachrichten aus der Stadt Subotica, die ungefähr 10 Kilometer vor der ungarischen Grenze liegt. Einheimische gehen nicht in die Wälder aus Angst, auf Leichen von Geflüchteten zu stoßen. Gibt es also doch schon Todesopfer in Serbien?

Louay: Die gibt es. Wir haben von Subotica auch gehört, können es aber als SOS-Kinderdörfer nicht bestätigen, weil wir nicht vor Ort sind. Aber es gab auch schon im November tote Flüchtlinge in Belgrad.  

domradio.de: Ihre Hilfsorganisation ist in Belgrad vor Ort. Wie kann man dort den Geflüchteten helfen?

Louay: Alle Hilfsorganisationen arbeiten vor Ort zusammen. Wir kümmern uns hauptsächlich um junge Familien, Mütter mit Kindern, schwangere Frauen, kleine Kinder und vor allem auch um unbegleitete Kinder. Wir versorgen sie mit Decken und Heizgeräten. Auch frisches Wasser ist sehr wichtig, weil es in vielen großen Unterkünften kein fließendes Wasser gibt. Das ist eine Gefahr für die Gesundheit. Wir verteilen auch Babynahrung oder geben einfache medizinische Unterstützung.  Ganz wichtig ist es auch, den kleinen Kindern Gelegenheit zum Spielen zu geben.

domradio.de: Wie wichtig ist das Spielen für die Kinder?

Louay: Es ist sehr wichtig für die Psyche der Kinder, dass sie einen geschützten Raum zum Spielen oder Malen haben, in dem sie auch einmal für sich sein können. Andernfalls können durch die Flüchtlingssituation tiefsitzende nachhaltige Traumata zurückbleiben.

domradio.de: Und wie können wir Sie in Ihrer Arbeit unterstützen?

Louay: Das klingt profan, aber am besten mit Geld. Denn Transporte von gespendeten Lebensmitteln von Deutschland nach Serbien sind sehr teuer. Das Geld aber können wir eins zu eins nach Serbien transferieren und dann vor Ort Babynahrung, Kleidung und alles andere einkaufen.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Schriftzug: "Das Problem sind die Grenzen" / © Darko Vojinovic (dpa)
Schriftzug: "Das Problem sind die Grenzen" / © Darko Vojinovic ( dpa )

Warten auf die Essensausgabe / © Darko Vojinovic (dpa)
Warten auf die Essensausgabe / © Darko Vojinovic ( dpa )

Aufwärmen am Feuer / © Darko Vojinovic (dpa)
Aufwärmen am Feuer / © Darko Vojinovic ( dpa )
Quelle:
DR