Sorge um Kranke ist ein Kern christlicher Nächstenliebe

Sehnsucht nach "heil werden"

Schön, fit und vital – kranke Menschen geraten angesichts solcher gängigen Ideale leicht aus dem Blick. Auch deshalb begeht die Weltkirche in diesem Jahr schon zum 30. Mal den Welttag der Kranken.

Autor/in:
Angelika Prauß
Pfleger hilft einem Kranken / © Ground Picture (shutterstock)
Pfleger hilft einem Kranken / © Ground Picture ( shutterstock )

Gesundheit ist ein hohes Gut - das merkt man spätestens dann am eigenen Leib, wenn der Körper nicht mehr einfach so funktioniert wie gewohnt. Krebserkrankungen, Asthma, Rheuma, Demenz, Parkinson - akute, aber auch viele chronische Krankheiten können das Leben auf Dauer belasten und Menschen auf ein Abstellgleis schieben.

Ein Kern christlicher Nächstenliebe

Die Sorge um kranke und gehandicapte Menschen ist ein Kern christlicher Nächstenliebe. Da erstaunt es fast, dass Papst Johannes Paul II. dafür erst vor 30 Jahren einen eigenen Welttag ausgerufen hat.

Waren es früher vor allem Ordensleute, die sich um kranke Menschen kümmerten, gibt es hierzulande heute noch immer hunderte Kliniken in christlicher Trägerschaft. Allein der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (kkvd) vertritt bundesweit über 270 Allgemein- und Fachkrankenhäuser, 54 Reha-Einrichtungen und gut drei Dutzend meist psychiatrische Tageskliniken. Hier spielten ethische Fragestellungen eine besondere Rolle, erklärt Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des kkvd. "Dabei kann es kein Schablonen-Denken geben, sondern Zuhören und Abwägen stehen im Vordergrund."

"Menschen mit Leib und Seele"

Patientinnen und Patienten sollen demnach als "Menschen mit Leib und Seele" gesehen werden, nicht als der Blinddarm von Zimmer 201, so formuliert Rümmelin den Anspruch. "Das äußert sich in Zeit für ein tröstendes oder aufmunterndes Wort, aber auch darin, Therapien ganzheitlich zu denken und das soziale Umfeld mit einzubeziehen." So werde Menschen ohne gesicherte Anschlussversorgung auch mal ein längerer Aufenthalt ermöglicht, "auch wenn das von den Kassen nicht ausfinanziert wird".

Ganzheitliche menschliche Zuwendung und eine spirituelle Stärkung in gesundheitlich schwierigen Phasen ist auch ein Anliegen der Krankenhausseelsorge, die es in vielen Kliniken gibt. Die Seelsorger und Seelsorgerinnen begleiten den Patienten, "müssen schwere Situationen mit ihm aushalten können und schweigen, wenn jedes Wort zuviel ist", erklärt Frank Wecker, Diözesanbeauftragter für die katholische Krankenhausseelsorge im Erzbistum Paderborn. Zugleich sollte die Person "ein offenes Ohr haben für Angehörige und Zugehörige" sowie das Klinikpersonal.

Viele Menschen nicht mehr kirchlich gebunden

Zwar seien viele Menschen heute nicht mehr kirchlich gebunden, "aber sie haben oft noch ein Gespür dafür, dass es noch etwas mehr geben muss in ihrem Leben als das, was sie gerade jetzt in der Krankheit erleben. Sie sehnen sich nach dem 'heil werden'". Im Seelsorgegespräch könne etwas angestoßen werden, was kranken Menschen Hoffnung und Zuversicht gebe. "Manchmal ist es die Zeit danach, die in den Blick kommt, oder auch ein Ritual wie das Sprechen eines Gebetes oder einfach nur das Da sein."

Bernadette Rümmelin findet es wichtig, die seelischen und spirituellen Bedürfnisse kranker Menschen zu sehen und anzusprechen.

Gespräche innerhalb der Klinikteams

Zuhören und seelsorgerische Gespräche seien aber auch innerhalb der Klinikteams wichtig. Die Seelsorgenden leisteten dort "einen wichtigen Dienst am Nächsten." Nicht zuletzt die Corona-Pandemie habe gezeigt, "dass es auch und gerade in der Krise ohne die Seelsorgenden nicht geht". Die Geschäftsführerin sieht sie als wichtige Stützen und gleichberechtigte Teile des multiprofessionellen Behandlungsteams.

Seelsorge für Kranke zu Hause

Wie aber kann die Seelsorge für Kranke aussehen, die wieder zu Hause sind? Frank Wecker verweist auf kirchliche Besuchsdienste, die auf Anfrage eine Begleitung oder einen Besuch anbieten. Es könnten aber auch hauptberufliche Pfarrmitarbeiter und -mitarbeiterinnen für einen häuslichen Krankenbesuch angesprochen werden. Zugleich räumt Wecker ein, dass durch den Personalmangel die Krankenseelsorge im häuslichen Bereich oft zu kurz komme.

Eine besondere Stärkung erleben rund 600 kranke und behinderte Menschen, die jedes Jahr an einer Krankenwallfahrt der Malteser ins südfranzösische Lourdes teilnehmen. Für viele von ihnen sei der Pilgerort inzwischen eine Heimat und "ein besonderer Ort - unabhängig davon, wie man zu den Erscheinungen steht", sagt Norbert Scheckel. Der stellvertretende Diözesanseelsorger der Malteser in Paderborn begleitet regelmäßig diese besondere Pilgerreisen.

Positiver "Kontrapunkt"

Das Zusammentreffen mit anderen Kranken, die große Hilfsbereitschaft und das liebevolle Umsorgtwerden, das Erleben von Gemeinschaft, stärkende Gottesdienste - all dies bilde einen positiven "Kontrapunkt" zum eigenen, oft einsam erlebten Alltag. Gesunde Pilger, die mit den Maltesern nach Lourdes reisen, übernehmen laut Scheckel oft "Pferdchen-Dienste", indem sie Menschen aus dem Krankenhaus in Rikschas beispielsweise zu Gottesdiensten fahren. "Das macht auch was mit den gesunden Leuten", stellt der Seelsorger fest.

Ohnehin ist Scheckel beeindruckt von der Dankbarkeit und dem großen Optimismus selbst schwerstkranker und behinderter Menschen. "Ihre unverstellte Herzlichkeit ist ansteckend", sagt der Seelsorger. Viele brächten viel Kraft auf, um einmal an dieser Wallfahrt teilnehmen zu können. Sein Fazit: "Die Kranken schenken uns mehr Kraft, als wir ihnen geben können."

Quelle:
KNA